Um die erschreckende Verschwendung von Lebensmitteln geht es im US-Magazin National Geographic ja immer wieder mal. Das Problem an sich ist ja nicht neu, und in Frankreich führte es sogar zu einer gesetzlichen Regelung, die es den Händlern untersagt, unverkaufte Lebensmittel wegzuwerfen. Doch wenn man die Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe von National Geographic liest, wird einem bewusst, dass das Problem nicht nur am Ende der Vertriebskette entsteht: Zu viele Agrarerzeugnise werden gar nicht erst in die Vertriebskette aufgenommen, weil sie zu unansehnlich oder zu klein für automatische Erntemethoden sind, oder weil sie von Form und Größe her nicht kompatibel mit Verpackungsmethoden und -Formaten sind. Die Autorin Elizabeth Royte schätzt, dass etwa ein Drittel aller weltweit produzierten Nahrungsmittel verschwendet werden – genug, um zwei Milliarden Menschen zu ernähren, und absolut unvertretbar in einer Welt, wo 800 Millionen Menschen hungern. Und diese Verschwendung geschieht nicht etwa nur auf unseren mit zu großen Portionen gefüllten und bis weit übers Haltbarkeitsdatum hinaus vollgestopften westlichen Wohlstandskühlschränken: Die Autorin beschreibt beispielsweise den Fall eines Bauern in Kenia, der Bohnen, Erbsen und Brokkoli für den europäischen Markt anbaut – und jede Woche auf 40 Tonnen seiner Erzeugnisse sitzen bleibt, weil sie den ästhetischen Ansprüchen der Einkäufer nicht genügten.

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Kommentare (12)

  1. #1 user unknown
    https://demystifikation.wordpress.com/2016/02/19/letzter-wille/
    21. Februar 2016

    Wenn ein Kenianischer Bauer wöchentlich auf 40 Tonnen seiner Erzeugnisse sitzen bleibt, dann gibt es wohl in seinem Land keine zahlungskräftige Nachfrage, die es erlauben würde das Gemüse in der Fläche zu verteilen und zu verkaufen, nehme ich an, so dass es für ihn billiger ist das Zeug wegzuschmeißen. Eine Schweinezucht, die die Abfälle auffressen würde, hat er wohl auch nicht.

    Also wie könnte dieses Obst/Gemüse die Welt ernähren?

  2. #2 Jürgen Schönstein
    21. Februar 2016

    @ #1
    Das Problem besteht schon seit langem, darüber haben wir schon in meinem Geografiestudium (war in den späten 70-er und frühen 80-er Jahren) heftig diskutiert: Viele Anbauflächen in der 3. Welt werden nicht dazu genutzt, die lokale Bevölkerung zu versorgen, sondern um Erzeugnisse zu produzieren, die dann von den zahlungskräftigen Industrieländern abgenommen werden. Das ist erst mal pure Betriebswirtschaft und führt dann dazu, dass dort Feldfrüchte angebaut werden, die zwar in Europa (beispielsweise) begehrt sind – Kaffee wäre da wohl an erster Stelle zu nennen, aber eben auch Exportgemüse (Kenias Landwirtschaft wird von Großbetrieben dominiert) und sogar Blumen – aber eben nicht der Versorgung der lokalen Bevölkerung dienen. Der Haken ist auch, dass diese Waren a) verderblich sind und b) auf dem einheimischen Markt nicht unbedingt nachgefragt werden oder ohne die Kühltransport-Technik, die auf den Export zugeschnitten ist, diese Märkte gar nicht erreichen kann.

