Über „Werte“ wird derzeit so intensiv diskutiert wie seit Jahren nicht mehr. Die Krisen in der Welt und unser Umgang damit fordern unübersehbar eine Selbstvergewisserung in der Gesellschaft heraus, was denn „unsere Werte“ wirklich sind. Mit den üblichen Sonntagsreden und der rituellen Bemühung der „westlichen Wertegemeinschaft“ ist es zurzeit nicht getan.

Drüben bei GeoGraffitico beschäftigt sich Jürgen gerade auch mit unseren Werten:

„Welche Werte waren das nochmal? Toleranz, Gastfreundschaft, Besonnenheit, Hilfsbereitschaft, (nee, wohl nicht) Gewaltbereitschaft, Arroganz, Fremdenhass, Sturheit, Rechthaberei, vielleicht?“

Sind das „Werte“? Ist Fremdenhass ein „Wert“? Damit könnte man in eine Einführungsvorlesung in die philosophische Ethik einsteigen. Das erspare ich mir, aber auf ein paar Aspekte zum Wesen der Werte, die auch in der philosophischen Ethik immer wieder unter neuen und alten Gesichtspunkten diskutiert werden, will ich doch eingehen.

Mit der Ontologie der Werte ist es ein wenig so, wie mit der Ontologie mathematischer Entitäten, ohne den Vergleich überstrapazieren zu wollen. Hier wie dort gibt es Positionen, die eine objektive Existenzform der Werte (oder z.B. der Zahlen) annehmen, demzufolge Werte erkannt werden können und in kognitiv gehaltvollen Sätzen vorkommen können. Das „Gute“ ist dann eine Eigenschaft von Gegenständen (im allgemeinen Sinne) wie die Masse eine Eigenschaft von Elementarteilchen ist. Hier wie dort gibt es Positionen, die Werte (oder z.B. Zahlen) als Erzeugnisse menschlichen Handelns betrachten, bis dahin, dass sie einfach als subjektive Vorlieben oder historische Verkrustungen des Denkens gelten. Ohne uns Menschen und unser Tun gäbe des demnach keine Werte. Und hier wie dort gibt es Positionen, die das eine mit dem anderen auf mehr oder weniger kluge Weise in Verbindung miteinander bringen.

Um dieses Tableau rankt sich eine Vielzahl grundlegender ethischer Theorien, von der Tugendethik (die das Gute daran fest macht, ob der Handelnde tugendhaft ist) bis zum Utilitarismus (der das Gute an der Summe des Glücks oder des Nutzens einer Handlung für die Gemeinschaft festmacht – ein in Public Health verbreiteter Zugang insbesondere zur gesundheitsökonomischen Evaluation von Maßnahmen, aber das nur nebenbei).

In der Diskursarena, die damit aufgemacht ist, streiten sich die Philosophen seit Jahrhunderten. Ich habe natürlich auch kein Patentrezept, wie die Dinge aus einer höheren Sicht heraus zu beurteilen wären. Was nicht schlimm ist, weil es eh keinen Philosophie-Nobelpreis gibt. Aber dass sich die Philosophen streiten, zeigt, dass man über die Dinge diskutieren kann, dass es Gründe gibt, die für und gegen eine philosophische Position sprechen und auch für und gegen bestimmte „Werte“. Mit anderen Worten: „Werte“ sind dem vernünftigen Diskurs nicht entzogen. Selbst religiöse Fundamentalisten müssten einräumen, dass die „Werte“, die sie als gottgegeben (also als objektiv) betrachten, noch als solche erkannt werden müssen, mit allen Irrtumsmöglichkeiten des menschlichen Erkenntnisvermögens (diesen Punkt umgehen sie allerdings, indem sie die Offenbarung des Wortes Gottes für sich in Anspruch nehmen).

Wenn man dem Philosophenstreit mit seinen komplizierten Untiefen aus dem Weg gehen will, kann man etwas alltagsnäher Werte als verallgemeinerte Handlungsschemata, als Heuristiken, als konsentierte (und immer wieder strittige) Handlungsorientierungen ansehen. In diesem Sinne sind all die Dinge, die Jürgen in seinem Blog anspricht, „Werte“. Aber nicht alle sind unstrittig und erst recht nicht alle taugen als Normen des „guten“ oder auch nur gut begründeten „nützlichen“ Handelns.

