Sollte ich den überhaupt haben? Soll ich als Journalist nur meinem Gewissen verantwortlich sein? Das Recht haben zu entscheiden, was LeserInnen wissen sollten und was nicht? Die Antwort ist komplizierter, als es scheint. Denn sie widerspricht ja dem Auftrag, so objektiv wie möglich zu berichten. Und das heißt erst einmal, keine Nachrichten zu unterdrücken: Auch wenn mir beispielsweise nicht gefiele, dass die Partei X oder der Kandidat Y eine Wahl gewonnen hat, wäre ich als politischer Korrespondent verpflichtet, über das Wahlergebnis sachlich zu berichten. Die Frage ist natürlich, was ist eine Nachricht? Wenn Erich von Däniken mal wieder die Existenz von Außerirdischen bestätigt, dann sicher nicht – aber wenn die Quelle eine angesehene Forschungseinrichtung ist, dann ist es auf alle Fälle eine Nachricht. Aber was ist die Nachricht? Ich hätte gesagt: Forscher behauptet, außerirdisches Leben gefunden zu haben, und in dem Tenor halten sich auch die meisten Medienberichte. Aber heißt das auch, dass dies die Nachricht sein muss? Ist expliziter Zweifel an wissenschaftlichen Pressemitteilungen eine Voraussetzung für seriösen Journalismus? Wo liegt dann die Grenze zur Mondlandeverschwörungshystheorie?
Hier wieder ein kurzer gedanklicher Einschub: Die Erwartung, dass jedes Stück Information, das in Zeitungen (vor allem) und Zeitschriften (manchmal) veröffentlicht wird, von Redakteuren und Reportern aufwändig aus- oder zumindest nachrecherchiert wurde, ist absurd. Weder die Produktionszeit (ein paar Stunden, die unter Umständen auch mal auf ein paar Minuten schrumpfen können), noch die Manpower der Redaktionen würden dies selbst in einer idealen Presse-Situation erlauben. Darum spielt ja das Vertrauen in die Quelle so eine große Rolle – ein Prinzip, mit dem vor allem Wissenschaftler sehr vertraut sind.
Die Frage, die sich hier stellt (und die ich nicht beantworten kann, sondern lieber zur Diskussion stellen will) ist doch, ob journalistische Sorgfalt weiter und tiefer gehen muss als wissenschaftliche Sorgfalt. Wenn WissenschaftlerInnen vom “interstellaren Raum” reden (um mal ein aktuelleres Beispiel zu verwenden), obwohl der dann gar nicht interstellar ist, sondern Teil des inneren (?) Sonnensystems, dann stellt sich doch zumindest die Frage, ob sie ihre Begriffe sorgfältig definiert haben (wenn der interstellare Raum zum Sonnensystem gehört, wie nennen wir dann den Raum zwischen den Sternensystemen?). Und wenn sie davon schwärmen, dass im LHC vielleicht schwarze Löcher produziert werden könnten, dürfen sie sich nicht wundern, wenn sich dann Menschen vor diesen schwarzen Löchern fürchten. Sondern sollten sich fragen, wie sinnvoll es ist, für zwei offenbar sehr verschiedene physikalische Phänomene (astronomische schwarze Löcher vs. quantenmechanische Micro Black Holes) den gleichen Begriff zu verwenden. Vor allem, wenn es um externe Kommunikation via Massenmedien geht, wo Begriffe nicht unbedingt im Sinn dieser speziellen Wissenschaftsdizplin besetzt sein müssen. Die Verantwortung zur Klarheit des eigenen Ausdrucks endet nicht (mehr) an den Grenzen der Fachdisziplin.
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