Um nicht wieder bezichtigt zu werden, in einem Blog mit der Rubrik “Politik” politische Themen anzusprechen, wollte ich meine Gedanken zu den Ereignissen in Clausnitz eigentlich für mich behalten. Aber da sie mir seit 24 Stunden nicht mehr aus dem Kopf gehen wollen, schreibe ich sie jetzt doch hin – schließlich bin ich fühle ich mich als Totalausländer immer irgendwie mit betroffen, wenn irgendwo Menschen alleine schon wegen ihrer Herkunft verachtet, bedroht oder ausgegrenzt werden (und das war, zumindest in jenen Jahren der Bush-Administration, als Deutschland nicht mit in den Krieg gegen Saddam Hussein ziehen wollte und plötzlich alles Deutsche als suspekt behandelt wurde, durchaus eine sehr persönliche Erfahrung). Doch was mich beim Betrachten der Bilder am meisten verstört, ist noch nicht mal der grölende Mob, und noch nicht mal dessen Missbrauch der einstmals durchaus ehrenwerten Feststellung, dass das Volk aus Menschen – also aus einem “wir” – besteht. Leider muss in so einem Volk ja auch Platz für Dumpfbacken und Ewiggestrige sein, selbst wenn man sich manchmal wünscht, dass sich das mit griffigen Lösungen ändern ließe… Auch das Bild vom Polizisten, der ein verängstigtes Kind mit Gewalt aus dem Bus zerrt, ist zwar erschreckend, aber angesichts dessen, was wir von der Staatsgewalt gewöhnt sind, nicht mehr überraschend genug, um als “unvorstellbar” zur Ausnahme deklariert zu werden. Die Erklärung der Polizei hingegen, dass die Flüchtlinge selbst schuld und daher auch Ermittlungen gegen sie notwendig seien, hätte ich vielleicht auf der Seite des Postillon (oder in den USA, der Onion) zu lesen erwartet…
Und das ist es, was mich am meisten erschreckt: Nicht die Akteure selbst, seien es nun die grölenden Dumpfbacken, die vermutlich nicht zu komplexerem Denken fähig sind, und noch nicht mal der Polizist, der seine Wut (vermutlich eher auf Flüchtlinge, die er beschützen muss, statt sich aufs entspannte Wochenende vorzubereiten, aber vielleicht doch sogar auf die Demonstranten – egal, Wut ist Wut) an einem kaum den Kinderschuhen entwachsenen Jugendlichen auslässt – die wissen’s vielleicht nicht besser, oder können nicht anders. Mich erschrecken die, die Zeit und Gelegenheit und eigentlich auch den ausreichenden Intellekt zum Nachdenken haben, und dennoch finden, dass das so sein muss. Und dass “wir”, das “Volk”, uns wehren müssen, weil ja sonst die Fremden unsere Werte gefährden. Welche Werte waren das nochmal? Toleranz, Gastfreundschaft, Besonnenheit, Hilfsbereitschaft, (nee, wohl nicht) Gewaltbereitschaft, Arroganz, Fremdenhass, Sturheit, Rechthaberei, vielleicht? Wenn solche Werte durch den Zuzug fremder Menschen gefährdet werden, dann kann ich nur sagen: Ja, bitte! Und bitte schnell!
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