Kommentare (83)

  1. #1 Alisier
    21. Februar 2016

    ” “Werte” sind dem vernünftigen Diskurs nicht entzogen.”
    Genau, und ich gehe noch ein Schrittchen weiter: wer sich auf eherne Werte bezieht, oder diese für möglich hält verliert massiv an Glaubwürdigkeit.
    Offenbarte Werte sind dann noch mal ein Fall für sich. Aus meiner Sicht ist es ganz klar antiaufklärerisch, kontraproduktiv und hochgefährlich, anzunehmen, dass es so etwas geben könnte.

    • #2 Joseph Kuhn
      21. Februar 2016

      “wer sich auf eherne Werte bezieht, oder diese für möglich hält verliert massiv an Glaubwürdigkeit”

      Warum? Wer sich darauf beruft, sollte nur nicht glauben, er hätte sie zweifelsfrei erkannt (und wenn, das rechtfertige, das auch von anderen zu verlangen). Sie für möglich zu halten, ist philosophisches Alltagsgeschäft, das einfach als “unglaubwürdig” abzutun, ist schlechte Philosophie, weil es eine Klärung der damit verbundenen Fragen suggeriert – Stichwort Philosophie-Nobelpreis.

  2. #3 Alisier
    21. Februar 2016

    Gut, ich stimme teilweise zu, und verspreche, in Zukunft etwas weniger radikal und kurz zu formulieren.
    Dennoch: welche ehernen Werte könnte man denn heutzutage für möglich halten, ohne sich der Lächerlichkeit preiszugeben?

  3. #4 rolak
    21. Februar 2016

    streiten sich die Philosophen seit Jahrhunderten

    Sind ja ganz schön zähe Hunde…

    ´Werte´ würde ich auch eher als Vorgabe sehen, deren Hochhalten eben für wert befunden wird, selbst wenn sie nur kontextbedingt, gesteuert oder zeitlich lokal zur Anwendung kommen. Um die jeweils ersten zu nehmen: Toleranz kann nicht alles bedingungslos tolerieren, angemessene Gewaltbereitschaft ist bei der Selbstverteidigung unbestritten von Vorteil.

    nicht alle sind unstrittig

    Was meinst Du mit ´unstrittig´ und welcher zB ist das Deiner Meinung nach, Joseph?

  4. #5 Alisier
    21. Februar 2016

    ……und “verliert an Glaubwürdigkeit” ist von “ist unglaubwürdig” zu unterscheiden.

  5. #6 Joseph Kuhn
    21. Februar 2016

    @ Alisier, @ rolak:

    Dass die Menschenwürde unantastbar sein soll, finde ich z.B. nicht lächerlich. Auch Gerechtigkeit, Freiheit, Toleranz etc. halte ich für ernstzunehmende Themen der ethischen Diskussion, ihr nicht? Dass Toleranz nicht alles tolerieren kann, versteht sich von selbst.* Prinzipien kennen Ausnahmen, oder anders gesagt, bei Prinzipien geht es immer auch um Anwendungsbedingungen. So neu und ungewöhnlich ist das ja nicht. Ihr würdet das Fallgesetz doch auch nicht als “lächerlich” betrachten, nur weil es in realen Anwendungsfällen nicht in Reinkultur zu beobachten ist.

    * Kleiner Nachtrag: Die Toleranz toleriert natürlich gar nichts, sondern Menschen, die Toleranz als Wert ansehen, tolerieren hoffentlich, was der Tolerenz wert ist. Und “selbstverständlich” ist das eigentlich auch nicht, sondern Toleranz ist als Wert so begründungspflichtig wie die konkrete Anwendung im Alltag.

  6. #7 Alisier
    21. Februar 2016

    Nun weiß ich nicht, ob wir nur aus Versehen aneinander vorbei reden, oder ob nicht doch ein bisschen Absicht dahintersteckt. Ich versuche es mal beim Suppe kochen zu entscheiden. Also, bis später.

