2. Differenzierung und Nuancierung sind in erster Linie Eigenschaften des Denkens – und in welcher Sprache die WissenschaftlerInnen denken, ist erst einmal unabhängig von der Sprache, in der sie die Ergebnisse des Denkprozesses ausdrücken. Wissenschaftssprachen (Griechisch, Latein, Arabisch etc.) haben eine lange Tradition – auch in Kulturen, die sich nicht primär dieser Sprache bedienen. Ob es eine einheitliche globale Wissenschaftssprache gibt oder geben sollte, ist dabei ein nachgeordnetes Problem.
3. Der Zweck einer Fachsprache ist oft ganz ausdrücklich, die weitgehende subjektive “Nuancierung und Differenzierung” zu vermeiden. Was nicht heißt, dass sie nicht differenziert, sondern dass diese Differenzierung formalisiert ist (und dabei sehr häufig auf andere Ausdrucksmittel, zum Beispiel der Statistik und/oder Mathematik, zugreift).
4. Als pragmatisches Argument verweise ich nur auf all die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die erfolgreiche Karrieren in einer ihnen nicht “angeborenen” Sprache gemacht haben. Ein Blick auf die Liste der NoberpreisträgerInnen genügt da eigentlich schon …
Aber in einem Punkt hat Rehländer sicher Recht: Es besteht, bei zunehmender Globalisierung der Fachsprache, eine Gefahr der Verflachung und sogar der Verfälschung – des Englischen! Nicht die Fachtermini sind das Problem, sondern die so genannten falschen Freunde und andere idiomatische Importmacken. So fand ich beispielsweise in der Arbeit einer Studentin den Begriff “juridicial” für “juristisch”. Und eine Google-Suche nach diesem Begriff findet auch rund 54.400 Beispiele – der Haken ist nur, dass es sich um einen Rechtschreibfehler handelt: Korrekt wäre “juridical”, aber zahlreiche AutorInnen, vor allem – wie man an der URL erkennen kann, aus dem Ausland – haben diesen Fehler als scheinbar korrekt übernommen (so auch meine Studentin, die erst nicht glauben wollte, dass das dritte “i” eines zu viel war). Wenn ein Fehler hartnäckig genug wiederholt wird, dann wird er, durch die Macht des “üblichen Sprachgebrauchs”, akzeptabel. Dies passiert übrigens, wie ich als langjähriger UN-Korrespondent mit erleben konnte, viel häufiger in der Diplomatie als in der Wissenschaft; im US-Magazin New Yorker ist dazu vor ein paar Monaten ein ganz amüsanter (aber dennoch nicht wirklich komischer) Artikel dazu erschienen: Eurenglish 101.
Das Problem ist meiner Ansicht nach nicht, dass Studentinnen und Studenten eine Fremd-Fachsprache erlernen müssen, im Gegenteil: Sie nicht darin zu unterweisen wäre gleichbedeutend damit, sie nicht vollständig auszubilden. Niemand käme ja auch (hoffentlich) auf die Idee, sie nicht in Methodik oder Statistik etc. zu unterweisen. Das Problem ist, wenn sie schlecht darin unterrichtet werden. Wie es der Fall wäre, wenn sie von ProfessorInnen unterrichtet würden, die nichts davon halten, eine Fremdsprache zu benutzen und sich dann entsprechend wenig Mühe geben. Die Fähigkeit zu denken ist aber nicht an eine bestimmte Sprache gebunden.
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