Das Buch Gekaufte Journalisten hat, wie ich einer gewissen Aufregung in meinen sozialen Medienkreisen entnehmen kann, zumindest im Kreis meiner Kolleginnen und Kollegen für Stimmung gesorgt. Ich kenne den Autor Udo Ulfkotte nicht, und wer zu dieser Enthüllungsgeschichte darüber, wie korrupte Journalisten – angeblich – die Pressefreiheit und Meinungsvielfalt untergraben (und natürlich darüber, wer Ulfkotte ist und wie er einzuschätzen wäre) mehr Hintergrund finden will, der schaut sich am besten diesen ziemlich ausführlichen Report von Stefan Niggemeier bei den Krautreportern an. Wenn ich a) davon ausgehe, dass Niggemeier seine Recherchen und Analysen sehr gründlich macht und b) demnach dann der einzige bestechende Nachweis (Wortspiel ist beabsichtigt) von Ulfkottes Thesen darin besteht, dass er selbst sich kaufen ließ, dann habe ich wenig Hoffnung, aus dem Buch etwas zu erfahren, was ich nicht eh’ schon wüsste. Ob ich mir also den Schmöker aus dem einschlägig bekannten deutschen Verlagshaus Kopp zuschicken lassen werde, habe ich noch nicht entschieden.
Aber ich bin nicht nur seit mehr als 30 Jahren Journalist – ich habe und hatte auch enge (private) Beziehungen zu Personen in Pressestellen und -Abteilungen und damit eine gewisse Insider-Position zum Thema “gekaufte Journalisten”. Und weil ich heute Abend nichts besseres vorhabe, schreib ich mal ein paar Gedanken dazu auf.
Fangen wir mit einer Anekdote an, die sich in den ersten Monaten meiner journalistischen Tätigkeit, damals für eine kleine, aber anspruchsvolle Münchner Wirtschaftspublikation, begeben hatte: Ich war von meinem Chef – bis zu meinem Eintritt war das Blatt ein Einpersonen-Unternehmen – zu einer Wirtschaftspressekonferenz eines deutschen Autoherstellers (nein, Rösser, Reiter und sonstige Vergaloppierer werden hier nicht namentlich genannt) nach Nürnberg geschickt worden. Ich hatte den Zug genommen, weil der in den frühen 80-er Jahren noch als das vernünftigste Transportmittel für solche Distanzen galt. Als ich am Pressetisch vor dem Konferenzraum “eincheckte” (sagte man damals noch nicht, aber was soll’s…), in der die PK stattfand, fragte mich eine der Firmenmitarbeiterinnen ganz freundlich, ob mir denn für die Anreise Kosten entstanden seien. “Nö”, sagte ich etwas verunsichert ob dieser Frage, “das Ticket hat mein Chef bezahlt.” Worauf sie mich anblickte, als hätte ich jetzt die dümmste Bemerkung gemacht, die ihr jemals zu Ohren gekommen war. Da noch ein wenig Zeit bis zum Beginn der PK war, und ich einfach neugierig war, wie Pressekonferenzen so ablaufen (ich hatte bis dahin vielleicht zwei oder drei solcher Veranstaltungen mitgemacht und war noch sehr davon beeindruckt), bleib ich noch ein bisschen vor dem Saal stehen und sah zu, wie meine Kolleginnen und Kollegen eintrudelten. Fast allen wurde die gleiche Anreisekostenfrage gestellt, fast alle nickten – und erhielten dann von der netten Dame einen Umschlag, zusätzlich zur Pressemappe. Ich war zwar noch einigermaßen naiv, was die Gepflogenheiten des Wirtschaftsjournalismus anging, wollte auch nicht so recht glauben, was ich da sah – aber als ich später am Nachmittag, nach meiner Rückkehr ins Münchner Büro, meinem Chef davon erzählte, nickte der nur. Ja, das sei in der Branche nicht unüblich: viele Journalisten ließen sich ihre Reisekosten in bar von der besuchten Firma erstatten – und rechnen dann, mit allen Belegen, versteht sich, noch einmal die Spesen mit ihrem Verlag ab.
Nicht, dass mich das überrascht hätte: Eine Person aus meiner Familie hatte zu diesem Zeitpunkt schon jahrelang in der Presseabteilung eines deutschen Autozubehör-Herstellers gearbeitet. Und die Anekdoten waren haarsträubend: Nicht nur, dass einige prominente Journalisten und Journalistinnen regelmäßig ihre Privatfahrzeuge zur Wartung und zum Tuning vorbei brachten. Neue Federbeine? Gerne! Ölwechsel, Bremsbeläge, Kupplungen, Stoßdämpfer – was darf’s sonst noch sein? Und nicht nur, dass sie sich für die Zeit der Reparatur/Wartung so genannte “Testwagen” von der Firma ausliehen. Es schien auch nicht unüblich zu sein, dass sie ihre derart mit Firmenprodukten ausgerüsteten Privatautos dann offiziell als “Testwagen” deklarierten und der Herstellerfirma dafür dann auch noch Kilometergeld für ihre privaten Fahrten in Rechnung stellten.
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