  7. #8 Peter Eumel
    21. Februar 2016

    Meiner Meinung nach liegt der Haupt-Irrtum bei der ganzen Werte-Diskussion bei der absoluten Festsetzung von Werten.
    Werte sind zeit- und kulturabhängig.
    Zwar gibt es Werte, die sich im Laufe der sozialen Evolution gut bewährt haben und die auch heute noch Gültigkeit besitzen, aber sehr viele andere früher übliche Werte sehen wir heute als falsch an, wie z.B. die früher sehr stark verbreitete und kulturell geförderte Unterdrückung der Frau.
    Daher sind Werte auch immer eine maximale Konsens-Vorstellung einer Gemeinsachaft, die eben heute eher weltweit formuliert werden.

    • #9 Joseph Kuhn
      21. Februar 2016

      “Werte sind zeit- und kulturabhängig.”

      Das ist eine Sicht der Dinge, die durchaus gute Argumente für sich hat, und zwar umso mehr, je mehr es um ganz konkrete moralische Normen des Alltags geht, d.h. um Sitten und Gebräuche. Über die Rechtfertigung der Moral geht es in der Ethik, die Ethik ist die Theorie der Moral. Wenn alle Werte nur historisch kontingent sind: Hat demnach die Unantastbarkeit der Menschenwürde nicht mehr Anspruch auf Geltung als antike Werte wie Mut und Tapferkeit?

  8. #10 Anderer Michael
    21. Februar 2016

    Herr Kuhn, Sie schrieben:
    “Selbst religiöse Fundamentalisten müssten einräumen, dass die „Werte“, die sie als gottgegeben (also als objektiv) betrachten, noch als solche erkannt werden müssen, mit allen Irrtumsmöglichkeiten des menschlichen Erkenntnisvermögens (diesen Punkt umgehen sie allerdings, indem sie die Offenbarung des Wortes Gottes für sich in Anspruch nehmen).”

    Sind Sie sich da sicher? Wenn ich folgendes lese, kommen mir Zweifel:
    “Der Koran wurde nicht von Menschen geschrieben, sondern von Allah persönlich. Der Koran wurde nicht zu einer bestimmten Zeit geschrieben, sondern existierte schon immer bei Gott. Der Koran wurde nicht an einem bestimmten Ort geschrieben, sondern kam direkt vom Himmel, um auf Erden von einem Auserwählten Gottes gelesen, gelernt und aufgeschrieben zu werden. Der Koran ist vollkommen, nicht nur im Inhalt, sondern auch in Sprache und Stil. Der Koran hat sich nicht verändert. Die heute vorliegende Version geht zurück auf die Zeit Mohammeds selber und unterscheidet sich vom Original in keinem Buchstaben.”

    • #11 Joseph Kuhn
      21. Februar 2016

      Lesen Sie einfach noch mal die Bemerkung in der Klammer, die Sie so schön mitzitiert haben. Das gilt für alle Offenbarungsreligionen.

  9. #12 Alisier
    21. Februar 2016

    Anmerkung zwischendurch:
    Ich denke nicht, dass ich mich jetzt auch noch bei dieser Diskussion mit Islambashing auseinandersetzen möchte, zudem es dann doch wieder auf Moslembashing hinausläuft. Klammer zu.

  10. #13 Anderer Michael
    21. Februar 2016

    Alisier
    Ich zitiere den Altlinken Reinhard Mohr:
    ” Ich frage mich beim Thema Islam immer wieder, wo denn die linke Religionskritik bleibt. Die ganze Zeit wurde und wird der Papst und das Christentum bekämpft, aber den Iman lässt man in Ruhe. Wo bleibt die Kritik an dem patriarchalisch-chauvinistischem Gehabe, an Antisemitismus und all dem Anti-Aufklärerischen im Islam? Was ist mit der Rolle der Frau? Was ist mit den islamischen Parallelgesellschaften, in denen die Clan-Chefs ihre eigenen Gesetze aufstellen? Hier gibt es einen seltsamen linken Multi-Kulti-Bonus, und man weigert sich, die Probleme überhaupt nur wahrzunehmen. …..
    Natürlich gibt es rechtsradikale Islam-Feinde und Fanatiker, die ihre Kritik völlig überziehen. Wenn man aber jede Kritik am Islam, also auch die Religionskritik und die Kritik an der Unterdrückung der Frauen, mit dem Dampfhammer-Begriff Islamophobie denunziert, dann gibt es kein geistiges Instrumentarium mehr, um die Staaten zu kritisieren, in denen der Islam Staatsreligion ist. Hier fehlt mir die Genauigkeit und die Kritikfähigkeit an Herrschaftsstrukturen, die ansonsten die Linken auszeichnet. ”
    Desweiteren verweise ich auf das Zitat zur P.C. von Hartmut Krauss, welches ich bei der genannten Diskussion auf Geograffitico angeführt habe, er sprach auch von der “Errichtung wahrheitswidriger Tabuzonen”. Das sind jedenfalls nicht meine Werte (die Punkte, die die beiden Herren ansprachen und kritisierten).

