Die amerikanische Satirezeitung The Onion hat mit dieser Schlagzeile den (satirischen) Nagel auf den Kopf getroffen:Experts: Ebola Vaccine At Least 50 White People Away. Das tragikomische an dieser (natürlich erfundenen) Meldung ist ihre Wahrheitsnähe: Sie will sagen, dass der Druck, einen Impfstoff gegen das Virus zu finden, erst dann groß genug sein wird, wenn nicht nur Tausende von Afrikanern, sondern auch eine nennenswerte Zahl an Weißen damit infiziert wurden. Und das ist leider keine satirische Übertreibung: So lange Ebola zwar schon als tödlich bekannt, aber nur endemisch in ländlichen Regionen Afrikas war, galt der Entwicklung eines Impfstoffes nur eine vergleichsweise bescheidene Aufmerksamkeit. Genauer gesagt: Ein Impfstoff wurde, wie die New York Times vor einigen Tagen berichtete, zwar von kanadischen und amerikanischen Forschern entwickelt, aber nie getestet – weil der Markt zu klein und der kommerzielle Nutzen daher zu gering war.
Nun hat Ebola die großen amerikanischen Städte erreicht, und klar, nun werden die alten Ergebnisse eiligst aus den Schränken gekramt, die ersten Tests sollen bald anlaufen. Aber brauchen wir überhaupt einen Impfstoff? Die zwei Krankenschwestern Nina Pham und Amber Vinson, die sich in Dallas bei der Versorgung des “ersten” inneramerikanischen Patienten Thomas Eric Duncan infiziert hatten, sind allem Anschein nach geheilt; auch der New Yorker Arzt Craig Spencer, der sich in Westafrika infiziert hatte und nun in Manhattans Bellvue-Krankenhaus behandelt wird, hat eine realistische Chance, die Infektion zu überleben (ich hoffe es jedenfalls sehr).
Nebenan bei den Scilogs hat Lars Fischer ausführlich beschrieben, wwie Ebola bei entsprechender Versorgung durchaus in den Griff zu bekommen sei. Den Seitenhieb auf New York, in dem ja laut allerlei Horrorfilmen so ein eingeschlepptes Übel immer in Panik und Chaos zu enden scheint, sehe ich ihm nach: Es sind ja immer nur die auswärtigen Filmemacher (wie beispielsweise Roland Emmerich, der die Stadt ja gleich in drei Filmen plattmachen lässt), die so etwas in die Welt setzen. Die New Yorker sind, wie ich aus eigenem Anschein weiß (ich zähle mich übrigens selbst zu ihnen), weitaus weniger panikanfällig und können mit Katastrophen, wie sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ja nun wohl deutlich genug gezeigt hat, ziemlich gut umgehen. Aber ich schweife ab.
Lars kommt in seinem Beitrag zu dem Fazit, dass die Suche nach Impfstoffen wohl eher Zeitverschwendung wäre, wenn sich die Krankheit doch mit herkömmlicher Intensivmedizin recht erfolgreich behandeln und eindämmen ließe. Und dem stimme ich nur bedingt zu. Denn wenn diese Intensivmedizin in den Ländern, die als das Epizentrum der aktuellen Ausbrüche gelten, tatsächlich verfügbar wäre, dann hätten wir das Problem doch gar nicht. Das Problem ist ja, wie so oft, nicht das Virus an sich, sondern das Fehlen eines adäquaten Gesundheitssystems. Der Rat, die Opfer besser zu versorgen, kann da leicht wie die notorischen “esst-Kuchen“-Ernährungstipps rüberkommen…
Denn was nützt es den Dorfbewohnern in Guinea oder Sierra Leone, wenn Patientinnen und Patienten in Großstadtkliniken behandelbar sind? Die Existenz von Kliniken allein genügt nicht – man muss auch aufgenommen werden. Das genau ist übrigens der Vorwurf, der dem US-Gesundheitswesen hier zu machen ist: Offenbar wurde Thomas Eric Duncan, ein Besucher aus Liberia ohne Krankenversicherung, von der Klinik in Dallas erst mal mit ein paar Schmerztabletten abgewimmelt und wieder nach Hause geschickt – obwohl er erste Symptome zeigte und erklärt hatte, dass er erst vor Kurzem aus Liberia angekommen war.
Ein bisschen Sorge täte uns daher schon ganz gut – zumindest genug Sorge, dass die Entwicklung eines Impfstoffes nicht wieder mangels Interesse einschläft. Denn erstens ist es sicher leichter (und unterm Strich wohl auch billiger), die Ausbreitung des Virus durch eine Impfung zu stoppen, als Epidemien durch aufwändige Behandlung und Quarantäne eindämmen zu wollen. Ein Impfstoff würde auch ein anderes Problem eindämmen, das gerade erst auszukeimen beginnt: Da an immer mehr US-Flughäfen nun Zwangsquarantäne für Ebola-verdächtige Passagiere verhängt wird, und davon vor allem medizinische und humanitäre Helfer betroffen sein könnten, die dann bei der Rückkehr von ihrem Afrikaeinsatz erst mal in 21-tägige “Haft” genommen werden, wird das mit großer Wahrscheinlichkeit nur dazu führen, dass weniger humanitäre und medizinische Helfer in Afrika verfügbar sein werden. Schutzimpfungen könnten auch hier hilfreich sein.
Dass Ebola uns nicht umbringen wird (hierin ist Lars Fischers Argumentation schlüssig), ist beruhigend. Aber es wäre beunruhigend, wenn diese (wiedergewonnene?) Ruhe dazu führt, wieder zur alten Tagesordnung überzugehen und Ebola sich selbst zu überlassen.
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