    Rechne einfach mal so: Wenn die Bauern 100 Tonnen von etwass produzieren müssen, damit sie 60 Tonnen verkaufen können, dann haben sie 40 Prozent ihrer Ressourcen (Land, Wasser, Düngemittel, Maschinen etc.) verschwendet. Im Idealfall haben sie zwar diese Ausschussrate in ihren Preisen einkalkuliert, aber dennoch sind diese vor allem in Kenia knappen Ressourcen für die Ernährung der lokalen Bevölkerung verloren. Wenn sie nun also nur noch 60 Tonnen anbauen müssen, weil sie dann auch alle 60 Tonnen verkaufen können, werden diese Ressourcen frei – und könnten beispielsweise dazu genutzt werden, Lebensmittel anzubauen, die auf dem einheimischen Markt nachgefragt werden.

  3. #3 user unknown
    https://demystifikation.wordpress.com/2016/02/19/letzter-wille/
    21. Februar 2016

    Bei Kakao oder Kaffee sind die Ausschüsse sicher nicht so hoch.

    Im Idealfall haben sie zwar diese Ausschussrate in ihren Preisen einkalkuliert,

    Ohne Zaubertrick, den sie uns dann verraten müssten, müssen die Ausfälle mittelfristig eingepreist sein. Wie sollen sie nun den Ausschuss von 40t vermeiden? In dem wir schrumpelige Gurken kaufen?

    Dann produzieren sie weiterhin 100t – der Anbau von lokal nachgefragten Gütern lohnt sich wahrscheinlich immer noch nicht. Die Investitionen gehen dahin, wo der größte Gewinn winkt.

  4. #4 Jürgen Schönstein
    21. Februar 2016

    @#3
    Verrätst Du mir, worauf Du raus willst? Wenn Dir der Lesetipp nicht gefällt, ignorier in. Und wenn Du findest, dass es ganz okay ist, dass ansonsten völlig einwandfreie Lebensmittel allein aus ästhetischen Gründen zum “Ausschuss” werden – bitte, Deine Entscheidung. Ich find’s zumindest ein Nachdenken wert.

  5. #5 rolak
    21. Februar 2016

    eines Bauern (..) jede Woche .. 40 Tonnen

    Das kann noch romantisch verniedlichend ‘Bauer’ bzw orijinool ‘farmer’ genannt werden? Bei kackfrech veranschlagten 10t/ha und (wohl illusorischen) drei Ernten/y wären das bummelig 500ha oder 5km². Da läßt ´Großgrundbesitz´ keinen vorbei.

    nicht etwa nur .. Wohlstandskühlschränke

    Na im Endeffekt dieses Beispieles ja doch – immerhin wird weißgottwo für hier produziert.

    Ansonsten: Mehr SchnippelPartys! Fördern, teilnehmen, mitsümmern (kann man nachlesen, ist NachLese) – erst wenn es von Einzelnen als normal angesehen und praktiziert wird, kann sich dergleichen insgesamt durchsetzen.
    Und Kleinvieh macht auch Mist: Letzte Woche gabs (ua) einen Blumenkohl – dessen Blatthülle und Strunk (mit ausgelösten Knochen etc ausgekocht) das Gros der Brühe des nächsten Eintopfes bildeten. Nur so zB. Mir wird regelmäßig ganz anders, wenn auf Märkten und in Läden kistenweise KohlrabiBlätter etc pp weggeworfen werden…

  6. #6 lindita
    21. Februar 2016

    Ich finde, der Westen sollte Afrika sanktionieren. Kein Fuss mehr darein setzen. Komplett isolieren, damit es sich erholen kann.

    Ich als Kind war mir immer dessen bewusst, dass in vielen Äpfeln auch Würmer drin sind. Der Biowahn in der West EU ist eine Farce (die Gurken sind mir zu stachelig, die Äpfel sind mir zu sauer, die Erdbeeren sind mir zu klein… bla bla)

    Ich frage mich auch, ob jemand den Verbraucher direkt um seinen ästhetischen Sinn fragt, oder es beschliesst ein Politiker in Brüssel. Und weil der Verbraucher krumme Bohnen nie zu Gesicht bekommt, wie soll er wissen, dass sie den “Gewöhnlichen” ebenbürtig sind? Wir werden stândig von oben regiert und selbst unser Sinn für Ästhetik wird durch irgendwelche Schlitze im Sieb einer Erntemaschine gepresst.

