"Felix in Hollywood" (1923) (Public domain) via Wikimedia Commons

Lachen, so heißt es, sei die beste Medizin. Und umgekehrt nehmen wir ziemlich selbstverständlich an, dass Ärger und schlechte Laune einen krank machen können – und sogar, wie die Redewendung “sich schwarz ärgern” andeutet, ins Grab bringen können. Doch das ist, wenn man diesem Beitrag in der aktuellen Ausgabe des britischen Medizinjournals The Lancet glauben darf, ein Fehlschluss: Does happiness itself directly affect mortality? The prospective UK Million Women Study kommt auf der Basis einer Langzeitstudie mit 719.671 Frauen zu dem Schluss, dass es das Kranksein ist, das unglücklich macht – nicht umgekehrt, wie der Volksmund behauptet.

Für die Studie wurden mehr als eine Million Frauen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren über die Jahre 1996 bis 2001 angeworben und dann zehn Jahre lang beobachtet; neben Krankenhausaufenthalten und anderen medizinisch relevanten Fakten wurden sie auch regelmäßig zu ihrer Gemütsverfassung befragt. Und jetzt wurden diese “Gemütsdaten” gegen allerlei Befindlichkeiten abgeglichen, wie beispielsweise Krebs oder Schlaganfälle:
Unhappyandhealthy

Der kausale Zusammenhang von Krankheit zu Unglücklichsein wäre sowieso leichter zu etablieren als umgekehrt – wer ist schon froh darüber, krank zu sein? (Das ist eine rhetorische Frage!) Aber andererseits räumt Professor Richard Peto, einer der Autoren dieser Studie und jemand, der mit der New York Times über die Resultate gesprochen hat, durchaus einen plausiblen Zusammenhang ein, der eine Kausalität von Unglück hin zu verschlechterter Gesundheit herstellt – so kann Stress und generelle Unzufriedenheit zu Alkohol- oder Drogenmissbrauch oder auch zu riskantem Verhalten bis hin zu Selbstmord treiben.

Das Problem ist erst mal, dass die Angaben über Glücklichsein oder Unglück auf Selbsteinschätzung der befragten Frauen beruhen – und was die eine für Unglück hält, kann ja für die andere eine bedeutungslose Lappalie sein; wenn die eine sich über ein Missgeschick grämt, kann die andere in vergleichbarer Situation erleichtert sein, dass es nicht schlimmer kam. Außerdem sind solche Langzeit-Studien nicht kontrolliert und verblindet (weder einfach noch doppelt); sie können statistische Korrelationen zwar leicht aufspüren, aber kausale Beziehungen zu belegen wird da schon schwieriger.

Na und, könnte man jetzt fragen, was soll’s? Auch hier hat der Volksmund eine Antwort: “Jeder ist seines Glückes Schmied”, behauptet er, was mit anderen Worten heißt, wer unglücklich oder gestresst ist, trägt erst mal selbst die Schuld daran. Und wenn man das erst mal glaubt, dann scheint der Weg fort von der angemessenen Therapie hin zu esoterischen Glücklichmachern, Chakrareparaturen undsoweiter umso verlockender.

In der Tat ist die Kausalkette “Stress -> Unglück -> Gesundheitsprobleme” plausibler zu etablieren als das Gegenteil, wenn ich die Studie richtig verstanden habe: Während es zumindest einige Hinweise darauf gibt, dass Unglücklichsein durch ungünstige Verhaltensänderungen den Gesundheitszustand negativ beeinträchtigen könnte, gibt es umgekehrt keinen Hinweis darauf, dass Glücklichsein in irgend einer Weise gesünder macht. Eigentlich schade, aber andererseits tröstlich, dass es zumindest physiologisch betrachtet nicht schlimm ist, wenn einen diese Nachricht traurig macht…

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Kommentare (10)

  1. #1 Beobachter
    11. Dezember 2015

    @ Jürgen Schönstein:

    ” … so kann Stress und generelle Zufriedenheit zu Alkohol- oder Drogenmissbrauch oder auch zu riskantem Verhalten bis hin zu Selbstmord treiben. … ”

    Müsste es in Ihrem Beitrag nicht “generelle UNzufriedenheit” heißen?
    Denn wenn jemand tatsächlich generell zufrieden ist, kommt er auch mit Stress besser klar und hat Drogen und Alkohol nicht so (vermeintlich) “nötig”.
    Und generelle Zufriedenheit wird einen auch nicht “bis hin zu(m) Selbstmord treiben” – denn sonst wären wir hier in Deutschland ein Volk von Selbstmördern (wenn man davon ausgeht, dass die meisten Leute hier generell zufrieden sind) und die Statistiken über Selbstmordraten sähen entsprechend “astronomisch” aus.

  2. #2 rolak
    11. Dezember 2015

    Oh wie süß – der olle Felix, namensgerecht ins Bild gesetzt…

    Apropos Fremdsprache: Insbesondere im Kontext der Studie ist für mich ‘üblicherweise’ und ‘meistens’ ziemlich synonym – ist das im Englischen bei ‘usually’ und ‘most of the time’ derart deutlich anders, Jürgen?

    Während .. gibt es umgekehrt keinen

    Bezogen auf NormalNull? Wäre einsehbar, entspräche auch meiner Aversion gegen das bei Werbung gerne genutzte ‘stärkt das Immunsystem’, schwächen geht von Normal aus, stärken nicht. Doch generell ist ja (glücklich macht nix) gesünder als (unglücklich macht krank).

