ScienceBlog-Leser Paul Busse hatte als Beitrag zum Blog-Schreibwettbewerb über seine Beobachtungen als “Zaungast” bei einer Herzklappen-Operation geschrieben. Das wiederum inspirierte ScienceBlog-Leser Steffmann, der sich vor ein paar Jahren auf der Empfängerseite eines solchen Eingriffs befand und darüber Tagebuch geführt hat, seine Erinnerungen und Eindrücke von dieser Operation hier zu teilen:
Montag, der 7.März 2011:
Um 08:30 Aufnahme im Herzzentrum X. Eigentlich dachte ich, da die OP erst übermorgen sein soll, dass ich erstmal auf’s Zimmer komme und Zeit habe, mich zu aklimatisieren. Von der Wega ! Kaum die Personalien erfasst, geht’s auch schon los. 1000 Formulare lesen und unterschreiben, Blutabnahme, EKG, Ultraschall, etc. Eine äußerst attraktive Frau Dr. X (der Name passte zur Person) macht den Ultraschall. Danach erklärt sie mir ausführlich, was bei mir vorliegt und wie die OP ablaufen wird. Sie meint, dass wir die Katheteruntersuchung, die für morgen vorgesehen ist, evtl. vorziehen können. Soll mir Recht sein, dann hab ich’s hinter mir und kann morgen nochmal Luft für Mittwoch holen. Sympathisch ist die Frau auch noch, also quatschen wir noch etwas über Gott und die Welt.
Gegen Mittag komme ich endlich auf’s Zimmer und bin einigermaßen enttäuscht. Als Privatpatient wollte ich eigentlich ein Einzelzimmer. Aber die Station ist voll und somit keine Chance. Man sagt mir aber für die Zeit nach der OP eines zu.
Letztlich konnte mir nichts besseres passieren. Mein „Mitbewohner“ ist gerade mal 4 Jahre älter als ich und hat ebenfalls eine neue Klappe gekriegt. So wie er aussieht, denke ich, dass die OP bei ihm wahrscheinlich 2 Wochen her sein muss. Ich falle aus allen Wolken, als er mir erzählt, er sei am Donnerstag operiert worden. Also gerade mal vor 4Tagen (!). Ich frage ihn, wie es mit den Schmerzen sei. Er meint, das war und ist absolut kein Problem gewesen. Am Donnerstag werde er schon auf Reha entlassen. Mein erster Impuls ist Neid. Der gute Mann hat das Schlimmste hinter sich. In diesem Moment wünschte ich mir, ich könnte die Zeit eine Woche vorspulen.
Um halb 2 geht’s zum Katheter. Alle versuchen mich zu beruhigen, was total unnötig ist, da ich vollkommen ruhig bin. Ich wusste von meinem Kardiologen, dass die Untersuchung nicht schlimm ist. Glücklicherweise kann der Katheter übers Handgelenk gemacht werden. Ansonsten müsste ich danach 8 Stunden flachliegen. So reicht eine Druck-Manchette am Handgelenk (die aber im Verlauf des Abends immer mehr schmerzte, weil die Schwester sich nicht an den Plan zum Ablassen des Druckes gehalten hat. Entschuldigung von ihr: Sie ist alleine (kommt einem bekannt vor oder ?). Nach ner halben Stunde ist es auch schon vorbei, alles in Ordnung, keine sonstigen koronaren Erkrankungen. Also zurück aufs Zimmer.
Noch also kann ich mich bewegen, also laufe ich mal rum und verbinde das mit einer Zigarette und Telefonieren. Eigentlich wollte ich schon 1 Woche vorher mit dem Rauchen aufhören, aber ich konnte es noch nicht. Der Kopf war nicht frei und diverse private Stresssituationen haben das in den Hintergrund rücken lassen.
Am Kiosk habe ich mich mit Zeitschriften ausgerüstet und begebe mich wieder auf’s Zimmer. Auf dem Weg dorthin bekomme ich einen Anschiss von der zuständigen Krankenschwester, weil ich mich unerlaubt entfernt habe. Mit meinem unwiderstehlichen Charme schmelze ich das Eis und für die nächsten 3 Mal kriege ich nur noch einen erhobenen Zeigefinger zu sehen.