    Mich regt manchmal diese dümmliche Arroganz des Westens so auf. Wenn sie doch nur wirklich so dümmlich währe… sie ist ja kalkuliert, so dass selbst eine Publikation in National Geographic und das Durchkauen auf ZDF info oder ARTE oder sonstwo überhaupt nichts aber auch gar nichts ändern kann. Dermassen sind sich “die da oben” ihrer sicher. Oder sind “die da Oben” schon so vom System versklavt, dass sie selbst beim besten Willen nicht mehr daraus können.

    Es ist einfach nur schlimm die sogenannte “Freiheit”

    P.S. ich habe wieder mal meine pessimistische Phase, die geht auch wieder vorbei.

  7. #7 strahlenbiologe
    21. Februar 2016

    Was mich jetzt mal interessieren würde ist die “Schuldfrage”. ist es die Schuld der westlichen Konsumenten, die den 30-40% “Ausschuss” nicht haben wollen, oder die Schuld der lokalen Erzeuger, die keine Alternative zum Wegschmeissen finden. Meine Frage ist auch keine versteckte Anklage, es interessiert mich wirklich, denn aus meinem persönlichen Konsumverhalten lässt sich keine klare Antwort ableiten….

  8. #8 Anderer Michael
    21. Februar 2016

    Sehr erschreckend, was dort zu lesen ist. Ich möchte nicht übertreiben, ich bin keine Kriegsgeneration, meine Eltern schon, ich habe nie Hunger gehabt, meine Eltern durchaus. Lebensmittel wegzuschmeißen bedeutet für mich noch ein schlechtes Gewissen. Ich glaube, das haben die allerwenigsten. Es freut mich zu hören, wenn Teile der jüngeren Generation in dieser Beziehung den Älteren als Vorbild dienen können.
    Ich frage mich nur, wie ist das Problem zu lösen ? Aus den eigenen Garten nimmt man auch eine verschrumpelte und krumme Möhre, überlagerte Kartoffel pflanze ich ein und meistens wachsen zur Freude aller neue nach. Aber mal ehrlich im Supermarkt, dort die perfekten und da die wenig ansehlichen Produkte. Aktuell greifen fast alle, mich eingeschlossen, zu dem perfekten Produkt.

    Rolak: “Mir wird regelmäßig ganz anders, wenn auf Märkten und in Läden kistenweise KohlrabiBlätter etc pp weggeworfen werden…” Das ist richtig. Ich habe beobachtet, dass inzwischen dieser “Abfall”, den manche früher für Hasen oder Pferde mitnahmen, nicht mehr herausgegeben wird, aus “Hygienegründen”.

  9. #9 Omnivor
    Am Nordpol von NRW
    21. Februar 2016

    Es wird ja nicht nur diesen einen Großbetrieb/Exporteur geben. Wenn die alle ihren Überschuß auf den Markt drückten, würden die Preise sinken und wir wären Schuld am Untergang der Kleinbauern. Siehe Export von Hühnerteilen nach Afrika.

  10. #10 user unknown
    https://demystifikation.wordpress.com/2016/02/06/der-gutmensch/
    22. Februar 2016

    Es sind nicht nur ästhetische Gründe, die zur Normierung von Lebensmitteln führen. Wenn man eine Gurke hat, die in 2 Dimensionen gebogen ist, dann bekommt man genau diese eine Gurke in einen Karton. Gerade Gurken bekommt man dagegen 4 oder 5 nebeneinander in den Obstkarton und 2 Lagen übereinander, oder 3 oder 4, jedenfalls weiß man dann, dass soundsoviele Gurken pro Karton verpackt sind.

