Ignaz_Semmelweis_1861Das Problem der mangelnden Handhygiene haben wir hier bei den Scienceblogs schon mehrfach behandelt (hier, hier und hier, beispielsweise). Die Idee, dass durch konsequentes Händewaschen die Ausbreitung von Krankheiten, vor allem im klinischen Umfeld, eingedämmt oder sogar verhindert werden könnte, war dem österreichisch-ungarischen Arzt Ignaz Semmelweis (Foto) schon im Jahr 1847 gekommen; sie stieß damals bei der Ärzteschaft übrigens auf vehemente Ablehnung und ruinierte die Karriere des Innovators Semmelweis.

Und wie es scheint, würde er auch heute nur wenig Beifall von seinen Kolleginnen und Kollegen im Gesundheitswesen erhalten: Eine einschlägige Studie, die am North Shore University Hospital in New York durchgeführt und im Januar 2012 in Clinical Infectious Diseases veröffentlicht wurde, fand erst mal heraus, dass sich weniger als zehn Prozent des Klinikpersonals routinemäßig beim Betreten von Krankenzimmer die Hände desinfizieren. Der Zweck der Studie war allerdings zu testen, wie sich diese lausige Hygiene verbessern ließe – beispielsweise durch Videoüberwachung: Bewegungsmelder registrieren, wenn jemand das Zimmer betritt und schalten automatisch eine Videokamera ein; die Bilder der Kamera werden dann von einer Firma in Indien (!) beobachtet, die dann auch registriert, ob sich die betreffende Person die Hände desinfiziert hat. Andere Kliniken benutzen RFID-Chips, die erkennen, wenn sich eine Pflegerin oder ein Pfleger einem Krankenbett (und dem dort angebrachten Desinfektionsmittel-Spender) nähert, und die einen warnenden Summton abgeben, wenn der Spender dann nicht benutzt wird.

Die Ideen, wie dem Klinikpersonal beigebracht werden soll, was eigentlich selbstverständlich sein müsste – dass Händewaschen und/oder -Desinfizieren Leben retten kann und daher unerlässlich ist – sind mannigfaltig. Die Erfolgsquote ist, dankenswerter Weise, ziemlich hoch: Die Studie ergab, dass sich dank eines entsprechenden Feedbacks nahezu 90 Prozent des Klinikpersonals an die Handwaschregeln hielten, und dies auch auf längere Dauer beibehielten.

Hygiene in den Krankenhäusern ist eine ebenso ernste wie teure Angelegenheit: Laut diesem Artikel in der New York Times vom Mittwoch kostet die Behandlung von Krankenhausinfektionen (also von jenen Infektionen, die im Krankenhaus erworben wurden) in den USA rund 30 Millionen Milliarden Dollar jährlich; an solchen vermeidbaren Infektionen sterben alljährlich nahezu 100.000 Patientinnen und Patienten. Und die Situation in Deutschland ist vermutlich nicht viel besser: Wie unser Kollege Joseph Kuhn in seinem Gesundheits-Check berichtet hat, sterben in deutschen Kliniken nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums mindestens 7.500 Menschen jährlich an solchen vermeidbaren Infektionen; nach anderen Schätzungen liegt die Zahl der Todesopfer in Deutschland vermutlich sogar eher bei 30.000 pro Jahr.

Um die Kliniken zu besserer Hygiene zu motivieren, hat die staatliche amerikanische Krankenversicherung vor, die Erstattungsleistungen für vermeidbare Infektionen zu kürzen. Doch eigentlich sollte es, wie schon gesagt, sowieso eine schlichte Selbstverständlichkeit sein – vor allem, weil der angeblich so lästige Zeitaufwand (den auch Semmelweis’ Kollegen als so enorm lästig und verschwenderisch diffamiert hatten) sich in sehr engen Grenzen hält: Etwa 15 bis 20 Sekunden sollte das Händewaschen und/oder -Desinfizieren dauern – etwa so lange, wie es dauert, das Liedchen “Happy Birthday” vor sich hin zu summen. Und das ist ja wohl nicht zu viel verlangt …

Foto: Ignaz Semmelweis (Aufnahme aus dem Jahr 1861 von Borsos und Doctor), via Wikimedia Commons

flattr this!

Kommentare (8)

  1. […] Was eigentlich eine Selbstverständlichkeist sein sollte, gibt immer noch Anlass zur Sorge: Mangelnde Hygiene in Krankanhäusern, vor allem durch nicht ausreichendes Händewaschen. Geograffitico hat mehr darüber. […]

  2. #2 Eheran
    31. Mai 2013

    Die 100’000 toten “kosten” 30 Millionen $?
    300$ pro Infektion? Nur?!
    Oder sind es doch Milliarden?

