Wenn am heutigen Samstagabend die Gewinnzahlen der amerkanischen Powerball-Lotterie gezogen werden, liegen mindestens 800 Millionen Dollar im Jackpot. Kein Wunder also, dass die Leute schon jetzt an den Lottokassen Schlange stehen; im Lauf des Tages werden es garantiert noch viel mehr. Und es ist auch sicher leicht nachvollziehbar, dass viele Spielerinnen und Spieler ihrer Rekord-Gewinnhoffung (selbst die diskontierte Sofort-Auszahlung geht noch knapp an 500 Millionen Dollar ran) durch den Kauf mehrerer Tippscheine besonders tragfähige Flügel geben wollen: Wer zehn Tipps abgibt, erhöht schließlich seine/ihre Gewinnchancen auf das Zehnfache. Simple Algebra. Oder?
Ehe ich den Gedanken ein wenig weiter verfolge, verlinke ich noch einmal auf einen ziemlich alten Artikel hier in meinem Blog, in dem ich mich schon einmal mit dem Lottospielen als “Armensteuer” (manchmal auch abschätzig “Dummensteuer” genannt) befasst habe und der sich auf eine einschlägige Studie der Carnegie-Mellon bezog: Why Play a Losing Game? Carnegie Mellon Study Uncovers Why Low-Income People Buy Lottery Tickets. Doch wenn solche Riesensummen locken – ist es wirklich “dumm”, mitzuspielen?
Spielen wir mal ein bisschen mit den Zahlen: Der Mindesteinsatz für Powerball beträgt zwei Dollar; die Gewinnsumme ist, wie schon gesagt, mindestens 800 Millionen Dollar; die Chance, das eine beliebige Zahlenkombination – 5 aus 69 sowie der “Powerball” als Zusatzzahl von 1 aus 26 – gezogen wird, liegt (habe ich nicht selbst nachgerechnet, hier verlasse ich mich auf die Angaben des Lottokonsortiums) bei 1 : 292.201.338. Man hat also, simpel ausgedrückt, eine Chance von eins zu 292 Millionen, um aus zwei Dollar 800 Millionen zu machen. Klingt irgendwie nach einem guten Deal: Eine kleine Chance, die aber durch die Größe des zu erwartenden Gewinns mehr als ausgeglichen wird.
Doch die Zahlen können verwirren: Die Wahrscheinlichkeit, die richtigen Zahlen zu tippen, ändert sich ja nicht mit dem potenziellen Gewinn; sie bleibt gleich, ob da nun 8 oder 800 Millionen Dollar zu holen sind. Anders als in manchen Tombolas, wo bei gutem Zuspruch auch mehr Preise ausgelobt werden, also vielleicht zehn Flugreisen statt fünf oder 20 Einkaufsgutscheine statt zehn, gewinnt beim Powerball immer nur eine Zahlenkombination richtig satt; die nachrangigen Preise sind immer die gleichen – eine Million Dollar für fünf Richtige (ohne Powerball-Zusatzzahl), 50.000 für 4 aus 5 plus Powerball-Zahl, und danach dann nur noch Kleingeld.
Doch die Frage, die mich ein bisschen mehr beschäftigt hat, ist die folgende: Ist es eine gute Strategie, die eigenen Chancen dadurch zu steigern, dass man vielleicht 10, 20 oder sagen wir mal sogar 100 Dollar in fünf oder zehn oder auch fünfzig Tipps kauft? Eine fünf-, zehn- oder gar fünfzigfach höhere Chance ist doch eindeutig besser, nicht wahr?
Davon abgesehen, dass es eigentlich nie eine sinnvolle Strategie – im Sinn einer rationalen Handlungsweise – sein kann, Lotto als Einnahmequelle zu spielen: Sich allein auf die Gewinnchancen zu konzentrieren, führt zu einem Trugschluss. Sicher, die werden mit jedem zusätzlichen Tipp größer, aber auch das Zehnfache von einer Zahl nahe Null bleibt immer noch eine Zahl nahe Null. Oder mit anderen Worten: Auch wenn die Chance zu gewinnen steigt, bleibt die Chance, nicht zu gewinnen, praktisch gleich.
Ich habe dazu mal einen bildlichen Vergleich angestellt: Die nachfolgende schwarze Fläche besteht aus 2162 mal 1352 Pixeln – naja, sie bestand jedenfalls beim Hochladen aus diesen rund 2,92 Millionen Pixeln (eigentlich wollte ich gerne 292.201.338 Pixel hier einbauen, aber die Ladezeiten wären grausam lange) – und nur eines dieser Pixel ist ein “Treffer”. Die Chance, per Zufall dieses richtige Pixel zu treffen, ist hier also schon hundert mal größer als den richtigen Tipp im Powerball-Lotto abzugeben. Der Einfachheit halber habe ich dieses Pixel weiß markiert und in der Mitte des schwarzen Rechtecks platziert (draufklicken und dann das Bild auf Originalgröße aufzoomen, sonst sieht man gar nichts):
Wie man sieht, ist das Rechteck immer noch schwarz. Doch was passiert, man nun die Zahl der “Gewinnpixel” verzehnfacht, also zehn solcher weißer Pixel im Bild unterbringt? Schauen wir’s uns an:
Und siehe da, das Bild ist immer noch – schwarz. Nicht mal ein bisschen grau.
Das Problem, dass wir Wahrscheinlichkeiten an sich und Veränderungen von Wahrscheinlichkeiten beziehungsweise Risiken nur ganz schlecht, wenn überhaupt einordnen können, wird immer wieder offensichtlich – praktisch jedes Mal, wenn wieder eine neue Studie Alarm schlägt, dass “A das Risiko von B um X Prozent erhöht” (ich habe jetzt einfach mal, zum besseren Verständnis, ein dazu passendes Blogpost bei Plazeboalarm verlinkt).
Aber nun doch nochmal zurück zum Super-Jackpot: es mag ja wenig sinnvoll sein, durch den Kauf einer oder mehrerer Handvoll von Powerball-Tippscheinen das Glück erzwingen zu wollen – die Chancen, den Einsatz ohne nennenswerte Gewinne zu verlieren sind praktisch die gleichen wie beim Mindesteinsatz. Aber lohnt es sich, den Mindesteinsatz zu riskieren? Das mag jeder für sich anders beurteilen – ich hab mir jedenfalls mal für zwei Dollar einen Tipp geleistet. Und sei es nur, damit ich einen Anlass hatte, diesen Beitrag zu posten…
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