Gegen 16:30 kommt auf einmal die Schwester und eröffnet mir nonchalant, dass ich morgen schon operiert werde. Äh, wie ? Ja, ich bin als zweiter dran, das komme öfters vor, dass der OP-Plan umgeschmissen wird. Mein Zimmernachbar meint, sei froh, dann hast du’s hinter dir. Da ist was dran, also gehe ich telefonieren um meine Liebsten zu informieren.
Um 19:00 Uhr rauche ich also meine letzte Zigarette. Fühlt sich aber irgendwie nicht so an, ich bekomme erste Zweifel, dass ich das wirklich packe……….
Lesen, Fernsehgucken, irgendwann ist 22:00 Uhr. Die Tür geht auf und es kommen zwei Schwestern ins Zimmer. Die ältere von beiden sagt lachend: „Hallo Herr Z., ich bin Frau H.“ Eigentlich nennt man sie Schwester Kerstin und im Laufe meines Aufenthaltes wird sie über meine Nächte wachen…….Irgendwann bringt sie mir ne Schlaftablette, welch ein Segen……..
D-Day:
Ich erwache gegen 07:00, als die Schwester kommt. Ich fühle mich gut, war nicht einmal wach nachts. Auf meine Frage, wann es denn losgeht bei mir, sagt die Schwester, sie wisse es nicht genau, ist abhängig von meinem Vorgänger. Na ja, denke ich mir, wenn sie die Beruhigungstablette bringt, habe ich ca. noch 1 Stunde. Also warten wir das ab.
Um 11:00 Uhr kommen die zu zweit und sagen mir, es geht los. Und die Tablette ??? Der Doktor meint, wäre nicht nötig bei mir. Na, wenn der Doktor das sagt…….
Auf dem Weg nach unten versuche ich krampfhaft Humor zu beweisen, stosse aber auf taube Ohren. Dann geht alles ganz schnell, ich sehe noch die Gasmaske, nehme den typischen Geruch und Geschmack des Narkosemittels war und bin auch schon weg.
Irgendwann brüllt jemand in die Dunkelheit: „Herr Z.? Herr Z.? Herr Za., ist alles gut gelaufen, gell ? Ihre Frau hat angerufen und weiss Bescheid !“. Und schon bin ich auch wieder weg……
Und wieder reisst mich die Stimme einer Frau (diesmal ne andere) aus der wohligen Dunkelheit. „Herr Z.! Bitte Husten !“ Ich versuche verzweifelt ihrer Aufforderung nachzukommen, aber Husten geht gar nicht. Sie lässt nicht locker: „Husten Sie !“. Ich kriege Panik, denn ich kann nicht Husten, kriege keine Luft und kann mich auch nicht verständlich machen. Ich versuche mit Armen und Beinen zu reden, was die resolute Person scheinbar wütend macht, meine Panik aber nur noch mehr verstärkt. Endlich zieht sie den blöden Beatmungsschlauch auch ohne Husten raus (dumme Kuh !) und ich kriege Luft. Ich sage ihr sofort, dass ich nicht husten konnte, was sie mit einem lapidaren „Warum nicht ?“ quittiert. Die Frau ist mir unheimlich, aber ich beschliesse gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Schliesslich brauche ich sie noch.
Erster bewusster Check-up. Schmerzen ? Ja ! Wie Sau ! Aber nicht da, wo ich es vermutet hätte, sondern am Bauch ?! Ich schaue an mir runter und sehe irgendwelche Schläuche, die mir aus’m Bauch raushängen. Das müssen die Drainagen sein. Ok, ich rufe nach Schwester Hide, auch Gisela genannt (Schwester Jekyll kommt dann auf Frühschicht). Kann ich bitte Schmerzmittel haben ? Sie bringt mir einen kleinen Becher mit Morphin, was mir für die nächsten 2 Stunden Linderung verschafft.