  3. #3 MatthiasR
    11. Dezember 2015

    Herr Schönstein, Ich finde Ihre Überschrift irre leitend. Und auch die letzten Sätze sind irre leitend. Alleine schon nach WHO Definition s.u. sind Menschen die sich unglücklich ‘fühlen’ ungesund. Jemand der sich unglücklich fühlt dem ergeht es zwar vielleicht körperlich wohl aber nicht geistig.

    Im Lancet Artikel selbst steht, präziser formuliert (!), das Glücklichsein die Mortalität nicht beeinflusst. Das bedeutet ‘körperlich’ lässt sich kein Unterschied von außen messen.

    Wenn sie das berücksichtigen, dann verstehen sie auch warum der Volksmund, zu Recht m.E., behauptet: Lachen ist gesund!

    Nach Weltgesundheitsorganisation:
    „Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“

  4. #4 Jürgen Schönstein
    11. Dezember 2015

    @Beobachter
    Ja, da sollte “Unzufriedenheit” stehen, und steht nun auch da. Danke!

  5. #5 Jürgen Schönstein
    11. Dezember 2015

    @MatthiasR
    “Gesund” hat in deutschen Sprache zwei Ausprägungen – eine intransitive, im Sinn von: frei von Gebrechen sein (“Ich bin gesund”), und eine transitive, im Sinn von: der Gesundheit förderlich sein (“Lachen ist gesund”). In dieser Überschrift ist die transitive Bedeutung klar erkennbar – vor allem auch schon daran, dass das Gegenteil des intransitiven “gesund” üblicher Weise als “krank” bezeichnet wird (ich habe noch niemanden getroffen, der/die von sich sagte, er/sie sei “ungesund”, wenn sie sich krank fühlten). Wenn wir von “der Gesundheit abträglich” reden, sagen wir “ungesund”. Es ist beispielsweise nach allgemeiner Auffassung ungesund, auf körperliche Bewegung zu verzichten – aber es ist nicht “krank”, und es bedeutet auch nicht, dass die Personen, die so handeln, krank sind. Um also die Überschrift und den Tenor des Artikels noch mal so zu formulieren: Unglücklichsein ist der Gesundheit nicht abträglich – es macht nicht krank. Über die allgemeine Befindlichkeit eines Menschen sagt das aber natürlich nichts aus.

  6. #6 DH
    11. Dezember 2015

    Vielleicht ist es am ungesündesten , nicht authentisch zu sein , “positive thinking” wäre also gefährdender als echte , so bezeichnete “negative Emotionen”.

  7. #7 MatthiasR
    Mannheim
    11. Dezember 2015

    “Unglücklichsein macht nicht krank.” – schon besser.

    Noch besser wäre: “Glücklichsein macht nicht gesund”, dann wäre es zumindest so wie in dem zitierten Interview!

    Und wissenschaftlich korrekt “Glücklichsein beeinflusst die Sterblichkeit nicht”, so wie in dem zitierten Lancet Paper.

    Aber bei “Unglücklichsein ist nicht ungesund”, da hab ich echt dreimal lesen müssen, was jetzt gemeint ist.

  8. #8 MatthiasR
    11. Dezember 2015

    zu “wer ist schon froh darüber, krank zu sein? (Das ist eine rhetorische Frage!) ”

    Doch, es gibt es wirklich Menschen die ‘froh’ sind krank zu sein, das nennt man dann ‘Krankheitsgewinn’.

  9. #9 Joseph Kuhn
    12. Dezember 2015

    Drei Anmerkungen:

    1. Im Text über der Grafik ist von “Schlaganfall” die Rede, in der Grafik von “ischämischen Herzkrankheiten”. In der Studie ist Letzteres Outcome.

    2. Die Studie mal überflogen: Für behandelte Depressionen wurde kontrolliert, d.h. die Studie stellt nicht den Zusammenhang zwischen klinisch manifesten Depressionen und ischämischen Herzkrankheiten infrage (siehe dazu z.B. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25540022), das ist bei der Diskussion zu bedenken.

    3. Zum Thema Krebs: Eine geharnischte Kritik an der verbreiteten Meinung, gute Laune wäre auch gut gegen Krebs, hat vor einigen Jahren Barbara Ehrenreich in ihrem Buch “Smile oder Die. Wie die Ideologie des positiven Denkens die Welt verdummt” geschrieben.

    Eine Frage wirft die Studie allerdings auf: Übellaunige Frauen können aufatmen, sie sterben nicht daran. Aber was ist mit uns Männern? Sterben wir daran, oder an unserer eigenen schlechten Laune – und am Ende ist das die Erklärung für die geringere Lebenserwartung der Männer? (Sicherheitshalber: Diese Frage ist nicht ganz ernst gemeint).

  10. #10 miesepeter3
    15. Dezember 2015

    @ Jürgen Schönstein

    Ich kenne einige Leute, die ziemlich und chronisch krank sind und trotzdem glücklicher wirken (sind?), als einige Gesunde, die sich andauernd zum Affen machen, um gesund zu bleiben und somit ziemlich unglücklich wirken (sind?).
    Ist Glücklich/Unglücklichsein vielleicht doch mehr von der geistigen Einstellung abhängig, als von der Leistungsfähigkeit des Körpers?