Pardon, Monsieur Sartre! Diese Beitrag hat nichts mit dem gleichnamigen Theaterstück des franzöischen Existenzialisten zu tun, sondern wirklich nur mit dem, was wir – wie es scheint – einfach nicht oft genug tun: dem Händewaschen. Das Thema kam hier ja schon bei Christoph Larssens Erklärfix ebenso zur Sprache wie in meinem eigenen Blog hier – aber man kann’s einfach nicht oft genug wiederholen: Saubere Hände nützen nicht nur der individuellen Gesundheit, sondern schützen auch ganze Populationen.

Aktuell bin ich (wieder) auf dieses Thema gestoßen, weil ihm ein Artikel im New Yorker der vergangenen Woche gewidmet ist. Da ich nicht annehme, dass viele meiner LeserInnen ein Abo des Magazins und damit Zugriff auf den Artikel (in Print oder Digital) haben, will ich versuchen, hier schnell mal die wichtigsten Punkte rauszusuchen:

– In den Krankenhäusern der USA, beispielsweise, forderte die Ausbreitung von ansteckenden Krankheiten als Folge mangelhafter Hygiene allein im Jahr 2002 mehr als eineinhalb Millionen Todesopfer – das sind doppelt so viele Menschen, wie alljährlich an Aids und an Schusswaffenverletzungen sterben.

– Bei einem Feldversuch im Jahr 2005 mit Hand-Desinfektionsmitteln konnte die US-Armee feststellen, dass es über die 13 Testwochen hinweg in den zwei teilnehmenden Bataillonen 40 Prozent weniger Atemwegserkrankungen, 48 Prozent weniger Magen- und Daremerkrankungen und insgesamt 44 Prozent weniger Ausfallzeiten als in den “unbehandelten” Vergleichsbataillonen gab.

– Die in den USA weit verbreitete Methode, Zangen an Selbstbedienungsbuffets und Backwaren-Körben in Supermärkten (beispielsweise) bereit zu stellen, täuscht leider eine falsche Hygiene vor: Diese Zangen werden von jedem angefasst, der sich hier bedient – den Apfel oder das Brötchen, das ich mir aussuche, dagegen (im Normalfall, dass niemand unnötig Waren betatscht) hingegen nur von mir.

– Auch Gummi- oder Plastikhandschuhe können ein falsches Gefühl der Sicherheit vortäuschen. Wir seien von Natur aus, so wird die Verhaltensbiologin Valerie Curtis von der London School of Hygiene and Tropical Medicine zitiert, mit einem Ekelreflex ausgestattet, der uns geradzu zwinge, uns die Hände nach dem Berühren von toten Tieren (Hühnchen, beispielsweise) und speziell deren Innereien zu waschen. Gummihandschuhe verhindern zwar diesen Reflex , aber nicht die Ausbreitung der Krankheitserreger, wenn ich dadurch vergesse, die Handschuhe abzustreifen, ehe ich (zum Beispiel) die Kühlschranktür öffne.

– Es mag zwar möglich sein, dass verbesserte – antimikrobielle – Hygiene mit erhöhtem Auftreten von Immunschwäche-Erscheinungen wie beispielsweise Allergien oder Asthma einher geht – aber dies ist lediglich eine moderne Version von “was uns nicht umbringt, macht uns härter”, wie der Mikrobiologe Don Schaffner (Rutgers University) in dem New-Yorker-Artikel erklärt:

“Vielleicht hätten wir eine viel gesündere Bevölkerung, wenn wir solche Bedingungen akzeptieren wuerden, wie wir sie in der Dritten Welt vorfinden, mit schlechtem Essen, schlechtem Wasser und jeder Menge Keime. Wenn wir das täten, hätten wir Erwachsene, die sehr gesund sind und ein sehr starkes Immunsystem haben. Leider wäre der Preis dafür eine sehr hohe Kindersterblichkeit. Das ist der Handel, den man dabei eingeht.”

flattr this!

Kommentare (14)

  1. #1 ali
    7. März 2013

    Da ich nicht annehme, dass viele meiner LeserInnen ein Abo des Magazins und damit Zugriff auf den Artikel (in Print oder Digital) haben

    Es lohnt sich aber.

  2. #2 Wurgl
    7. März 2013

    Die Gummihandschuhe, das Hühnchen und die Kühlschranktür … gestern hab ich aus Langeweile ein wenig in die Glotze geguckt und da lief so ein Trash-CSI irgendwas. Jedenfalls war da eine Ermittlerin vor dem Seziertisch, sie fummelt an der Leiche herum, das Händy schellt und sie greift sofort mit den Handschuhe zum Händy und telefoniert wichtig rum. Mein geistiger Alarm hat sofort angeschlagen! Entweder Handschuhe oder Händy!

    Aber wie gesagt, so eine Trash-Serie. Zum Ausklingen des Abends gut geeignet.

  3. #3 michael
    7. März 2013

    Du hast Deinem Kollegen ein ‘t’ geklaut.

  4. #4 Jürgen Schönstein
    7. März 2013

    Jetzt hat er’s wieder zurück. 😉

  5. #5 Stefan W.
    https://demystifikation.wordpress.com
    8. März 2013

    Wenn es hier eh schon etwas unernst zugeht: Mein feedreader bastelt aus Überschrift und Autor oft lustige Kombinationen – hier zum Beispiel

    Die schmutzigen Hände von Jürgen Schönstein
    Die schmutzigen Hände von Michael
    Die schmutzigen Hände von Wurgel

    Baust Du, Jürgen, die Artikeltitel vielleicht gleich absichtsvoll in diese Richtung?

    So – jetzt habe ich mir auch die Hände schmutzig gemacht.

