Meta-Hinweis: Dies sollte eigentlich als ein Kommentar zu Stephan Schleims Beitrag Sexismus in der Sexismus-Debatte bei den scilogs werden. Aber erstens wäre sie eh’ zu lang für einen Kommentar dort, und zweitens muss ich zugeben, dass mein Ironiesensor sowohl beim Beitrag selbst als bei den meisten Kommentaren, die dazu geschrieben wurden, ganz einfach versagt hat. Habe ihn über Nacht in Reparatur gegeben, aber – nix. Weiterhin kein Ausschlag. Ehe ich also riskiere, bei den scilogs auf dem falschen Bein zu kommentieren, schreib’ ich meine Gedanken lieber in meinem eigenen Kontext auf.
Die Rassismus-Debatte ist hier noch gar nicht ganz abgeebbt, da wird in Deutschland schon wieder ein neues Fass aufgemacht, diesmal eines, aus dem der Sexismus mit einem Aufschrei herausschwappt. Und während ich mich, mit der Distanz eines Ozeans gehandicapped, noch ins Thema einlesen will, stoße ich bei den scilogs auf diesen – von diversen Facebook-Seiten (scheinbar) hoch gelobten – Beitrag von Stephan Schleim: Sexismus in der Sexismus-Debatte. Dem Tenor des Beitrags, dass es – ich benutze jetzt mal meine Worte – meta-sexistisch ist, den Sexismus allein als ein Fehlverhalten von Männern zu definieren (genau, das ist nämlich eine in sich sexistische Definition), will ich erst einmal unumwunden und emphatisch zustimmen:
Als Beleg liefert der scilogs-Autor dann Beobachtungen, die er im Laufe seines Lebens gemacht hat – Beobachtungen, in denen er als Mann sich als Opfer weiblicher sexistischer An- oder Übergriffe (oder zumindest der Versuche derselben) empfunden hat. Das deckt sich zwar nicht mit meinen eigenen Erfahrungen, was in mir spontan Zweifel and der repräsentativen Gültigkeit dieser Anekdoten weckt – aber das mag auch ganz einfach daran liegen, dass ich als Objekt der Begierde halt einfach nicht attraktiv genug bin (wobei, und das ist ganz wichtig, ich aber nicht implizieren will, dass attraktivere Menschen per se eine Mitschuld daran tragen, wenn sie derart “angemacht” werden – weder Kleidung noch Sexappeal geben anderen das Recht, die Persönlichkeitsrechte eines Menschen zu verletzen. Und das ist ganz unironisch gemeint.)
Äh, wo war ich? Ach ja, bei den eigenen Erfahrungen. Nochmal: Ich will hier nicht bezweifeln, dass das von Stephan Schleim beschriebene Verhalten seine Persönlichkeit und seine Gefühle verletzt hat. Aber ich frage mich, ob das in der aktuellen Debatte wirklich hilfreich ist. Es kann nämlich leicht missverstanden werden: Anstatt (wie ich hoffe, dass er meinte, was ich dann aber in den Kommentaren kaum noch wiederfinden kann) darauf hinzuweisen, dass dies als eine Debatte in der Gesellschaft insgesamt geführt werden muss, in der es um zwischenmenschliches Verhalten geht, kann es auch so rauskommen, dass damit die Diskussion über das Fehlverhalten der Männer (i.d.F. mehr oder weniger prominente Politiker) erst mal angehalten werden soll, so lange nicht auch weibliche Übergriffe diskutiert werden.
Das mag jetzt beinahe spitzfindig klingen, denn beide Prämissen scheinen das gleiche zu fordern: eine Diskussion über Sexismus und sexuelle Belästigung (was übrigens nicht synonym ist), die unabhängig vom Geschlecht der TäterInnen geführt wird. Doch es ist eine Sache, die aktuelle Diskussion erweitern zu wollen – eine ganz andere, damit die aktuelle Diskussion erst mal bremsen, weil ja nur über die männlichen Übergriffe geredet wird. (Und noch einmal, auch wenn ich mich wiederhole: Welches die Intention von Stephan Schleim war, ist mir nicht klar, und ich hoffe eigentlich erstere – aber die meisten Kommentare zielen in die zweite Richtung.)
Analog zum Rassismus, der Menschen allein durch ihre “Rasse” (was immer das sein mag) definiert, ist Sexismus der Versuch, Menschen allein über ihr Geschlecht zu definieren. Und das ist falsch, egal welche Kombinationen von X und Y-Chromosomen dabei im Spiel sind. Auch wohlmeinender Sexismus ist sexistisch, und das menschliche Paarungsverhalten schon ganz und gar (denn sowohl beim homo- als auch beim heterosexuellen Partnerverhalten ist das Geschlecht ein maßgebliches Kriterium). Es ist nicht weniger sexistisch zu sagen, Frauen sind bessere … wasauchimmer, als eine parallele Aussage zu Männern zu machen.
Doch wie gesagt: Sexismus und sexuelle Belästigung oder gar sexuelle Missbrauch sind nicht synonym. Und in manchen Fällen haben sie sogar sehr wenig mit einander zu tun. Vergewaltigung, sexueller Missbrauch und sexuelle Misshandlung sind sehr oft eher durch die Aggression und Wut der TäterInnen definiert (auch wenn in den einschlägigen Studien – die Welt ist voller Sexismus – wie dieser hier eigentlich nur männliches Verhalten untersucht wird); welche Lust wurde wohl in Abu Ghraib befriedigt, welche “Begierden” befriedigt Vergewaltigung als Methode der Kriegsführung?
Aber auch hier muss ich erst mal die Torpfosten wieder dahin rücken, wo sie anfänglich standen: Es geht ja in der aktuellen Diskussion nicht um Vergewaltigung, und nicht jede sexistisch inspirierte Belästigung ist eine Vorstufe zu sexueller Gewalt, auch wenn die Genzen leider fließend sind. Worum es geht ist das konkrete Verhalten der Politiker (und, hier sind sie ganz “Volksvertreter”, vieler anderer Männer), durch das sich Frauen “angemacht” fühlten – wobei “angemacht” hier stellvertretend für als “abgewertet”, “belästigt”, “bedrängt” etc. steht. Dass dieses unsensible Verhalten potenziell von beiden Geschlechtern praktiziert werden kann, ist zwar im Prinzip richtig, aber im konkreten Fall waren es halt mal Männer …
Damit es klar ist: Ich wäre genauso empört, wenn Frauen dieses Verhalten an den Tag legten, und es spielt auch keine Rolle, ob Frauen oder Männer dabei die Opfer sind (wie gesagt, jede Kombination ist denkbar). Aber dem der Vorschlag, dass die Betroffenen so lange die Klappe halten müssen, bis auch ein paar prominente grabschende oder “baggernde” (sagt man das heute noch? Bin ein wenig aus der Übung…) Frauen geoutet werden können, wäre wohl absurd …
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