Kaum habe ich mich aus dem Fenster gelehnt, um die Medien gegen die Vorwürfe der Dummheit oder zumindest Uninformiertheit ihrer wissenschaftlichen Berichterstattung zu verteidigen, habe ich nun das Bedürfnis, selbst Kritik an einer – meiner Ansicht nach falsch verstandenen und irreführenden – Berichertstattung zu üben. Es geht um den Artikel Study Sees a Higher Risk of Storms on the Horizon, der wiederum auf dem Paper Robust increases in severe thunderstorm environments in response to greenhouse forcing beruht, der eine Zunahme der Sturmaktivitäten in den USA als Folge der globalen Erwärmung für die letzten drei Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts vorhersagt und am Montag vorab in den Proceedings of the National Academy of Science veröffentlicht wurde.
Ich bezweifle nicht, dass der Inhalt des PNAS-Papers in der New York Times korrekt wiedergegeben ist (soweit ich das nach dem Überfliegen des Papers beurteilen kann), und ich will nicht mal bemäklen, dass dies nicht wirklich eine neue Nachricht ist, denn obwohl diese wissenschaftliche Einsicht im Prinzip seit Jahren besteht, hat das Paper tatsächlich einen Nachrichtenwert. Aber vielleicht nicht den, der ihm in der NY Times gegeben wird.
Man wirft den Journalisten ja nur allzu oft vor, dass sie nicht mehr als den Abstract gelesen haben – aber in diesem Fall scheint es mir, dass der Autor den Abstract nicht gelesen hat. Denn dort wird sehr schnell klar, was die Kernaussagen des Papers sind:
1. Der Zusammenhang von Treibhauseffekt und intensivierter Sturmaktivität lässt sich, dank sehr detaillierter Modellierung, sehr robust nachweisen.
2. Dieser Forcing-Effekt als Folge des Klimawandels tritt bereits bei einer Erhöhung unterhalb der zur “Schmerzgrenze” deklarierten Erwärmung um 2 Grad (gegenüber de, vorindustriellen Niveau) auf.
3. Die These, die vor allem vom MIT-Klimawissenschaftler Kerri Emanuel (der die Redaktion des PNAS-Papers übernommen hatte) propagiert wurde, dass die Sturmhäufigkeit als Folge veränderter subtropischer Scherwinde abnehmen, die Intensität der Stürme allerdings zunehmen werde, lässt sich nicht bestätigen: Reduktionen des Scherwind-Effekts sind nur an Tagen zu erwarten, die sowieso eine geringe Sturmneigung hätten, haben also auf die Sturmhäufigkeit insgesamt keine signifikante Auswirkung.
So weit, so gut. Und dass sich dies dank sehr präsizer Modelle (und sorgfältiger Rechnung, nehme ich an) über einen langen Zeitraum hinweg – > 50 Jahre – durchrechnen lässt und dabei robuste Resultate liefert, ist bemerkenswert. Aber was das Paper nicht ist, ist eine Wettervorhersage, wie sie in der New York Times zum Kernstück gemacht wird:
“… the eastern United States could experience severe thunderstorms an average of nearly 7.5 spring days, an increase of almost 42 percent. A 15 percent increase is forecast during June, July and August.
The largest single increase, an average of more than 2.4 days, was likely from March through May across parts of Texas, Oklahoma and Louisiana.”
Das heißt nicht, dass es genau so kommen wird – was das Paper sagen will, ist dass dieses Szenario der zunehmenden Sturmaktivität auch bei verschiedenen Modellannahmen bestätigt wird und dass diese Ergebnisse einen Zusammenhang zwischen Sturmbildung und Klimawandel belegen.
Ich bin mir sogar sicher, dass es in den 70-er Jahren dieses Jahrhunderts Zeiten geben wird, in denen die Zahl der Stürme weit über oder unter dem prognostizierten Niveau liegt – und habe dennoch erst mal keinen Grund zum Zweifel and der Tauglichkeit dieser Prognosen. Das ist halt der Unterschied zwischen Wetter und Klima.
Kommentare (6)