    Ich sehne mich nach den Linken meiner Jugendzeit, gibt es die noch?

    • #14 Joseph Kuhn
      21. Februar 2016

      “Ich sehne mich nach den Linken meiner Jugendzeit, gibt es die noch?”

      Das hängt davon ab, wie alt Sie sind. Aber wenn ich noch einmal an das Thema des Beitrags erinnern darf: Es geht hier eigentlich um das Wesen von Werten, nicht darum, ob der Islam die Aufklärung verschlafen hat und deswegen gerade mehr Probleme in die Welt trägt wie christliche Fundamentalisten oder die Anhänger von Konfuzius.

  11. #15 Alisier
    21. Februar 2016

    Ok, ich bin erst mal raus. Keine Lust auf den schon zig mal wiedergekäuten Mist. Wenn es dann wieder um Werte geht, komm ich wieder.

  12. #16 Alisier
    21. Februar 2016

    @ Joseph Kuhn
    Zum Fallgesetz: Werte mit einem Naturgesetz zu vergleichen (falls das gemeint war) halte ich für nicht angebracht.
    Fangen wir mit der Würde an: erstens hat es recht lange gedauert, bis dergleichen überhaupt seinen Weg in menschliche Gemeinschaften gefunden hat, und dann darf man auch die sehr unterschiedlicher Meinung sein, was “Würde” denn nun genau ist.
    Und begründungspflichtig, oder wenigstens diskussionswürdig ist z.B. auch, wieso man die Forderung nach Würde nicht über Homo sapiens hinaus ausdehnen sollte. So ehern scheint mir das nicht zu sein.
    Kurz zur Freiheit: was Menschen darunter verstehen ist so dermaßen unterschiedlich, dass ich aus dem Stegreif nicht behaupten möchte, es herrsche auch nur halbwegs Konsens darüber, was das genau ist.
    Das gilt auch für Gerechtigkeit, denn auch darunter verstehen Menschen sehr Unterschiedliches.
    Als von ehern kann da alleine wegen der Definitionsschwierigkeiten und erheblicher kultureller Unterschiede eher keine Rede sein.

    • #17 Joseph Kuhn
      21. Februar 2016

      Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was ich darauf antworten soll. Höchstens Deine Frage von oben zurückgeben: “Nun weiß ich nicht, ob wir nur aus Versehen aneinander vorbei reden, oder ob nicht doch ein bisschen Absicht dahintersteckt.”

  13. #18 rolak
    21. Februar 2016

    finde ich z.B. nicht lächerlich

    Nun, das Hochhalten bestimmter Werte ist sicherlich nicht per se als lächerlich eingestuft worden, Joseph, das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unnötige KurzAuflisten möglicher Ausnahmen sollte nur umwegslos und theoriearm zeigen, was mir bei Deiner Frage aus dem post als Bedeutung von ´unstrittig´ zuerst vor Augen stand.
    Deswegen auch die Übernahme der Form “Die Wanderniere aus Zimmer 17”.

    So halte ich die Menschenrechte zwar für zwingend erforderlich, doch nicht für einen Wert an sich, sind sie doch eher eine Art GesetzesSammlung

  14. #19 Alisier
    21. Februar 2016

    Ok, wahrscheinlich brauchen wir rolak als Vermittler. Zumindest hast du jetzt eine Ahnung, wie ich mich vorhin fühlte, Joseph.

  15. #20 Peter Eumel
    21. Februar 2016

    @ Joseph Kuhn
    “Wenn alle Werte nur historisch kontingent sind: Hat demnach die Unantastbarkeit der Menschenwürde nicht mehr Anspruch auf Geltung als antike Werte wie Mut und Tapferkeit?”

