Aber der rote Faden dieser ganzen Debatte, an dem sich die sprichwörtliche Maus die Zähne ausbeißt, ist doch der: Unabhägig vom Verhalten der Journalistin oder der Journalisten insgesamt – Brüderles Benehmen wird dadurch nicht besser. Wie oft habe ich im Lauf meines Berufslebens das Argument hören müssen, dass bestimmte rassistische, sexistische oder sonstig -istische Bemerkungen doch gar nicht öffentlich getätigt wurden. Als ob heimliche Sexisten, Rassisten und Sonstwas-isten irgendwie weniger ein Problem wären. Als ob nur bekennende Sexisten, Rassisten und Sonstwas-isten geoutet werden dürften. Komische Vorstellung von Journalismus, so was …
Kleiner Einschub: Dass Brüderles Verhalten falsch war, wird ja eigentlich auch dadurch bestätigt, dass die gesamte FDP-Führung dies offenbar als eine Kampagne empfindet. Denn es wird ja nur eine Kampagne, wenn sie Munition hat – und die Munition bezieht ihre Durchschlagskraft nicht, wie man uns glauben machen will, aus der persönlichen Befindlichkeit einer Stern-Journalistin, sondern daraus, dass eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung zustimmt, dass sich Brüderle daneben benommen hatte. Nur dann hat die “Kampagne” ja überhaupt Biss. Q.e.d.
Und das Argument “andere sind doch auch nicht besser” ist übrigens auch keines: Sicher ist der Stern nicht gerade die Postille des Anti-Sexismus, und sicher passt die Story dem Blatt gut ins Konzept – doch das annuliert kein einziges der Wörter, die Brüderle gesagt hat (ich benutze hier absichtlich nicht den Konditionalis, denn offenbar wurde die faktische Richtigkeit der Darstellung dieser Begebenheit von FDP-Seiten bestätigt). Mag sein, dass der Stern sich heuchlerisch und opportunistisch verhält – aber das ändert am Sexismus des Geschehenen nicht das geringste. Es ist ein alter Trick, über den ich hier schon mal geschrieben habe: Wer sich als Opfer, von was auch immer, stilisieren kann, befreit sich damit leichter von Schuldvorwürfen. Wenn ich beim Falschparken erwischt werde, hilft es nichts zu sagen, dass andere auch falsch parken und dass der Polizist mich eh’ auf dem Kieker hatte – so lange ich im Parkverbot stand, ist der Vorwurf (und der Strafzettel) gültig. Alles andere sind Ablenkungsmanöver.
Und ein ganz perfides Ablenkungsmanöver ist übrigens schon der Einstieg in Birgit Kelles Stück: Sie geht davon aus, dass all dies nie zu einem Thema geworden wäre, wenn Brüderle ein attraktiverer Mann wäre: “Vielleicht wäre uns diese ganze Debatte erspart geblieben, wenn an diesem ominösen Abend an der Bar nicht Rainer Brüderle, sondern George Clooney gestanden hätte, um seine Tanzkarte an Frau Himmelreich weiterzureichen” schreibt sie, umd dann den Gedanken zu Ende zu spinnen: “Dann wäre es unter Umständen die Geschichte eines heißen Flirts geworden und Frau Himmelreich hätte bis an ihr Lebensende einen echten Clooney bei ihren Freundinnen zum Besten geben können.” Aha. Klar doch. Jede Frau fliegt auf Clooney. Und wenn der zudringlich würde, dann schmölze jeder Widerstand. Wirklich? Muss man das wirklich im 21. Jahrhundert noch lesen? Das war zu “Goldfinger“Zeiten” schon sexistischer Dreck, und es wird nicht dadurch besser, dass dies von einer Frau als “Argument” gebracht wird. Und ja, ich bin ein fan sowohl von “Goldfinger” als auch von George Clooney – der übrigens zum Thema Sexismus vermutlich eine deutlichere Haltung einnimmt als viele der apologetischen DiskutantInnen.
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