Gestern* war es genau 41 Jahre her, dass zum letzten Mal Menschen auf dem Mond gelandet sind. Das ist nicht unbedingt ein spektakulärer Jahrestag, auch wenn ich den Tag selbst damals persönlich als sehr traurig empfunden hatte: Das US-Weltraumprogramm ist etwa so alt wie ich (je nachdem, ob man bemannte oder unbemannte Raumfahrt betrachtet, komme ich bei diesem Altersvergleich um jeweils ein paar Jahre besser oder schlechter weg); mit dem Apollo-17-Flug endeten auch die träumerischen Höhenflüge meiner Kindheit.

Trotzdem hätte ich nicht mehr gewusst, dass die Apollo-17-Astronauten Eugene “Gene” Cernan und Harrison “Jack” Schmitt am 11. Dezember 1972 auf dem Mond gelandet waren – aber der Auftrag für eine Story hatte mich am Dienstag und Mittwoch nach Houston geführt; die sieben Stunden, die ich zwischen dem Ende meines Termins und dem leider nicht umbuchbaren Rückflug totzuschlagen hatte, verbrachte ich darum mit einem Besuch im Space Center südöstlich von Houston.

Und an dieser Stelle würde normaler Weise das erste von vielen Fotos auftauchen. Aber ich habe nicht ein einziges Bild mitbringen können – die Kamera in meinem Handy hätte zwar wunderbar dafür gereicht, aber das Handy selbst hatte die Reise nach Houston aus Versehen nicht mitgemacht. Eine andere Kamera hatte ich nicht dabei, und die früher so unvermeidlichen Einweg-Filmkameras, die es früher in jedem Souvenirladen zu kaufen gab (teuer und schlecht, aber immerhin besser als nichts), haben wohl das Schicksal des Space Shuttle geteilt. Dies ist der technische “Stolperstein”, den ich in der Überschrift erwähnt habe – die beste Technik nützt nichts, wenn sie nicht verfügbar ist.

Das Space Center Houston ist ein von einem privaten Förderverein getragenes Museum, das nicht ganz zufällig unmittelbar neben den Johnson Space Center liegt – eine Tour des Raumfahrt-Kontroll- und Ausbildungszentrums ist im Eintrittspreis von knapp 23 Dollar pro Person eingeschlossen. Und diese Schwelle zum Weltraum ist jeden Cent dieses Eintrittspreises wert. Meiner Meinung nach, jedenfalls. Allein schon, dass man auf der Original-Besuchertribüne des Gemini- und Apollo-Kontrollraums (ja, genau dem!) sitzen kann, in den gleichen (inzwischen schon arg ausgeleierten, aber dafür eben sehr authentischen) rot gepolsterten Klappsesseln, in denen schon jede Menge Staatsoberhäupter und vor allem auch Astronautenfamilien die Weltraum-Missionen mit verfolgt haben, ist für einen (ehemaligen) Space-Nerd ein Erlebnis. Dass man dazu runde sieben Stockwerke zu Fuß hochklettern muss (der Fahrstuhl ist für Gehbehinderte reserviert) ist allerdings beinahe antiklimaktisch. Und dass die Konsolen mit ihren Rohrpost-Kartuschen, Bildschirmen und bunt leuchtenden Knöpfen, an denen damals qualmende junge Männer (Zigarren und Aschenbecher sind auf den Bildern aus jenen Tagen überall, Frauen nirgends zu sehen) saßen, nicht einen einzigen Computer, nicht mal einen simplen Tischrechner enthielten, wusste ich schon – dass der große IBM-Mainframe-Rechner, der im Erdgeschoss des Gebäudes stand und damals einer der leistungsfähigsten Computer der Welt war, gerade mal nach heutigen Maßstäben mickerige vier Megabyte an Daten speichern konnte, wusste ich dagegen nicht.
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Houston-Kontrollzentrum während der unbemannten Apollo-4-Mission, November 1967; Foto:  Nasa via https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Activity_in_the_Mission_Control_Room_during_launch_of_Apollo_4.jpg

Ein anderer Stop auf der Tour führt in die Vehicle Mock-Up Facility, wo beispielsweise Nachbauten aller Module (inklusive einer Sojus-Raumkapsel, dem “Zubringerfahrzeug”) des Internationalen Raumstation stehen. Hier werden nicht nur Astronauten ausgebildet, sondern auch beispielsweise die Passagierkapseln des Orion-Programms entwickelt, das Menschen im dritten Jahrzehnt dieses Jahrtausends schließlich bis zum Mars bringen soll. Ein bisschen weiter hinten in diesem – nach Angaben der Tourbetreuerin – “größten Klassenzimmers der Welt” werden neue bemannte Rover entwickelt und getestet. Ein paar Exemplare des Robonaut (einer trägt einen Helm, der aussieht, als ob Jango Fett ihn als verloren gemeldet hätte) stehen ebenfalls hier im Test-Modus herum.
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Fotos: Nasa

Hier bekommt man nicht nur ein sehr greifbares Gefühl, wie groß und klein zugleich die Internationale Raumstation ist, sondern auch den Eindruck, dass die Raumfahrt ihre Ambitionen doch noch nicht verloren hat.

