Medien haben ja sonst eher eine kurze Aufmerksamkeitsspanne, und der Aufreger von gestern ist schnell vergessen, wenn morgen die nächste sprichwörtliche Sau durchs Dorf getrieben wird. Aber der Skandal um die Dieselmotoren von VW – genauer gesagt, um die Mogel-Software, die VW in seine Fahrzeuge eingebaut hatte – ebbt nicht ab. Dazu hat der Volkswagen-Vorstandschef Matthias Müller mit einem ziemlich peinlichen Radio-Interview (“wir haben nicht gelogen – wir hatten die amerikanischen Gesetze nicht richtig ausgelegt”) am Rand der North American International Auto Show in Detroit selbst tatkräftig beigetragen
Aber das war schon in deutschen Medien zu lesen und zu sehen, da will ich gar nicht weiter nachkarten. Doch aus den Reaktionen, die ich bisher aus Deutschland zu diesem Thema gehört habe, höre ich oft den Verdacht heraus, dass hinter dem Skandal ja doch nur die bösen Amis stecken, die sich auf diese Weise die lästige Diesel-Konkurrenz aus Europa und vor allem Deutschland vom Hals schaffen wollen. Das ist eine klassische Verschwörungstheorie und damit etwas, bei dem ich mich hier in meinem Blog ganz gerne beschäftige.
Im Kern laufen alle diese Theorien darauf hinaus, dass sich die amerikanischen Ermittler, auf Wunsch der US-Autoindustrie, auf den erfolgreichen Konkurrenten VW kapriziert und dort so lange gesucht hätten, bis sie was finden konnte, was sich zum Skandal aufmachen ließ. Und wie bei den meisten Verschwörungstheorien ist ein wahres Körnchen zu finden: Losgetreten wurde der Skandal tatsächlich im Auftrag des International Council on Clean Transportation – doch der ist, auch wenn er einen Sitz in Washington (DC) hat, keine amerikanische Organisation: Es gibt auch einen Sitz in Berlin. Finanziert wird diese nach amerikanischem Recht als gemeinnützig anerkannte Organisation von verschiedenen Klimaschutz-Stiftungen, darunter auch die European Climate Foundation und die William and Flora Hewlett Foundation.
Der ICCT hatte aber, wie mir Gregory Thompson erklärte, durchaus ein Augenmerk auf die als besonders umweltfreundlich angepriesenen Diesel-Pkw der deutschen Hersteller – vor allem im Hinblick auf die strengeren US-Standards. Es gab offenbar – hier verlasse ich mich auf die Auskunft Thompsons – schon einen Anfangsverdacht, dass sich diese auf dem Prüfstand ermittelten Werte stark von dem unterscheiden, was unter realen Straßenbedingungen aus dem Auspuff kommt. Der ICCT beauftragte daher Thompson, Professor für Ingenieurwissenschaft am Center for Alternative Fuels Emissions and Engines der West Virginia University, eine Stichprobe unter realen Verkehrsbedingungen durchzuführen. Der Bericht, den Thompson und seine Kollegen schließlich vorlegten, trat die Lawine los, die dann über Volkswagen herein brach (ich hatte hier schon mal kurz auf diesen Bericht hingewiesen).
Ab hier wird natürlich jeder echte Verschwörungstheoretiker kein Wort mehr von dem glauben, was mit Thompson zur Entstehung seines Berichts verriet: Welches Modell, welche Marke er und sein Team für die Stichprobe (die sicher auch erst mal dazu dienen sollte herauszufinden, ob sich die bisher nur bei Lastwagen üblichen Straßentests auch auf PKW ausweiten lassen) verwendeten, lag allein in ihrem Ermessen. “Wenn man sich im amerikanischen Markt umschaut, wer stellt da schon leichte Dieselmotoren für Personenfahrzeuge her? Niemand außer Jeep, so weit ich weiß.” So weit ich feststellen konnte, hat Chrysler (die Muttergesellschaft von Jeep) zwar einige Dieselmodelle im Sortiment, vor allem für den europäischen Markt – aber die Motoren dafür werden alle aus Europa geliefert, unter anderem auch von VW.
Dass sich Thompsons Team am Ende für einen VW Jetta (Bj. 2012) mit einem 2-Liter-Dieselmotor, einem Passat (2013) mit der gleichen Maschine, aber anderer Abgastechnologie sowie für einen BMW X5 entschied, habe nur daran gelegen, welche Dieselautos sie sich für diese Tests leihen konnten; eine Markenpräferenz habe es dabei nicht gegeben.
Im Bericht selbst werden die Fahrzeuge übrigens nicht nach Marke und Modell identifiziert: Der Jetta wurde zum “Testfahrzeug A”, der Passat zu “Testfahrzeug B”, und die Daten des BMW wurden dem “Testfahrzeug C” zugeordnet. Und Daten gibt’s in dem Paper, das bereits im Mai 2014 vorgelegt wurde, also runde 15 Monate, bevor der Skandal publik wurde, mehr als reichlich: insgesamt 54 Grafiken sind nötig, um all die Details zu illustrieren.
Doch das spannende Resultat dabei ist ja nicht nur, dass bei den beiden VW-Modellen die Stickoxid-Werte weit – teilweise fast um das 40-Fache – über den unter Laborbedingungen gemessenen Werten lagen. Ebenso aufschlussreich war, dass dies beim BMW nicht der Fall war. Mit Ausnahme der Überland-Teststrecke mit vielen Steigungen und Gefällen (auf denen ganz generell praktisch alle Fahrzeuge schlechtere Abgaswerte als unter leichteren Fahrbedingungene zeigen) hatte der BMW die US-Grenzwerte für Stickoxide eingehalten. Und das war das Tüpfelchen auf dem “i”, denn obwohl Thompson sicher ist, dass seine Daten solide und die Messmethode an sich zuverlässig ist, wäre die Studie wahrscheinlich als misslungen angesehen worden, wenn nur VW-Motoren getestet und dabei solche enormen Abweichungen von den Erwartungswerten beobachtet worden wären.
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