    Wie groß ist denn der Anteil an Personen, die auch ohne die zusätzliche Infektion in naher Zukunft (ein Jahr?) verstorben wären?
    Sicherlich keine einfach zu beantwortende Frage, gleichwohl meine ich, ist sie wichtig.
    Wenn z.B. ein großer Teil dieser Gruppe über 75 ist, dann ist es halt auch nicht sooo verwunderlich, dass die Zahl schnell groß ist.
    Diese Menschen sind vergleichsweise oft und lang im Krankenhaus und sind schon nah am Ende ihres Lebens.

  3. #3 Jürgen Schönstein
    31. Mai 2013

    Sind natürlich 30 Milliarden! Dummer Fehler von mir…

    Was die Frage nach den Todesursachen angeht: Sicher, wir alle werden irgend wann sterben. Aber entscheidend ist doch das “wann” (und in nicht unerheblicher Weise auch das “wie”). Und 75-Jährige sind längst noch nicht am Ende ihres Lebens – selbst wenn sie damit rechnen müssen, dass ihnen der Tod nun näher ist als er ihnen mit 45 Jahren war. Die entscheidende Frage is: Wäre diese spezielle Todesursache vermeidbar gewesen?

  4. #4 Eheran
    31. Mai 2013

    Ja, natürlich.
    Jede vermiedene Infektion ist gut, schon alleine, um dem Betroffenen dieses (zusätzliche) Leid zu ersparen.
    Aber es ist m.M.n. auch wichtig die Verteilung dieser Infektionen auf verschiedene Altersgruppen zu beachten, um diese Opferzahl objektiver zu betrachten.
    Sollten da ausreißer bei <3 Jährigen Kindern zu finden sein, wäre das zweifelsohne sehr dramatisch.
    Ein Ausreißer bei Personen über 90 hingegen zweifelsohne zum Großteil einfach dem Alter – nicht der Hygiene – geschuldet.

    Menschen werden im hohen alter immer anfälliger, das muss in solch einer Betrachtung doch irgendwie korrigiert werden?
    Oder bereinigt man Statistiken, bei denen es um Menschen geht, garnicht von natürlichen bzw. anderen als der Studie betreffenden Einflüssen?

  5. #5 Frank_D
    31. Mai 2013

    Hm, es dient ja einem guten Zweck, aber trotzdem finde ich diese Methode, menschliches Verhalten durch einen Alarmsummton zu steuern, schon etwas grenzwertig.
    Ob die Pflegekräfte jetzt so konditioniert sind, dass sie sich bei jedem Summen, automatisch die Hände waschen?

  6. #6 miesepeter3
    4. Juni 2013

    Die Personalsituation in deutschen Krankenhäusern ist katastrophal, meist nur zwei Pfleger/Innen pro Station mit etwa 50 Kranken. Wenn dann noch einer krank wird, gibt`s meist erst am nächsten oder übernächsten Tag `ne Aushilfe. Wenn dann 8 Klingeln gleichzeitig um Hilfe drängeln, wird es zeitmäßig ziemlich eng, da spart man jede Sekunde. Und die Ärzte gehen ja mit gutem Beispiel voran, die waschen sich überhaupt nicht die Hände zwischen den einzelnen Visitestationen.
    Wahrscheinlich ist da der Summer wirklich notwendig.

  7. #7 Wolfgang
    5. Juni 2013

    Auch wenn ich dir beipflichte, ich sehe das anders, wahrscheinlich weil ich selber 9.5 Jahre im Krankenhaus auf einer Station gearbeit habe.
    Natürlich ist klar wie wichtig Hygiene ist. Die Realität schaut aber anders aus. Würde sich das Personal jedesmal Hände waschen/desinfizieren wenn es zu einem Bett geht würde es unangenehme Nehbeneffekte haben. Die Hände trocknen aus und es bilden sich Risse. Unangenehm und eine Eintrittstelle für Infektionen. Weiters spielt der Zeitfaktor auch mit.
    ich will nicht diskutieren das Hygiene wichtig ist und auch nicht bestreiten das es besser geht in unseren Krankenhäusern, aber ich will mal auch eine etwas Relatitätsnährere Sichtweise bringen.

  8. #8 Bugspriet
    8. Juni 2013

    Hm, ich hörte von 2 bis 3 Minuten Zeit für Behandlungen pro Patient lt. Vorgabe durch Kosteneinsparung bei Kliniken. Ich hak da noch mal nach. Dann machen natürlich 20 Sekunden eine Menge aus.