Mittwoch, den 09.März 2011:
Ab ca. 01:00 Uhr werden die Schmerzen wieder deutlich stärker. Ich bettele bei Gisela um noch ne Dosis, kriege aber ein resolutes Nein. Ein weitere Dosis konnte zu Atemstillstand führen. Alternetiv drückt sie mir die Fernbedienung für’s Bett in die Hand. Ich fahre rauf und runter, bis ich halbwegs eine erträgliche Position gefunden habe. Im nach hinein hab ich rausgefunden, dass man auch den hinteren Teile und somit die Beine hochfahren kann. Hätte mir Mrs. Hide das gleich gesagt, wäre die Nacht deutlich erträglicher geworden. So kämpfe ich mich mit meinem Joystick durch die Nacht und schaue mich um. Gegenüber liegt ein Herr ca. Mitte 50 und schläft wie ein Baby. Hat der andere Drogen wie ich bekommen ? Links und rechts neben mir liegen ältere Frauen, eine röchelt dermaßen, dass ich ständig auf Wiederbelebungsmaßnahmen warte, die aber nicht kommen. Irgendwann ist der ersehnte Schichtwechsel. Die neue Schwester, Frau K., ist ein richtiger Engel im Vergleich zum sächselnden Schreck aller Intensiv-Nächte. Ich erkläre ihr meine Situation und sie schüttelt den Kopf. Man hätte die Dosis anders verteilen müssen, sagt sie. Aha, denke ich. Hilft mir jetzt aber auch nicht wirklich. Schwester Keller verspricht mir, sofort mit Schmerzmittel zu kommen, was dann auch geschieht.
Eine halbe Stunde später sind die Schmerzen weg und ich kann etwas schlafen. Gegen mittag betritt ein sympathischer und sehr grosser Physio den Raum. Er versucht die Oma neben mir zum Aufstehen zu bewegen, was definitiv scheitert. Als nächstes kommt er zu mir ? Meint, ob ich es mir zutraue, aufzustehen und etwas zu sitzen. Frau K. verspricht mir als Belohung einen Kaffee. Ok, denke ich, probieren wie es. Zuerst die Füsschen zur Seite, dann greift der 1,95 m Bulle unter mich und hilft mir mich auf die Bettkante zu setzen. Oh mein Gott, allein das war schon Schwerstarbeit. Jetzt aufstehen. Ich wuchte mich mit Hilfe des Physio in die Höhe und fühle mich kurz danach, als käme ch nach 4 Mass aus dem Oktoberfest-Frisbee (Insider wissen, was ich meine). 3 Schritte bis zum Stuhl und ich sitze. Niemand, der noch keine derartige OP hatte, kann sich vorstellen, wie anstrengend das sein kann. Aber das Gefühl von Stolz überwiegt kräftig und ich fordere lauthals meinen Kaffee. Kurz darauf bringt mir Frau Keller den Kaffee und sagt mir, dass Bianca (meine Ex-Frau, Mutter meiner Kinder und beste Freundin) da wäre. Ich freue mich sakrisch, als sie auf die Intensiv kommt. Sie kriegt grosse Augen, als sie mich schon sitzen sieht, woraufhin mich eine unangemessen eitle Welle von Stolz überrollt. Gegen halb 2 ist wieder Schichtwechsel und Bianca muss gehen. Ich frage, ob sie mir noch Bonbons für den Hals bringen kann, was Frau K. verneint. Erst nach Schichtwechsel könne sie wieder kommen. Ich quengele, dass das doch in 5 Minuten erledigt sei, worauf Frau K. droht, mich wieder abzuschalten wenn ich jetzt nicht aufhöre. Tatsächlich wartet Bianca fast ne Stunde, bis sie mir die Bonbons bringen kann. Ein Schatz einfach.
Zwischenzeitlich kommt eine Sozialarbeiterin wegen der Reha reingeschneit. Sie will wissen, wo ich den hin will und dass ich für Dienstag Abreise vorgesehen bin. Hallo ? Ich lieg hier noch auf Intensiv und die wissen schon, dass ich nächsten Dienstag für die Reha bereit bin ? Ich frage mich, ob hier nicht Zweckoptimismus vorliegt, verdränge den Gedanken aber wieder.
Die Schwester kontrolliert regelmäßig den Harnabgang vom Blasenkatheter und wieviel Wundflüssigkeit aus den Drainagen abfliesst. Sie meint, das sehe super aus und vielleicht können wir heute schon die am Hals ziehen. Da ich durch die Drogen eh super positiv und für alles offen bin, grinse ich sie breit an. Kurz darauf ist Visite. Der Tross des Königs zieht durch das Reich. „Affentheater“, wie eine der Schwestern meint, triffst wohl besser. Aber immerhin erfahre ich im Vorbeiziehen des Trosses, dass der Eingriff sehr gut verlaufen und vor allem minimalinversiv war. Das ist ja geil ! Im Vorfeld hies es, das wäre nicht möglich. Super, meine Lebenskräfte kriegen nochmal einen Schub. Als dann noch die hübsche Dr. X sich kurz extra Zeit nimmt, meine Hand nimmt und mir sagt, auch der Ultraschall sah sehr gut aus, bin ich im siebten Himmel.
