Es schien – aber das kann auch durch den Bias meinerseits bedingt sein, dass ich nur privat-persönliche Kontakte zur Autobranche sowie zur Hotellerie und Gastronomie hatte, also keine privaten Einblicke in andere Branchen, wie etwa Pharma oder Baugewerbe, nehmen konnte – vor allem die Zunft der Motorjournalisten zu treffen, aber auch Reisejournalisten und Restaurantkritiker tauchten in den Anekdoten immer wieder auf. So gab es Kolleginnen und Kollegen, die sich gerne selbst in teure Restaurants einluden; die Gastronomen, wissend um die Position dieser “Gäste”, umschwänzelten und hofierten diese Schnorrer, gewiss nicht aus inniger Zuneigung, sondern aus Sorge um eine eventuell schlechte Kritik. Andere – und manchmal auch dieselben – ließen sich durch die Pressebüros von Reise- oder Hotelunternehmen ihre Urlaube organisieren: Hotel gratis, Flug gratis, alles selbstverständlich erster Klasse, und mit den sprichwörtlichen Federn im A… serviert.
Wer also nach Journalisten in Deutschland sucht, die korrupt sind, wird garantiert fündig werden. Einige kenne ich persönlich, andere nur vom Namen und/oder Hörensagen; die meisten sind wohl inzwischen (hoffentlich) eh’ längst verruhestandet. Heißt das aber, dass alle Journalisten in Deutschland korrupt sind?
Hier wird die Übergangszone schon ziemlich grau. Denn es gibt einige Alltagspraktiken, die in den USA beispielsweise unumstößlich als korrupt betrachtet und abgelehnt werden: Meine Kolleginnen und Kollegen hier dürfen nichts annehmen, was den Wert von 25 Dollar überschreitet (ob dies in irgend einer Form gesetzlich geregelt ist, oder lediglich durch einen Ehrenkodex festgelegt wurde, weiß ich nicht – ich weiß nur, dass dies bei Presseauftritten deutscher Firmen gelegentlich von US-Kollegen thematisiert wurde); selbst die Bewirtung, die ja bei vielen Presseterminen fast unvermeidlich ist (weil Menschen nun mal in gewissen zeitlichen Abständen Nahrung aufnehmen müssen), muss sich dem unterordnen: belegte Brötchen und Schnittchen, vielleicht auch ein Besuch in der Firmenkantine sind völlig akzeptabel; den Besuch im michelinbesternten Gastroschuppen müssen die Kolleginnen und Kollegen jedoch meist ablehnen. (Nicht jede(r) tut’s, aber das ist noch mal eine andere Geschichte.)
In Deutschland sind hingegen nicht nur opulente Essenseinladungen und manchmal durchaus teure Pressegschenke, vom edlen Schreibgerät bis zu elektronischen Gadgets aller Art, absolut üblich. Letztere sind oft in Pressemappen verborgen, ein Ablehnen derselben wird als Affront wahrgenommen und nicht nur von den Schenkenden, sondern auch im KollegInnenkreis als Spielverderberei geächtet. (Weiß ich aus eigener Erfahrung.) Aber noch selbstverständlicher ist es, dass auch die Kosten für Anreise und Unterkunft der PressevertreterInnen nicht etwa von den sie entsendenden Medien übernommen werden, sondern dass dafür die “Gastgeber” die notwendigen Arrangements machen. Und da geht es dann nicht mehr um 50 Euro für ein Mittag- oder Abendessen, oder vielleicht 100 Euro für ein Montblanc-Schreibgerät, sondern um hunderte bis tausende von Euro, je nach Distanz der Anreise sowie Dauer und Qualität der Unterbringung.
Wenn immer ich meinen US-Kollegen von dieser Gepflogenheit der Reisekostenübernahme erzähle, reagieren diese schockiert: Ob das denn damit nicht Bestechung sei, wollen sie von mir wissen. Denn selbstverständlich habe ich im Lauf meiner Tätigkeit mehr als eine solcher Pressereisen mitgemacht. Aber habe ich mich damit kaufen lassen?
Die Frage ist nicht ganz so einfach zu beantworten, wie sie klingt. Dazu muss ich vermutlich erst mal den Begriff “selbstverständlich” erklären, den ich zwei Sätze zuvor benutzt habe: Die “Selbstverständlichkeit” resultiert daraus, dass es nicht immer möglich ist, diese “Gastfreundschaft” nicht anzunehmen. Nicht etwa, weil Journalisten das so wollen: Sie gehen hin, weil ihre Chefs die Story haben wollen (und wenn’s auch nur ist, damit man nicht das einzige Blatt in der Branche ist, das die Story nicht hat). Wenn der Vorstandschef eines großen Automobilkonzerns beispielsweise zum Hintergrundgespräch ins Drei-Sterne-Restaurant ruft, dann kann man die Einladung etweder annehmen oder ablehnen. Wer zu oft ablehnt, kegelt sich selbst aus dem Kreis der Gesprächspartner.
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