Wenn wir eine Informations-Infrastruktur schaffen, deren spezifischer Zweck die Überwachung ist, dann könnte dies eine gute Regierung in die Versuchung führen, sich wie eine schlechte Regierung zu benehmen.
Phil Zimmermann
Ich habe mich bisher nicht in die Diskussion um die Schnüffelaktionen namens PRISM und Tempora eingemischt – vielleicht, weil ich mich als in den USA Lebender nicht direkt betroffen fühlte, aber viel wahrscheinlicher, weil sich meine entsprechende Wut (Stichwort: Echelon) schon vor Jahren in Resignation gewandelt hatte: Immer wenn ich mit Freunden in Washington telefonierte und auch nur solche Begriffe wie “CIA” oder “Pentagon” erwähnte (was bei politischen Korrespondenten nahezu unvermeidlich ist), glaubte ich schon in den 90-er Jahren immer, ein Knacken in der Leitung zu vernehmen … aber ich schweife ab: Das Thema Bespitzelung und Lauschangriff ist ja auch in Deutschland nicht wirklich neu; neu sind vor allem das Ausmaß, die Unverblümtheit und die technischen Möglichkeiten, diese mit gieriger Datensammelwut erbeuteten Daten auch in einer relativ realitätsnahen Zeit auch auswerten zu können (Stichwort: Big Data). Doch das Handlungsprinzip und die Kernpunkte der Kritik sind die gleichen wie vor zwei Jahrzehnten.
Doch nun hat mein ScienceBlogger-Kollege Marcus Anhäuser bei Plazeboalarm die Diskussion angeregt, ob (Wissenschafts-)Journalisten künftig ihre Emails verschlüsseln sollten. Und das wiederum hat mich an ein Interview erinnert, das ich vor gut zwölf Jahren, damals noch FOCUS-Korrespondent, kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001, mit dem amerikanischen Verschlüsselungsexperten Phil Zimmermann, dem Entwickler der Verschlüsselungssoftware Pretty Good Privacy (PGP) zu genau diesem Thema geführt hatte. Den einen oder anderen Spruch aus diesem Interview (siehe oben) sollten sich abhörlustige Politiker auch heute noch an den Rasierspiegel klemmen:
(Zum “Aufhänger” des Interviews: Leider ist der Original-Artikel in der Washington Post, den Zimmermann hier anspricht, nicht mehr online frei verfügbar, aber aus dieser Kopie seines offenen Antwortbriefes lässt sich nachempfinden, worum es darin ging.)
Herr Zimmermann, hat sich Ihr Leben seit dem 11. September geändert?
Spielen Sie etwa auf den Artikel in der “Washington Post” an?
Der damit beginnt, dass Sie seit dem Anschlag jeden Tag weinen …
Die damit verbundene Unterstellung, dass ich mich wegen der Entwicklung von PGP nun schuldig fühle, ist falsch – grundlegend und vollkommen falsch. Ich habe geweint wie viele Amerikaner, aber meine Tränen galten der menschlichen Tragödie. Ich will auf keinen Fall, dass der Eindruck entsteht, dass ich meine Meinung zu Kryptografie geändert habe und nun nicht mehr ein fester Anhänger starker Verschlüsselungstechniken ohne Hintertürchen bin. Nichts könnte falscher sein, denn ich habe meine Position nicht im Geringsten verändert.
Sie bleiben also bei Ihrer Überzeugung, dass starke Verschlüsselungsprogramme nötig sind?
Nicht einen Millimeter weiche ich davon ab. Es ist jetzt politisch sehr wichtig, dass die PGP-Usergemeinde ihr Vertrauen behält, dass es keine Hintertürchen in PGP oder ähnlichen Projekten geben wird, an denen ich mitarbeite.
Haben sich etwa die Behörden schon deswegen mit Ihnen in Verbindung gesetzt?
Nein. Nein.
Aber wenn sie auf Sie zukämen – würden Sie kooperieren? Sie haben ja selbst einen langen Streit mit dem FBI ausgestanden und daher eine Vorstellung, wie dort gedacht wird.
Wissen Sie, wir haben diese Diskussion durch die gesamten 90-er Jahre durch geführt. Wir haben Jahre damit zugebracht, hatten die Mitwirkung aller gesellschaftlichen Kräfte. Gerichte hatten darüber zu entscheiden, der Kongress hat sich damit befasst, und sogar das Weiße Haus hatte sich in die Diskussion eingeschaltet, FBI und NSA (National Security Agency, der für Kryptografie zuständige Geheimdienst, d.Red.) waren beteiligt, die Hochschulforschung, Verschlüsselungsexperten der Computerindustrie und auch die Medien. Im Kern dieser Diskussion ging es immer darum, dass Terroristen diese starke Verschlüsselung nutzen könnten. Es ist ja nicht so, als ob wir uns am 11. September ans Hirn gefasst hätten: “Oh mein Gott, da hatten wir ja nie daran gedacht.” Und es war der Konsens dieser Gesellschaft, dass sie mit starker Verschlüsselung besser dran wäre als mit einer Technik mit Hintertürchen.
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