Wenn ich Freunden meine Position in der akademischen Hierarchie des Massachusetts Institute of Technology beschreiben will, Sketchgreife ich manchmal auf die Metapher einer Laterne zurück: Professoren sind die gleißenden Leuchten; Senior Lecturers – fest angestelltes Lehrpersonal, das Fakultätsrang hat, also beispielsweise bei Berufungen mitbestimmen darf aber nicht tenured ist – sind die manchmal schwungvollen, manchmal kräftigen Arme, von denen diese Leuchten abhängen. Ich bin ein Lecturer, also eine einfache Lehrkraft (nicht faculty, nur staff) was bedeutet, dass ich einen Regenschirm bräuchte, wenn ein Hund vorbeikommt…

Aber bei allem Spott für die hierarchische akademische Welt: Ich kann mich über meine Position nicht wirklich beklagen** – und schon gar nicht, wenn ich diesen Artikel lese, der am Wochendende in der New York Times erschienen ist: Crowded Out of Ivory Tower, Adjuncts See a Life Less Lofty. Mit dem Thema “akademisches Prekariat” hat sich ja mein ScienceBlog-Kollege Christian Reinboth hier explizit beschäftigt; aber die Situation, wie sie in der New York Times geschildert wird, ist absolut tragisch: Demnach verdient ein Adjunct Professor (schöner Titel, der aber nicht viel sagt) in New York City bei voller Auslastung runde 24.000 Dollar im Jahr – das ist ziemlich genau das Einkommen, das im US-Durchschnitt (!) als Armutsgrenze für eine vierköpfige Familie definiert ist. Und da sie in keinem festen Anstellungsverhältnis sind, haben sie keine Ansprüche auf Altersversorgung oder Krankenversicherung. Dieses akademische Proletariat bildet aber das Rückgrat der Hochschulen: Laut der American Association of University Professors machen Teilzeitkräfte (unter die auch diese Adjunct-Positionen fallen) fast schon die Hälfte des gesamten akademischen Lehrkörpers in den USA aus.

Das ist ein trauriges und beschämendes Bild. Und wie ich dem weiter oben verlinkten Beitrag von Christian Reinboth entnehmen kann, ist die Situation in Deutschland – in Europa? – nicht besser. Wenn akademische Lehrer schlechter bezahlt werden als KassiererInnen im Supermarkt, dann lügt sich die akademische Welt in die eigene Tasche.

** Selbst als Teilzeitkraft habe ich hier am MIT Anspruch auf Krankenversicherung und einen (generösen) Zuschuss zur privaten Altersvorsorge. Und gehaltsmäßig liege ich zwar weit unter dem, was mir der Korrespondentenjob eingebracht hat, aber bei entsprechender Auslastung (derzeit liege ich bei 90 Prozent Teilzeitbeschäftigung) muss ich keinem deutschen W2-Professor das Gehalt neiden. Und so wie es aussieht, wird meine Position ab dem kommenden Herbstsemester in eine Vollzeitstelle umgewandelt. Das ist zwar alles nicht sensationell, aber es ist auch gewiss nicht prekär …

flattr this!

Kommentare (1)

  1. #1 Alexander
    22. Januar 2014

    Passend dazu war aktuell der Chronicle of Higher Education der Meinung, für einen Artikel über die akademische Jobsuche die “Hunger Games” als Vergleich zu verwenden.