Kurz nach der 47. Minute erfahren wir dann, dass eine aufwändig vorbereitete Pressemitteilung an “hunderte Journalisten in ganz Deutschland” geschickt wurde. Doch das waren nicht etwa WissenschaftsjournalistInnen, wie man bereits drei Minuten voher hören konnte – Zielgruppe waren “Beauty-Journalisten”, und wer immer damit gemeint sein könnte, ist vermutlich eher auf Schönheitstipps und Kosmetika spezialisiert. WissenschaftsredakteurInnen würde ich im Beauty-Ressort allerdings nicht unbedingt erwarten… Doch selbst dort ist man offenbar nicht so blöd gewesen: Hunderte erhielten die Nachricht, doch letztlich fielen offenbar nur fünf darauf rein: BILD, Cosmospolitan, RTL, Brigitte und FOCUS Online, hier fälschlich – Redaktion und Eigentümerstruktur sind völlig verschieden, nur die Marke ist ähnlich – als FOCUS präsentiert. (Warum das nicht unbedingt überraschend ist, hatte ich hier auch schon erklärt). Wie sich dies zur Aussage “BILD legt vor, und alle folgen” verdichten lässt, ist mit den Methoden des ordentlichen Journalismus leider nicht zu erklären…
Die gleiche Hyperbel kommt, wenn um 49:50 verkündet wird, dass auch in den USA “niemand” der Schokoladenmeldung widerstehen konnte – doch zu sehen gibt’s dann nur einen erkennbar noch nicht mal im Ton seriös gemeinten Clip einer lokalen Fernsehstation in Dallas und einen YouTube-Kanal. Ehrlich? Das genügt als Beleg für die Aussage, “niemand” hätte dieser Meldung widerstehen können? Und dann beschweren sich die Doku-MacherInnen noch, dass niemand von den Hunderten Journalisten, die sie reinlegen wollten, bei ihnen angerufen hatte, um ihrer Story nachzurecherchieren – auf die Idee, dass die den Schrott gleich in die Tonne getreten hatten, scheinen sie nicht zu kommen. Und für die Behauptung, das “-zig Millionen Menschen” von ihrer “Studie” gehört hätten, bleiben sie auch jeden Beweis schuldig: Nicht jeder Artikel, der irgendwo in Print oder Online erscheint, wird auch von allen Konsumenten der jeweiligen Medien gelesen/gesehen. Die im Bericht gezeigte Lokalausgabe Frankfurt der BILD hat beispielsweise, nach Verlagsangaben, am Samstag gerade mal eine verkaufte Auflage von weniger als 92.000 Exemplaren, und wer mit der Zeitung vertraut ist weiß, dass die Geschichten “unter dem Bruch” von Lokalausgabe zu Lokalausgabe sehr verschieden sein können. (Womit ich nicht sage, dass dies so war – aber eine Nachfrage bei der Redaktion, oder eine etwas breitere Recherche, hätten diese Frage sicher klären können.)
Mir ging es hier nur um die journalistischen Aspekte dieser Dokumentation; um die forschungsethischen Aspekte hat sich Lars Fischer einige lesenswerte Gedanken gemacht. Sicher ist: Guter Journalismus geht anders. Und wer vorhat, mit Steinen zu schmeißen, sollte sich kein Glashaus aufbauen.
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