Und das ist, letzten Endes, auch der Grund, warum sich Indianer nicht länger als Indianer bezeichnen lassen wollen. Und warum auch die Begriffe, die von den Nachfahren von Afrikanern in Amerika für sich selbst verwendet werden, in den vergangenen 100 bis 150 Jahren so oft gewandelt haben – von Colored und African zu Negro zu Black zu African-American, und vielleicht schon bald wieder einem neuen Begriff. Es sind halt nun mal die Betroffenen, die hier ein Wort mit zu reden haben, wie sie angesprochen werden wollen – ganz so wie mein eingangs erwähnter Schulfreund. Und so lange jede dieser Bezeichnungen letztlich doch nur dazu dient, Menschen auf ein sehr äußerliches Merkmal – in diesem Fall die Hautfarbe – zu reduzieren und entsprechend abzuqualifizieren (und genau das ist, leider, immer noch der amerikanische Alltag), so lange werden sich die Begriffe ändern. Auch, wenn es uns umständlich und oberflächlich erscheint. Und nein, nur weil Martin Luther King Jr., der am 15. Januar seinen 84. Geburtstag gefeiert hätte, gleich zu Beginn in seiner berühmten Rede “I have a dream…” von “Negro” spricht, oder weil die Bildungsstiftung sich aus historischen Gründen auch heute noch United Negro College Fund nennt, bedeutet das nicht automatisch, dass ich nun jeden, dessen Hautfarbe dunkler ist als meine, als solchen betiteln darf. Malcom X bevorzugte “black”, das zu Antebellumzeiten noch ein übles Schimpfwort war. Dies ist zwar auch heute noch – vor allem, weil es einen äquivalenten sprachlichen Kontrast zu “white” (weiß) bietet – sehr verbreitet, aber seit den 80-er Jahren gewinnt “African-American” (das parallel zu “Italian-American” oder “German-American” statt äußerer Merkmale eine ethnische Abstammung ausdrückt) an Popularität. Aber wer weiß – vielleicht wird auch dieser Begriff sich bald abnutzen. So lange Begriffe zur Ausgrenzung dienen, so lange werden sie früher oder später einen negativen Beiklang erhalten und daher ausgemustert werden.
Wie Worte von neutral zu negativ abgleiten können, belegt übrigens auch ganz eindrücklich der Begriff der “political correctness” selbst, der usprünglich nur das Bemühen ausdrücken sollte, auf die Sensibilitäten verschiedener Gruppen nach deren Wünschen einzugehen, und der inzwischen von den Gegnern solcher (Sprach-)Sensibilitäten als Schimpfwortkeule für einen gutmenschelnden Übereifer benutzt wird.
Nochmal: Entscheidend ist nicht der Begriff an sich (der wandelt sich gelegentlich), und eigentlich auch nicht die Intention dessen, der den Begriff benutzt. Entscheidend ist, wie der Begriff vom Angesprochenen aufgefasst wird. Und darüber kann nun mal lediglich der Angesprochene befinden. Dabei spielt es absolut keine Rolle, ob der Begriff überhaupt rassistisch gemeint ist oder nicht, oder ob er “nur” historisch inkorrekt, sozial inadäquat oder vielleicht sogar nur ästhetisch unbefriedigend ist.
Und außerdem: Mangel an Intention schützt vor Rassismus nicht, wie Gerhard Polt und Gisela Schneeberger in diesem klassischen Sketch auf geradezu schmerzhaft satirische Weise zeigen:
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