Irgendwann kommen 2 Stationsschwestern und nehmen Hr. H. gegenüber mit. Neidisch blicke ich ihm nach und frage Schwester K., wielange ich noch auf Intensiv bleiben müsse. Sie meint, gleich kommt der Arzt und zieht die Halsdrainage und danach werde ich auch abgeholt. Mann, das wird immer besser. Mein Ehrgeiz ist geweckt und ich nehme mir vor, aus dem Laden in Rekordzeit rauszukommen ;-).
Das Ziehen der Halsdrainage war Kinderkram und kurz darauf wurde ich wie versprochen abgeholt. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich Schwester Keller noch zum Abschied einen Schmatzer aufgedrückt, so musste ein „Danke für alles“ reichen.
Das Zimmer auf der sogenannten „Zwischenstation“ hatte einen Fernseher und ich teilte es mit einem armen Tropf, der schon seit 6 Wochen in dem Laden festhing. Auf Nachfrage erfuhr ich, dass er schon mehrmals an der Pumpe operiert worden war und jetzt Probleme mit Wasseransammlungen in der Lunge hatte. Armes Schwein, dachte ich. Nichts desto trotz wollte ich meine neue Freiheit geniessen und erstmal ordinäres Privatfernsehen gucken. Klappte nur nicht. Entweder hatte mein Zimmernachbar Ton oder ich (in Kliniken nur Kopfhörer). Und weil uns das beide fuchste, machten wir die Schwester rebellisch und verlangten Aufklärung durch den Techniker. Es stellte sich alsbald heraus, dass es sich nur um einen Bedienungsfehler handelte und so schrie mein Zimmernachbar der gerade mit der Technik telefonierenden Schwester hinterher. Fehler, grosser Fehler. Innerhalb von Sekunden waren ca. 5 Personen in unserem Zimmer und wollten wissen, was hier für ein Notfall herrsche. Damit waren wir wohl beide unten durch, zumindest bis Schichtwechsel. Trotzdem konnte ich die Schwester noch überzeugen, dass der Zivi mir meinen Ipod aus meinen Koffer brachte. Mit Musik im Ohr und genügend Schmerzmittel intus verbrachte ich eine halbwegs erträgliche Nacht, obwohl meine Zimmernachbar immer wieder schmerzhafte Hustenattacken hatte. Einzig die Nachtschwester ging mir gehörig auf den Sender. War zwar auch ne äußerst hübsche, aber beim Checken des Harnabgangs rüttelte sie jedesmal derart heftig am Schlauch, dass ich den Katheter überdeutlich in der Röhre spürte. Ich wies sie jedesmal drauf hin, dass sie das unterlassen soll, aber entweder war sie doof oder es war die Rache für die Fernsehaktion vom Abend.
Donnerstag, den 10. März 2011:
Schwester Simone betritt das Zimmer und ich wache auf. Sie checkt mich erstmal durch. Blutdruck, Blutsauerstoff, Temperatur. Der Sauerstoff ist noch unten (92 %) und die Temperatur ist für meinen Geschmack auch zu hoch für die Uhrzeit (37,4°). Dafür passt der Blutdruck.
Danach gibt’s Frühstück. Ich hätte zwar auch gestern abend schon essen können, aber mein Appetit war gestern noch gegen 0. Man erklärt mir, wie ich mich selbst aus dem Bett ziehen kann und soll. Für diesen Zweck hat man eine kleine Strickleiter am Bettende befestigt. Daran soll man sich dann hochziehen. Ich probiers und entscheide für mich, dass ich auch so aus dem Bett komme. Einfach Joystick nehmen, Kopfteil ganz nach oben fahren, Bett nach unten kippen und raus geht’s. Nach ca. 10 min Frühstück und noch weiteren 10 min relaxtem Sitzen wird’s mir doch zu antrengend und ich leg mich wieder ins Bett. Ich soll meine Pillen nehmen. Meine Fresse, was ist denn das alles ? Ne komplette Handvoll an Zeuch. Danach muss ich noch Schleimlöser auflösen und trinken.
