Seit dem Wochenende gilt in Deutschland wieder die Sommerzeit – und ich wette, dass mehr als eine(r) meiner Leser/innen auch an diesem Montag noch Probleme hat, so richtig in die Gänge zu kommen. Und das sollte nicht überraschen: Das Paper Shifts to and from Daylight Saving Time and Incidence of Myocardial Infarction, das bereits im Herbst 2008 im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, konnte nachweisen, dass durch das Umstellen von Winter- auf Sommerzeit das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, um fünf Prozent steigt. (Ich hatte hier im Blog schon mal auf die Studie hingewiesen).
Damit es keine Missverständnisse gibt: Die erste Studie hat erst mal nicht direkt mit dem Programme for International Student Assessment, kurz auch Pisa genannt, zu tun, das von der OECD seit gut 15 Jahren durchgeführt wird. Dieser Zusammenhang wird erst im zweiten Teil, weiter unten, hergestellt:
Um die folgende Studie zu verstehen, muss man erst mal wissen, dass es in den USA seit etwa zwei Jahrzehnten vorgeschrieben ist, auf bundesstaatlicher Ebene eine allgemeine Leistungserhebung in Mathematik und englischer Sprache für alle Schüler durchzuführen. Diese Tests, wie beispielsweise das Massachusetts Comprehensive Assessment System, werden traditionell am Ende des zweiten Trimesters durchgeführt – in der dritten Märzwoche, um genau zu sein. So weit, so gut; doch im Jahr 2005 beschlossen die USA, die Sommerzeit zu verlängern – anstatt, wie auch in Europa, die Umstellung am letzten Wochenende im März vorzunehmen, werden seitdem die Uhren schon am zweiten Wochenende im März umgestellt. Mit anderen Worten: Bis 2005 wurden die Schüler vor der Umstellung gestestet; seitdem müssen sie ihre standardisierten Tests nach der Umsellung absolvieren.
Die Bildungsforscherinnen Ester Fierter und Abreille Furst vom Penn State College of Education haben nun die Leistungsdaten für Mathematik aus den staatlichen Schülertests ausgewertet und – beinahe zufällig – ab 2005 einen “Knick” nach unten beobachtet. Ihre erste Vermutung war, dass dies mit den Bildungshaushalts-Kürzungen in der zweiten Amtsperiode von George W. Bush zusammenhängt: “Dass Bildungsausgaben und schulische Leistungen in einem Zusammenhang stehen, wurde bereits mehrfach belegt”, erklären Fierter und Furst. Eine Studie des Bendheim-Thoman Center for Research on Child Wellbeing hatte bereits vor zehn Jahren belegen können, dass jede 1000 Dollar an zusätzlichen staatlichen Bildungsausgaben pro Kind und Jahr den Notendurchschnitt in Mathematik und Lesen um 3,4 bis 4 Prozent steigern kann; leider ist auch der umgekehrte Effekt bebachtbar. Studien, die bereits im Jahr 2000 von Harvard und dem MIT durchgeführt wurden, bestätigen diesen Effekt. Doch die Quantifizierung erwies sich als kniffelig: “Das Problem für uns war, dass einige reichere Bundesstaaten auf die Kürzungen der US-Bildungsbeiträge mit überproportional gesteigerten Schul- und Hochschuletats reagiert haben, andere hingegen haben die Kürzungen einfach an ihre Schüler durchgereicht”, beschreiben die Forscherinnen ihr Problem.
Das Überraschende für sie war dann aber, dass selbst nach Bereinigung der Schüler-Testergebisse – die Forscherinnen verglichen nur die Mathematik-Resultate, um den Faktor der unterschiedlichen Fremd- und Muttersprachlichkeit in den Bevölkerungs- und damit auch Einwanderungszentren zu minimieren – um diese Bildungsaufwändungen ein unerklärtes und signifikantes Absacken der durchschnittlichen Resultate blieb. “Wir suchten nach einer Erklärung – und fanden sie in der Umstellung auf die Sommerzeit”, erklären Furst und Fierter. Das oben zitierte NEJM-Paper, das einen langfristigen körperlichen Effekt als Folge der Zeitumstellung belegen konnte, war dabei ein wichtiger Hinweis: “Nach unseren Beobachtungen ist der Leistungsabfall, der aus der Umstellung auf Sommerzeit resultiert, mindestens in der Größenordnung des Haushaltseffekts zu beobachten” – und eventuell sogar größer:
In einer unabhängig davon durchgeführten Studie an der Universität von Pisa konnte der Wirtschaftswissenschaftler Giorgio Pesce d’Aprile vielleicht genau diesen Zusammenhang etablieren: Sieben der zehn Top-Länder in der Pisa-Studie sind Länder, in denen die Sommerzeit nicht beachtet wird, was sich auch leicht nachvollziehen lässt, wenn man diese Liste mit dieser Karte vergleicht:
Quelle: Wikipedia
Für Deutschland liegen zwar keine separaten Studien über den Zusammenhang von Sommerzeit und absackenden schulischen Leistungen vor, aber soo abwegig scheint dieser Gedanke heute nun doch nicht mehr zu sein …
P.S.: Um späteren Missverständnissen vorzubeugen – es handelt sich bei diesem Eintrag um einen Aprilscherz.
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