Aber gilt das auch heute noch?
Klar, denn das war einfach eine gute Entscheidung. Sie jetzt, unter dem emotionalen Druck des Augenblick, wieder umkehren zu wollen, wäre ein furchtbarer Fehler.
Wäre das überhaupt zu machen? Die Programme, einmal von den Usern installiert, lassen sich ja nicht mehr nachrüsten. Ist das den gesellschaftlichen Kräften, von denen Sie gesprochen haben, nicht bewusst?
Ja, diese Katze ist längst aus dem Sack. Aber das darf nicht der einzige Grund sein.
Sondern?
Es ist in sich selbst von hohem Wert, dass unsere Gesellschaft starke Verschlüsselungsinstrumente braucht. Sie sind wichtig, um die Demokratie im Zeitalter der Information zu bewahren. Es gibt Regierungen rund um die Welt, die ihr Volk unterdrücken. Und Hintertürchen in der Verschlüsselung würden diesen Regierungen nur helfen. Ich kenne Situationen, in denen Menschen ihr Leben aufs Spiel setzten und PGP ihnen dabei das Leben gerettet hat. Afghanistan beispielsweise hat zwar kein Internet- oder Computerdienste, aber wenn, dann bräuchten die Menschen dort PGP, um sich vor den Taliban zu schützen. Das sind gute Argumente dafür, wie Kryptografie die Menschenrechte bewahren und Personen vor furchtbaren Regierungen schützen kann.
Aber dazu würden Sie die amerikanische Regierung sicher nicht zählen?
Natürlich nicht. Ich bin ja auch froh, dass wir hier in einer Demokratie leben, und die will ich auch erhalten. Aber wenn wir eine Informations-Infrastruktur schaffen, deren spezifischer Zweck die Überwachung ist, dann könnte dies eine gute Regierung in die Versuchung führen, sich wie eine schlechte Regierung zu benehmen.
Aber es gibt ja auch das Argument, dass gute Menschen nichts zu verbergen hätten, warum ja auch viele E-Mail-User gar keine Verschlüsselungssoftware benutzen – und dass die Verschlüsselungsexperten nur sture Böcke sind …
Wissen Sie, ich bin wirklich kein Ideologe. Habe ich meine Position nach dem 11. September noch einmal durchdacht? Natürlich habe ich das. Aber auch nach vorsichtigem Abwägen aller Argumente kam ich zum gleichen Schluss wie dem, den wir in der öffentlichen Diskussion der 90-er Jahre erreicht hatten: demokratische Länder, die Demokratie an sich braucht das. Und es wird vor allem in jener Ländern der Welt gebraucht, wo Unterdrückung herrscht.
Hätten die Geheimdienste mit einem Hintereingang zu Verschlüsselungsprogrammen Ihrer Ansicht nach die Anschläge verhindern können? Haben Sie von irgend welchen Hinweise darauf gehört?
Es gibt keine Beweise, dass ein Schlüssel in der Hand der Geheimdienste dies verhindert hätte. So weit ich den Zeitungen entnehmen konnte, hatten diese Leute ihre Anschläge in persönlichen Treffen abgesprochen. Und noch etwas: Das FBI ist im Besitz von Dokumenten aus früheren Ermittlungen, die handschriftliche Hinweise auf die Anschläge enthielten. Aber diese Dokumente waren in arabischer Schrift geschrieben, und das FBI hatte nicht genug Übersetzer, um sie zu lesen.
Selbst wenn die Geheimdienste also jede E-Mail lesen, jedes Telefongespräch abhören könnten …
… würde es sehr viel Zeit erfordern, die dabei gewonnenen Informationen auszuwerten.
Glauben Sie, dass die Geheimdienste dazu überhaupt in der Lage wären – selbst mit einem Hintereingang zu den Verschlüsselungsprogrammen?
Nein, ich glaube nicht, dass eine solche Hintertür die Anschläge verhindert hätte.
Network Associates hat gerade angekündigt, dass PGP nicht mehr als eigenes Produkt fortgeführt wird. Ist das nicht doch eine Reaktion darauf, dass sie Angst vor dem öffentlichen Druck haben?
Nicht im Geringsten, das ist absolut und überhaupt keine Folge des 11. September. Es ist nur eine Folge davon, wie wenig Network Associates seine Geschäfte im Griff hat.
Sie fürchten also nicht, dass sich das irgendwie auf die Zukunft der Verschlüsselungstechnik auswirken könnte?
Nein. Das war nur das Resultat mangelnden Geschäftserfolgs. Aber ich wollte noch etwas zu den von Ihnen vorhin angesprochenen “sturen Böcken” sagen: Es gibt einige Aktivisten auf dem Gebiet der Kryptografie, die ich selbst auch für wirklich sture Ideologen halte. So einer will ich wirklich nicht sein. Ich habe mir immer wieder diese Frage gestellt – wie sich wohl jeder vernünftige Mensch fragen würde: Ist mein Standpunkt richtig? Und meine Antwort darauf ist immer die gleiche: Dank der Qualität und Gründlichkeit, mit der wir über so viele Jahre hinweg diskutiert hatten, halten die Resultate dieser Auseinandersetzung ziemlich gut stand.
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