Kurz danach kommt die Krankentherapeutin mit einem Atemgerät. Ich soll da ungefähr 50 mal reinatmen. Ich fange an und muss zum ersten Mal husten. Oh Gott, tut das weh ! Nach der Übung muss ich immer wieder husten und versuche es zu kontrollieren, was mir ganz gut gelingt. Schliesslich löst sich der erste Schleimbatzen, welche Erlösung.
Im Laufe des vormittags komme ich mit Schwester Simone ins Gespräch und erfahre, dass sie nächstes Jahr nach Schweden auswandert. Sie eröffnet dort mit ihrem Mann einen Campingplatz. Ich bin beeindruckt und spiele mit dem Gedanken, nächstes Jahr in Schweden Urlaub zu machen. Während wir uns unterhalten, checkt Simone die Tüten für die Wundflüssigkeit und meint, die Bauchdrainage kann eigentlich auch raus. Ganz so relaxt wie gestern bin ich nun bei der Vorstellung nicht mehr, aber der Wunsch die blöden Schläuche aus meinem Bauch zu haben ist deutlich ausgeprägter. Ausserdem erfahre ich, dass ich wahrscheinlich heute noch auf Normalstation und damit in ein Einzelzimmer komme. Mit der Motivation, kann der Doktor kommen.
Gekommen ist dann eine junge und ausgesprochen arrogant wirkende Ärztin, die sich weder vorstellt, noch sich nach meinem Befinden erkundigt. Sie nimmt sich der Drainagen an und zieht die Dinger aus meinem Bauch. Das an und für sich fand ich noch nicht ausgesprochen schlimm, aber dafür das Zuziehen der Nähte. Die gute Frau dachte wohl, der kommt aus Bayern und ist eine alte Wursthaut, da müssen wir richtig anziehen. Ich sagte der Schwester danach, dass hier eine örtliche Betäubung nicht ganz verkehrt sei. Schwester Simone meinte, das bringe doch nichts, da die Drainagen ja im Bauchraum seien. Als ich ihr erklärte, ich meinte auch das Zuziehen der Naht, war sie einigermaßen verwirrt. Offensichtlich haben vor mir alle immer das Ziehen der Drainagen als schmerzhaft empfunden. Egal, die Dinger bin ich nun auch los und habe wieder etwas mehr Bewegungsfreiheit gewonnen.
Also Rollator geschnappt und erstmal eine Stationsrunde gedreht. Die Schwester sieht mich und meint, ich solle mich gleich mal auf die Waage stellen. 89,2 kg zeigt sie an, also alles grün. Danach wieder zurück ins Zimmer. Ich fühle mich, als ob ich 10 km gejoggt bin. Zwar nicht von der Puste her, aber mir ist leicht schwindelig. Trotzdem nehme ich mir vor, das sooft wie möglich zu wiederholen, schliesslich will ich bis spätestens Samstag (Kinder kommen) ohne den Rollator laufen können.
Gegen abend werde ich erneut abgeholt, es geht auf Normalstation ins Einzelzimmer, yippie. Ich verabschiede mich von Schwester Simone und verspreche, nächstes Jahr in Schweden Urlaub zu machen (na ja, schau mer mal).