    Meiner Meinung nach sind alle Wertvorstellungen mit der sozialen und zivilisatorischen Evolution der Menschen entstanden. So gesehen gilt für uns heute nur noch das, was wir noch von alten Werten heute noch für verwertbar halten.
    In meiner persönlichen Werteskala steht die Achtung der Menschenwürde über der Tugend und der Tapferkeit. Aber das setzt wohl jeder seine Präferenzen etwas anders.

  16. #21 Anderer Michael
    21. Februar 2016

    Herrn Kuhn, die Klammer habe ich wohl gelesen. Aber so pauschal stimmt es nicht, vermute ich mal. Ich will keineswegs die christlichen Kirchen verteidigen. Ihr Wirken war mit Sicherheit nicht immer segensreich, sondern eher fatal für die Betroffenen. In der Sicht auf die Offenbarung gibt es deutliche Unterschiede.
    Deswegen zitiere ich einen Text von Ohlig:

    “Für Juden (und Christen) dokumentiert das „Alte Testament“ das Heilshandeln Gottes an Israel (für Christen: auf Jesus hin); „Ort“ der Offenbarung ist das Volk Israel, die „Schrift“ legt nur – sekundär – davon Zeugnis ab. Ähnlich ist im Christentum Jesus selbst die Offenbarung Gottes, sein „Wort“ in die Geschichte hinein, die neutesta­ment­lichen Schriften sind nur indirekt kanonisch, insofern sie Zeugnis von Jesus geben. Für Mus­lime aber ist das Buch selbst, der Koran, „die“ Offenbarung Gottes, Mohammed „nur“ der Verkünder, er selbst, in seinem Leben und Wirken, hat zwar Vorbildcharakter, aber nicht mehr.
    Dies bedeutet, dass Juden und Christen mit ihren heiligen Büchern freier umgehen können; sie können sie auf die Geschichte Israels oder auf Jesus hin lesen und interpretieren, Zentrales vom Periphären unterscheiden; der Wort­laut ist nur sekundär von Bedeutung. Im Islam aber ist der Wortlaut des Koran göttliche Offenbarung (Verbalinspiration), ihn – etwa auf eine Mitte hin – oder „kontextuell“ zu inter­pretieren, wäre eine Verletzung der Offenbarung und des Willens Gottes. Deswegen ist es sehr schwierig, Texte im Koran, die archaische oder auch ethisch problematische Überlieferungen referieren, als zeitbedingt und deswegen nicht im Wortlaut gültig zu verstehen.

    Weiteres Zitat von Leo Tanner:
    “Für die Betrachtung der katholischen Kirche würde dies vergleichsweise heissen, von der Bibel, den geschichtlichen Entwicklungen und den neuen offiziellen Dokumenten (den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils sowie des Katechismus der Katholischen Kirche) auszugehen.
    Der islamische Glaube gründet in erster Linie auf dem Koran sowie in zweiter Linie auf der Überlieferung, den sogenannten Hadithen. Die Hadithen beinhalten viele Worte und Taten Mohammeds. Die Lebensweise des Propheten, auf Arabisch auch «Sunna» (sunna= gewohnte Handlung, Brauch) genannt, ist bis heute für jeden gläubigen Muslim Richtschnur und Vorbild, dem er möglichst getreu nacheifert. Mohammed war nicht nur Prophet, indem er Botschaften von Allah empfing und diese weitergab, sondern sein ganzes Leben gilt als Botschaft Gottes. Den Gläubigen gab die möglichst getreue Nachahmung Mohammeds die Gewissheit, dass sie richtig vor dem Angesicht Allahs lebten. So gilt neben dem Koran die Sunna, der Lebensweise des Propheten als die zweitwichtigste Quelle des islamischen Rechts.”

    Das dritte Zitat stammt vom Konzil 1968.
    “Das Wort Gottes geht der Bibel voraus und über die Bibel hinaus“.

    Ob einem das passt oder nicht, so ist es eben. Die Grundlage der Interpretation der Offenbarung ist bei der katholischen Kirche nicht nur ein alter sprachlich unverständlicher Bibeltext, der 1 zu 1 umgesetzt werden muss. Damit will ich nicht sagen, dass das was dabei formuliert wird, unumstößlich und über jede Kritik erhaben ist. Im Islam ist das nahezu unmöglich (wie bei den Christen früher auch) Auch manche neuzeitliche islamische Theologen sehen dieses Verständnis in ihrer Religion kritisch.