Die letzte Station auf der JSC-Tour ist eine große, aber ansonsten eher unauffällige Halle, etwa so lang wie ein Fußballfeld. Sie ist nichts anderes als das Schutzdach für eine komplette Saturn-V-Rakete; aber ich muss zugeben: auf die Seite gelegt, ist das Ding zwar immer noch riesig, aber längst nicht so Ehrfurcht gebietend wie selbst die noch einige Jahre ältere Redstone-Rakete mit einer Mercury-Kapsel als Spitze, die vor der Halle aufgestellt ist. Aber es ist geradzeu einschüchternd, sich klar zu machen, dass diese Rakete, so groß wie ein Kirchturm, letztlich nichts weiter als ein gigantischer Treibstrofftanks für ein “Fahrzeug” ist, das in jedem Wohnzimmer Platz finden könnte.

Die Apollo-17-Kapsel, die den Namen “America” trug, ist übrigens im Space Center (dem Museum) ausgestellt, zusammen mit den Kapseln von Gemini 5, beispielsweise, oder dem Taschenrechner HP-63, der als “Reservecomputer” die Apollo-Sojus-Mission im Juli 1975 mitgemacht hatte. Der Kommandant der Sojus-Besatzung war übrigens Alexej Leonow, der als erster Mensch außerhalb eines Raumschiffes im All geflogen ist.

Habe ich schon erwähnt, dass ich die Hand dieses ersten Mannes im freien All geschüttelt habe, als ich ihn 1989 für eine halbe Stunde interviewen durfte? Leider habe ich keine Kopie des Interviews in meinem Privatarchiv, und OnlineArchive gab’s damals noch nicht … Bei meinem Besuch im Space Center konnte ich zwar keine Astronauten- oder Kosmonautenhände schütteln, aber ich konnte den Mond berühren – genauer gesagt, ein kleines Stück Mondgestein, das hier zum Anfassen ausgestellt ist. Mondgestein kann ich zwar auch im American Museum of Natural History sehen – aber anfassen darf man dort nicht. Es sieht zwar von den ich-weiß-nicht-wievielen Händen, die schon vor mir hier waren, ziemlich poliert aus, aber erstens bin ich heute ganz alleine in dem Raum, wo die Mondbrocken gezeigt werden, und zweitens werde ich vermutlich keine bessere Chance in meinem Leben bekommen, den Mond zu berühren. Ich habe mir ein paar Minuten Zeit dafür genommen …

*Eigentlich wollte ich den Text, mit dem Laptop auf den Knien am Flughafen getippt, noch am 11.12. posten – aber dann war kein WiFi-Zugang zu kriegen. Noch ein technischer Stolperstein, von denen es in den vergangenen zwei Tagen, wie es mir schien, Dutzende gab. Das schlimme an Technik, die so alltäglich geworden ist, dass man sie kaum noch wahrnimmt, ist das Gefühl der Hilflosigkeit, wenn sie dann plötzlich nicht mehr verfügbar ist.

Nachtrag: Dieses T-Shirt habe ich meinem Sohn als Souvenir mitgebracht. Er fand’s witzig (und ich auch):
EscapeVelocity

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Kommentare (3)

  1. #1 roel
    *****
    12. Dezember 2013

    Eugene Cernan und Harrison Hagan Schmitt

  2. #2 rolak
    12. Dezember 2013

    das Gefühl der Hilflosigkeit

    Oh ja, leider zu sehr bekannt…

    mit dem Apollo-17-Flug endeten auch die träumerischen Höhenflüge meiner Kindheit

    So ähnliche Reminiszenzen erwischten mich heute morgen beim Ansehen der frisch gesendeten Brandt-Biographie.

  3. #3 Jürgen Schönstein
    12. Dezember 2013

    Danke! Den fehlenden zweiten Namen habe ich mal wieder übersehen, jetzt aber ergänzt.