Das Einzelzimmer ist ein Segen und die Schwestern sind auch alle sehr nett. Verkabelt muss ich trotzdem noch bleiben (EKG). Da ich aber eh nur auf’m Rücken liegen kann, stört mich das nicht weiter. Ich überlege, was jetzt noch alles Fremdes in mir drinsteckt. Ok, der Blasenkatheter….muss ich morgen mal ansprechen. Mir fällt ein Kabel auf, dass ich vorher noch gar nicht bemerkt hatte. Ach ja, der Schrittmacher ! Den hatte ich ja schon mit dem Rollator spazieren gefahren. Nach Rückfrage ist der nur für den Notfall da. Dann noch ne Infusionsnadel im linken und rechten Arm, links wird irgendwas dosiert ? Was das sei ? Ein Antiarrythmikum. Aha, jetzt bin ich viel schlauer (Heute weiss ich, dass es einfach ein Beta-Blocker war). Abends werde ich wieder durchgemessen und habe schon wieder Temperatur. Der Sauerstoff ist auch noch bei 93 %, obwohl ich ja immer noch den Schlauch in der Nase habe. Ich bin leicht beunruhigt und frage, ob das normal ist, kriege aber keine erleuchtende Antwort von der Schwester. Im Laufe des abends setze ich mich immer wieder auf um abzuhusten, da es so deutlich besser zu kontrollieren ist. Was für eine Plackerei. Egal, ich schaue noch Fernsehen (endlich ohne Rücksicht auf irgendwenn bzgl. Programm nehmen zu müssen) bis die Nachtschwester Kerstin (Hecht) mir meine rosarote Glückspille bringt.
Freitag, den 11. März 2011
Ich habe genial geschlafen, nicht nur wegen der Glückspille. Diese Betten sind einfach zu genial. O bwohl ich mir als Bauchschläfer Sorgen gemacht hatte, dass ich auf dem Rücken nicht schlafen könne, ist das mit diesen Betten überhaupt kein Problem. Man liegt wie in einer Hängematte, wirklich klasse.
Wie immer kommt zuerst die Schwester und checkt mich durch. Temperatur gut, Sauerstoff immer noch unten. Ansonsten alles paletti. Ich haue sie gleich wegen dem Blasenkatheter an und sie verspricht mir, dass beim Arzt anzuprechen. Nach dem Frühstück kommt Schwester mit Arzt zum Katheter ziehen. Ist zwar kurz unangenehm, aber auch hier überwiegt die Freude wieder ein Teil weniger in mir zu haben. Dann kommt wieder Frau Blasekasten und ich muss wieder ne zeitlang pusten. Nach dem fünten Mal muss ich husten und es kommt ein Riesenteil mit Blutbeimengungen zum Vorschein. Ich schaue die Therapeutin einigermaßen erschrocken an. Sie versichert mir aber, dass sei vollkommen normal. Durch die Herz-Lungen-Maschine verkleben die unteren Lungenflügel und es bildet sich Schleim und manchmal auch Blut. Die Atemübungen machen die Lungenflügel wieder frei. Also mache ich weiter. Im Laufe dieses und des darauffolgenden Tages hole ich schliesslich dermaßen viel Schleim aus meiner Lunge, dass ich mich über den niedrigen Sauerstoff nicht mehr wundere…..
Das erste Mal Pinkeln brennt ziemlich. Ich muss sofort wieder an die Nachtschwester von der Zwischenintensiv denken. Das Gerupfe an dem Schlauch musste sich ja irgendwann rächen.
Es ist Zeit, ein paar Telefonate zu führen, also angele ich mir das handy aus dem Koffer. Da ich so beweglich wie ein Dachbalken bin, wird das zur anstrengenden Aufgabe die ich aber meistere. Ich hole mir meine Glück- und Genesungswünsche ab und beschliesse danach, eine Rollatorrunde zu drehen. Eigentlich brauche ich das Teil nicht mehr, aber irgendwie müssen ja der Herzschrittmacher und die Dosierstation für das Antiarrhythmikum transportiert werden. Ich entdecke einen Kaffeeautomaten, den ich auch gleich ausprobiere.
Am Nachmittag ist Visite und ich frage, wann ich von den letzten beiden Sachen abgesöpselt werden kann, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Der Arzt meint, wenn bis morgen nichts mehr sein sollte, werde ich von den Dingern morgen früh befreit. Gut so.
Abends wieder der übliche Check. Die Temperatur ist wieder oben, der Sauerstoff ist unten. Da ich mich aber nicht krank fühle und mittlerweile dank Internetfähigem handy auch weiss, dass die erhöhte Temperatur nach solchen OP’s relativ normal ist, mache ich mir keinen grossen Kopf mehr darüber. Die Schwester meint trotzdem mit einer Parazetamol-Infusion das „Fieber“ drücken zu müssen. Soll mir Recht sein, ich hab eh etwas Schmerzen, vor allem am Bauch (die Drainagenwunde).
Nach 2 Stunden kommt sie erneut und misst wieder => 37,9 °. Sie ist zufrieden und geht wieder.
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