  17. #22 Anderer Michael
    21. Februar 2016

    Entschuldigung Herr Kuhn. bei 14
    Sie haben zum Thema natürlich recht, aber es ist halt meiner Meinung nicht richtig was Sie gesagt haben. Aber zum Thema Islam schweige ich nun. Ihren Kommentar 14 habe ich erst nach Abschicken von 21 gelesen. Zur Not löschen Sie 22 und den jetzigen einfach.

  18. #23 Anderer Michael
    21. Februar 2016

    Pardon, ich meinte Löschen meiner Kommentare von 21 und 22

  19. #24 Alisier
    21. Februar 2016

    @ Anderer Michael
    Nur, um dir das noch mal deutlich zu machen: Ich kann mit Religionen und sonstigen Ideologien, ob mit rechts oder links gelabelt, nicht nur gar nichts anfangen, sondern ich gehe regelmäßig in die Vollen um sie möglichst sauber auseinanderzunehmen.
    Wenn aber Menschen konkret angegriffen werden, ist Schluss. Da stelle ich mich dann auch mal vor einen Rechtsradikalen, wenn einige wilde Antifas sich nicht einkriegen (Die Beule spüre ich immer noch).
    Ich habe übrigens große Schwierigkeiten, zu verstehen, was daran so schwer sein soll, zwischen dem Menschen, und dem, was er glaubt, zu unterscheiden. Ich denke, dass wir das hinkriegen müssen.

  20. #25 Anderer Michael
    21. Februar 2016

    Alisier.
    Ich hatte die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass ich mich in der Beurteilung deiner Person irre. Respekt und Anerkennung für deinen Mut, ob ich denn wirklich gehabt hätte, mit dem Mund bestimmt. Ich werde künftig pauschale Lagerzuweisungen sein lassen, inhaltlich möchte ich aber auch in die Vollen gehen, allerdings auf andere Weise. Es ist umgekehrt aber auch nicht schön, Schimpfwörter zu lesen oder einfach nur Vorverurteilungen.

  21. #26 Anderer Michael
    21. Februar 2016

    Alisier
    Pardon, ich wünsche selbstverständlich gute Besserung und bitte aufpassen !

  22. #27 Joseph Kuhn
    21. Februar 2016

    @ Anderer Michael:

    “Dies bedeutet, dass Juden und Christen mit ihren heiligen Büchern freier umgehen können”

    Heute ja, aber die historisch-kritsiche Methode hat auch in der Bibelexegese keine lange Tradition und für die Zeugen Johovas steht die Sonne bis heute still. Aber ich will jetzt nicht selbst anfangen, Öl ins Feuer einer OT-Diskussion zu gießen. Lassen wir das also einfach dahingestellt sein.

    @ Alisier:

    “Ich denke, dass wir das hinkriegen müssen.”

    Ein “eherner Wert”?

    @ Peter Eumel:

    “In meiner persönlichen Werteskala steht die Achtung der Menschenwürde über der Tugend und der Tapferkeit. Aber das setzt wohl jeder seine Präferenzen etwas anders.”

    Und würden Sie sagen, Ihre Präferenz ist vernünftig begründet oder einfach nur als brute fact da – und genauso vernünftig oder unvernünftig wie wenn Sie die Achtung der Hundewürde vorziehen würden? Oder die der arischen Rasse?

  23. #28 Alisier
    21. Februar 2016

    @ Joseph Kuhn
    Nein, eben kein eherner Wert, sondern lediglich die Annahme, dass es wohl nötig ist. Gegenargumente sind ausdrücklich erwünscht.
    Jeder eherne Wert klingt mir immer viel zu sehr nach Angst vor Benediktschem Werterelativismus.
    Wir müssen reden. Vielleicht ist das eine Überzeugung, aber eben dennoch noch weit entfernt von einem ehernen Wert.