    Ansonsten ist für Obst und Gemüse ja zu konstatieren, dass man es als Verbraucher mit einem Zitronenmarkt zu tun hat, auf dem man wenig über die Qualität der Ware weiss. Auch die Oberfläche ist kein sicherer Indikator, aber besser als nichts und fast das einzige, was man hat, um sich zu orientieren. An Druckstellen wird das Obst schnell schlecht. Wulstige Kartoffeln lassen sich schlecht schälen – da hat man dann den Verschnitt in der eigenen Küche, wenn man fertig werden will, sonst muss man zum Kunstschnitzer werden.

    Auch die maschinelle Verarbeitung von Pflanzen führt sicher zu einem hohen Konformitätsdruck. Hier gilt oft Zeit ist Geld. Je schneller man zwischen Kröpfchen und Töpfchen entscheidet, um so billiger ist der Ausleseprozess. Statt einzelne Packungen zu öffnen und neu auszuwiegen wird dann eine ganze Packung weggeschmissen.

    Mir sind alle Vorschläge suspekt, die in die Richtung gehen ‘Iss Deinen Teller auf, in Afrika hungern die Kinder’. Und suspekt sind mir auch Vorschläge, die darauf hinauslaufen, die kapitalistische Wirtschaftsordnung in einzelnen Märkten fern der eigenen Betroffenheit zu suspendieren. Es ist ja ein verbreitetes Muster, dass man meint Probleme um so besser zu durchschauen, je weiter sie von einem weg sind.

  11. #11 Struppi
    22. Februar 2016

    Es ist Irrsinn Gemüse, dass auch in Europa wächst, in Afrika anzubauen.

    Dahinter stecken mit Sicherheit immer europäische Produzenten, die von den niedrigen Löhnen dort profitieren wollen und/oder wie es z.b. auch in Nordafrika ist, von den niedrigeren Standards für Grenzewerte von Düngerrückständen und Umweltschutzregeln.

    Das gleichzeitig die lokale Landwirtschaft von fruchtbaren Böden verdrängt wird, ist ein Skandal, der uns aber nicht zu interessieren scheint. Die genannten (einheimischen) “Bauern” werden verdrängt und profitieren sicher nicht von einem Export nach Europa.

    Und wenn der Transport von Brokkoli aus Afrika so günstig ist, dass trotzdem Gewinn gemacht werden kann. dann Wissen wir das jeder Artikel über Klimaveränderung eine Farce ist.

    Wer afrikanische Produkte kauft, die nur für den europäischen Markt produziert werden, ist ein Teil der Ursache an der Verelendung in Afrika.

  12. #12 zimtspinne
    27. Februar 2016

    Hatte edeka nicht kürzlich eine Kampagne, “hässliches” Gemüse in zweiter Reihe anzubieten?
    Was ist daraus geworden?
    Ich hätte das gekauft.
    Bin krumme, knorkelige Naturwerke gewohnt, bekomme ich in der Anbauzeit aus einem Nutzgarten.

    Muss aber gestehen, nach dem ganzen Winter bis Ende Januar Apfelversorgung einheimischer alter Sorten, war ich doch einfach froh, mal wieder eine Tüte Äpfel zu kaufen, die ich nicht erst inspizieren, mit dem Messer entwurmen etc muss, sondern einfach verschnabulieren kann.
    Aber geschmacklich alles fast identisch, kein Vergleich zu den alten einheimischen Apfelsorten.

    Auch die von Schärfe befreiten Radieschen und die extrasüß gezüchteten Ananas gehen mir gehörig auf den Keks. Möchte ich nicht haben.
    Die Verbrauchen haben aber scheinbar genau diese Vorlieben und deshalb werden solche absurden Zuchtziele festgelegt.

    Wächst denn Rosenkohl in Afrika überhaupt gescheit? Der braucht doch einen Frost auf dem Feld, um richtigen Geschmack zu entwickeln.
    Windergemüse in Afrika ist lächerlich. Kaufe ich nicht.