Dass ich heute über ein neues Gesetz im US-Bundesstaat Washington schreibe (nicht zu verwechseln mit der Bundeshauptstadt Washington), hat vor allem damit zu tun, dass vor ein paar Tagen auf dem PBS-Kanal von Boston mal wieder der Billy-Wilder-Klassiker Witness for the Prosecution (auf Deutsch: Zeugin der Anklage) lief:
Film und Gesetz haben tatsächlich erst mal absolut nichts miteinander zu tun, obwohl sich schon aus dem Titel ein gewisser Zusammenhang konstruieren ließe. Das Gesetz, das vor einem Monat verabschiedet und am 22. April von Gouverneur Jay Inslee unterzeichnet wurde, regelt den Gebrauch von männlichen Bezeichungen in Gesetzestexten des Bundesstaates; es ersetzt beispielsweise den Ombudsman durch ein neutrales “Ombuds”, oder penmanship durch “handwriting”. Ähnliches gilt für Fireman, Signalman, Journeyman und viele andere Berufsbezeichnungen – sie alle verloren ihre spezifische Männlichkeit, statt dessen sagt man nun Firefighter oder Signal Operator. Insgesamt 3500 Artikel (von ungefähr 40.000) des Gesetzbuchs von Washington sind in dem 475 Seiten langen Beschluss mit den neuen Formulierungen aufgeführt; weitere Änderungen sind beispielsweise die Ergänzung des Pronomens – wo bislang “he” (er) genügten, heißt es nun beispielsweise “he or she”.
Klar, dass da die übliche Sprachpolizei-Panik aufkommt: Nun werde wohl auch dem Schneemann der Garaus gemacht, befürchten die Kritiker. Die simple Antwort wäre, dass in dem Gesetz (SSB 5077) das Wort “Snowman” (Schneemann) gar nicht vorkommt. Aber das ist gar nicht mal der Hauptpunkt: Das Gesetz regelt nicht den Sprachgebrauch der Bevölkerung, sondern nur den Sprachgebrauch der Legislative. Mal abgesehen, dass angesichts all der Feuerwehrfrauen, Handwerkerinnen, Polizistinnen das Suffix “man” (was nunmal ausdrücklich Mann heißt) auch im Staat Washington grundsätzlich ebenso überholt ist wie der “Schutzmann” oder die “Krankenschwester” im Deutschen – niemand hindert einen Washingtoner daran, auch weiterhin Feuerwehrmann werden zu wollen oder Schneemänner zu bauen. Genau so wenig wie es deutschen Autobesitzern verboten ist, ihre Karre “zum TüV” zu bringen, obwohl es doch im offiziellen Amtsdeutsch “zur Hauptuntersuchung” heißt.
Aber ist das, was in Washington passiert, als ein Versuch der Sprachreform zu verstehen? Wird hier eine “geschlechtsneutrale” Sprache per Gesetz verordnet? Sollten wir uns, wenn man sich all die Diskussionen allein auf ScienceBlogs.de anschaut, also daran ein Beispiel nehmen, wie Luise Pusch in ihrem Fembio-Blog vorschlägt? Wurde das Englische hier erfolgreich “entmannt”, und könnten wir ein Gleiches im Deutschen tun?
Davon abgesehen, dass diese “Entmannung” von Berufsbezeichnungen längst im Deutschen die Norm ist (Schutzmann, Wachmann, Milchmann, Eiermann sind selbst in der Umgangssprache kaum noch gebräuchlich, es sei, denn sie bezeichnen tatsächlich einen männlichen Polizisten, Wächter oder Meierei-Verkaufsrepräsentanten) – das grammatische Problem des Genus, also die Tatsache, dass Personenbezeichnungen üblicher Weise eine männliche und/oder weibliche Form haben können, die eine generische Ansprache schwieriger macht, ist damit nicht behebbar. Arzt/Ärztin, Bäcker/Bäckerin, Chemiker/Chemikerin, Doktor/Doktorin … das Alphabet lässt sicht bis zum Zeitungsverkäufer/der Zeitungsverkäuferin durcharbeiten. Hier ist das Englische scheinbar im Vorteil, denn es kennt ja beispielsweise die Genus-Beugung nicht. “Doctor” ist “Doctor”, ob Mann oder Frau. Ist also das Englische, beispielsweise, “geschlechtsneutral”, wie gerne postuliert wird? Hier komme ich nun auf die Zeugin der Anklage zurück (davon abgesehen, dass es streng genommen ja “Der Zeuge/die Zeugin der Anklage” heißen müsste, da ja das Geschlecht dieser Person in “Witness” nicht kodiert ist – was übrigens ein bisschen die Spannung erhöht, da wir im Deutschen ja schon ahnen, wer diese unerwartete Anklagezeugin sein könnte, während der unbedarfte Zuschauer der Originalversionsich auf eine Überraschung freuen darf):
Ab der 53, Minute und 28. Sekunde entwickelt sich folgender Dialog, nachdem der Verteidiger Sir Wilfrid Robarts (Charles Laughton) verspätet in den Gerichtssaal geeilt ist, wo der Staatsanwalt, Mr. Myers, gerade einen Polizisten als Zeugen über den rekonstruierten Ablauf des Mordes an der reichen Mrs. French vernimmt:
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