    • #29 Joseph Kuhn
      21. Februar 2016

      “Vielleicht ist das eine Überzeugung”

      Als einfache “Annahme” kam mir das nicht vor, fände ich auch schade. Zu seinen Überzeugungen sollte man stehen. Warum also das “vielleicht”? Und wenn Dir viel an dieser Überzeugung liegt (was hoffentlich der Fall ist), warum “weit entfernt von einem ehernen Wert”? Richtig ist, dass man für seine normativen Überzeugungen gute Gründe haben sollte, und zwar je bessere, je fester man daran hängt, siehe oben im Blogbeitrag.

      Werterelativismus: Ja, den finde ich problematisch, warum wohl?

  24. #30 Alisier
    21. Februar 2016

    @ Joseph Kuhn
    Ich denke schon, dass wir da Dissens haben.
    Zu den Überzeugungen stehen, ja. Die Überzeugungen für unveränderbar halten, nein. Deswegen auch das “vielleicht”, weil ich mich gegen die übliche Annahme einer grundsätzlichen Unveränderbarkeit von Überzeugungen verwahren möchte.
    Und es scheint mir wichtig zu sein, dass Überzeugungen als an Menschen gebunden angesehen werden und so fehlbar sind wie die Menschen selbst.
    Selbst beste Gründe können sich in neuem Licht als Fehleinschätzung herausstellen, und da bin ich dann gnadenloser Popperianer.
    Das Wort “Werterelativismus” wurde zumindest in den letzten Jahren als Kampfbegriff missbraucht, und gegen die Idee, dass man eherne Werte braucht möchte ich mich wirklich wehren. Wer nicht in Betracht zieht, dass er sich in seiner Einschätzung aber auch sowas von irren könnte, ist mir nicht ganz geheuer.
    Dass es gut ist, wenn wir vorläufig fest zu Entscheidungen und Positionen stehen, solange die Begründungen überzeugend sind, diese Einschätzung teile ich.
    Aber Veränderungen in den Denk- und Handlungsweisen sind die Basis einer stabilen Gesellschaft, aus meiner Sicht. Da sind dann zu feste, unveränderbare Werte zuweilen eine ganz schöne Last.

    • #31 Joseph Kuhn
      21. Februar 2016

      “Zu den Überzeugungen stehen, ja. Die Überzeugungen für unveränderbar halten, nein.”

      Sorry, auf diesen wirklich unnötigen und dummen Strohmann steige ich nicht ein. Ich habe meinen Blogbeitrag doch nicht Chinesisch geschrieben.

  25. #32 Peter Eumel
    21. Februar 2016

    @ Joseph Kuhn
    “Und würden Sie sagen, Ihre Präferenz ist vernünftig begründet oder einfach nur als brute fact da – und genauso vernünftig oder unvernünftig wie wenn Sie die Achtung der Hundewürde vorziehen würden? Oder die der arischen Rasse?”
    Sie sollte immer vernünftig begründet werden und im Einklang mit der Wissenschaft stehen, aber auch Rücksicht auf etliche sich jahrhundertelang bewährte Werte nehmen. Aber da jeder seine eigenen Erfahrungen gemacht hat, kann es durchaus sein, daß einige meiner Wertvorstellungen nicht kongruent zu den Wertvorstellungen einer Mehrheit sind.

    • #33 Joseph Kuhn
      21. Februar 2016

      @ Peter Eumel: Mit der Rücksicht auf jahrhundertelang bewährte Werte ist das so eine Sache, das beißt sich ja auch mit Ihrem ersten Satz, ansonsten d’accord.