    Zu den Grillzangen am Brötchenspender ist des weiteren aber zu sagen, dass diese Zangen äußerst schlecht geeignet sind, Brötchen zu fassen, so dass nicht so geschickten Personen wie mir dann noch 50% der Brötchen über den Boden kullern. Soll ich die dann doch kaufen/zurücklegen/wohin damit/bezahlen?

    Die Klappe muss ich aber so oder so anfassen. Jedenfalls fingere ich mir mein Brötchen raus, und was ich anfasse, das hole ich auch raus und kaufe es. Die Werbetragenden Einkaufstrenner fasse ich aber auch nicht an, und lasse stattdessen einen halben Meter Lücke – das genügt völlig, um anzuzeigen, wo meine Einkäufe enden und die nächsten beginnen. Aber die hinter mir stellen gleich wieder beflissen einen Werbeträger auf, und drängen sich aufdringlich an, als ob es dadurch schneller ginge.

  6. #6 Wolf
    8. März 2013

    Ich bin dazu übergegangen z.B. Hühnerbrust nicht mehr abzuspülen.
    Warum?
    Weil es nichts bringt.
    Als ob ich mit etwas fliessend Wasser die Keimzahl von z.B. Salmonellen signifikant ändern könnte (wenn dem so wäre könnte man in Krankenhäusern echt viel Geld sparen). Es tritt eher sogar der gegenteilige Effekt ein: Ich tropfe mit verkeimten Wasser in der Küche rum und verteile die Salmonellen überall dort, wo ich sie eben nicht erwarte.
    Die Hühnerbrust schmeiße ich in die Pfanne und brate sie durch, meinen Apfel, der was von dem verkeimten Wasser abbekommen hat eher weniger.

  7. #7 Nele
    8. März 2013

    @Wolf
    Für die Zubereitung von Fleisch als Präventivmaßnahme gegen eine Salmonelleninfektion wird eine Gartemperatur von mehr als 70° über mehr als 10min empfohlen.

    Man muss sein Huhn also nicht ganz kaputtbraten. 🙂

  8. #8 Chris
    8. März 2013

    @Jürgen
    Ich habe mich neulich korrigieren lassen, das es Hände Desinfektion heißen muss, nicht Hände waschen. Kleines Detail, aber wichtig. Auch eine wahre und traurige Tatsache, das Hände Desinfizieren nimmt mit steigender Hierarchie im Krankenhaus ab. Der Chef reinigt sich die Hände – wenn er nach Hause fährt.

  9. #9 Robert
    9. März 2013

    1,5mio Tote durch mangelnde Hygiene!?
    Irgendwie kann ich mir das nicht so recht vorstellen. Wie viele Einwohner haben die Usa? 300mio? Dh vereinfacht gesagt sterben 0,5% der Leute jedes Jahr weil jemand vergisst, sich die Hände zu waschen. Wie viele Leute sterben insgesamt? Mich freuts grad nicht rechnen, aber bei einer Lebenserwarung von 85 Jahren wären das vermutlich so 1.15 bis 1.20%. Dh beinahe die Hälfte der Tode wäre durch Händewaschen vermeidbar.
    Ernsthaft?
    Hast du dazu quellenangaben??
    Ich kann(mag) das nicht so ganz glauben, damit wärs ja ganz eindeutig Todesursache Nr 1.

  10. #10 Spoing
    9. März 2013

    @Robert:
    Bei den Todesfällen ist das so eine Sache, wenn sich ein Lungenkrebskranker Raucher im Krankenhaus MRSA einfängt und dann an einer Herzinsuffizienz stirbt dann findet man den locker in 10 Statistiken.

    Gerade die mangelnde Krankenhaushygiene ist eher ein “Finischer” als das es sich dabei um den Tod gesunder handelt.
    Ich muss zwar raten, aber ich würde tippen das locker bei 3/4 der Todesfälle deren Lebenserwartung durch die Krankenhausinfektion um nicht mehr als ein Jahr gedrückt wurde.
    Auf Krankenstationen kann man immer sehr gut beobachten wie der Rote Punkt (Wird in vielen Krankenhäusern eingesetzt um Zimmer mit MRSA-Patienten zu markieren) rum geht. Gesunde Menschen haben den nur relativ kurz. Schwer Kranke dagegen meist bis zum Ende. Besonders tragisch ist in den Fällen, wo jemand ohne diese Zusatzinfektion eine schwere Erkrankung überwinden hätte können.

  11. #11 HT
    9. März 2013

    Ich arbeite gerade an einer Uni im Mittleren Osten und sehe in jedem Waschraum und jeder Teekuche Desinfektionsmoeglichkeiten fuer die Haende. Fuer viele Menschen hier ist es auch an sich Usus ein Flaeschchen mit Handdesinfektion mit sich zu fuehren. Tafeln, die erklaeren, wie und warum man sich die Haende waschen sollte, findet man auch immer und immer wieder.

    Interessanter Artikel.

  12. […] Die schmutzigen Hände  » https:// scienceblogs.de […]

  13. #13 LOL
    10. März 2013

    Schon Idiocracy die Sache, besonders seit Professor Dr. Ignaz Philipp Semmelweis, der Retter der Mütter, gegangen wurde.

    PS: Wie kommt man hier zu einem eigenen Blog?

    Florian Freistetter jubelt bei:
    Selbstmord-Serie: Tausend indische Bauern gehen in den Tod …
    Die sind auf Lügen spezialisiert – Taz
    denn HannoverGEN verschweigt die Versklavung der Bauern.

  14. […] mangelnden Handhygiene haben wir hier bei den Scienceblogs schon mehrfach behandelt (hier, hier und hier, beispielsweise). Die Idee, dass durch konsequentes Händewaschen die Ausbreitung von Krankheiten, […]