  26. #34 Anderer Michael
    21. Februar 2016

    Selbstverständlich übersteigert das Thema meinen Horizont, so dass ich in erheblichen Umfang nachlesen muss. In den Fall UTB Handwörterbuch Philosophie usw.
    Unter Wert las ich folgendes.
    “Mit dem Sammel- und Einheitsbegriff ›Wert(e)‹ werden im Allgemeinen grundlegende, konsensuelle Zustimmung einfordernde, gleichermaßen normierend und motivierend wirkende Zielvorstellungen, Orientierungsgrößen und Qualitäten bezeichnet, die – weil sie sich mit Bezug auf anthropologische Grundkonstanten als unabdingbar oder mit Blick auf kontingent (historisch, situativ, kulturell) bedingte Bedürfnis- und Handlungskontexte als zuträglich erwiesen haben – auch tatsächlich angestrebt und gewünscht werden, sodass sich Individuen und Gruppen von ihnen bei ihrer Handlungswahl und ihrer Weltgestaltung leiten lassen.”
    Ich interpretiere es dahingehend, dass Wert zunächst mal einen positiven Inhalt hat, demzufolge nicht alle Werte, die Herr Schönstein anspricht (und von ihm auch nicht so gemeint sind) Werte in unserem Sinn, Beispiel Gewaltbereitschaft sind(haben vielleicht die Wikinger anders gesehen).
    Nehme ich nun Heideggers Fundamendalontologie und seine Frage nach Sinn von Sein überhaupt, also dem Sinn von Sein der Werte, bin ich ehrlich zunächst ratlos. Soweit verstanden wird, in der Ontologie auch nach der Notwendigkeit des Seins gefragt. Hier hilft ev. Hartmann´s Vorstellung von der idealen Seinssphäre als das Sein der Wesenheiten und die Werte zu ihren Inhalt. Also die ideale Seinssphäre könnte die Vorstellung des Naturrechtgedanken sein und die Werte zu diesem Inhalt füllen wir mit unseren daraus resultierenden Vorstellungen von Menschenwürde. Diese Inhalte, bzw was ist Menschenwürde, ist im Prinzip in Europa/UNO unstrittig. Und jetzt werde ich politisch, unsere Inhalte sind nicht verhandelbar und müssen auch nicht anderen Kulturen oder Definitionen weichen. Europa hat hart darum gekämpft. Eherner Wert ist der falsche Ausdruck, sie sind mehr als eine Loseblattordnung von Gesetzen. Der Weg zur Verwirklichung,die genaue Definition da mag man streiten. Aber nicht um das “Sein” des Wert als Ausdruck von Menschenrechten. Zwar ist der Naturrechtsgedanke so nicht mehr aktuell. Aber als Grundmaßstab könnte er immer noch gelten, wie sollten wir sonst Unversehrtheit des Körpers oder Freiheit begründen wollen

    • #35 Joseph Kuhn
      21. Februar 2016

      “Ich interpretiere es dahingehend, dass Wert zunächst mal einen positiven Inhalt hat, demzufolge nicht alle Werte, die Herr Schönstein anspricht (…) Werte in unserem Sinn (…) sind”

      Guter Punkt, da habe ich im Blogbeitrag zu oberflächlich formuliert. “Fremdenhass” ist beispielsweise sicher keine Wertorientierung, die gemäßigte AfDler vertreten. Auch so manche, die objektiv Fremde ablehnen oder hassen, folgen subjektiv vielleicht anderen Normen. Viele Rechtsradikale vertreten “Fremdenhass” dagegen bewusst als – aus ihrer Perspektive gesehen – “positiven Wert”. Darum muss man über Werte streiten, ihre Begründung einfordern, darum ist Werterelativismus ein Problem. Eine Lektüreempfehlung dazu ist das Buch von Raphael Gross: Anständig geblieben. Nationalsozialistische Moral. Frankfurt 2010, oder – für Sie als Arzt vielleicht noch einschlägiger – die Dissertation von Florian Bruns: Medizinethik im Nationalsozialismus. Stuttgart 2009.

  27. #36 Alisier
    21. Februar 2016

    Wenn “unsere Inhalte”(wieso eigentlich “Inhalte”?) nicht verhandelbar sind, sollten wir uns vielleicht erstmal darüber unterhalten, was diese “Inhalte” beinhalten. Und dann müsste irgendwie eine halbwegs saubere Begründung gefunden werden, die erklärt, wieso diese Inhalte nicht verhandelbar sein sollen.
    Was den Rest deines Textes anbelangt, Anderer Michael, puh……da ist Kraut und Rüben wenig dagegen.
    Heidegger da noch reinbringen zu wollen ist definitiv zu viel. Etwas kürzer und präziser wäre nicht schlecht gewesen.

  28. #37 Alisier
    21. Februar 2016

    @ Joseph Kuhn
    Es war nicht als Strohmann gedacht. Tut mir leid, dass es so rüberkam. Warum wir hier in Missverständnissen waten, kann ich noch nicht ergründen. Vielleicht finden wir es noch raus.

  29. #38 Anderer Michael
    21. Februar 2016

    ” da ist Kraut und Rüben wenig dagegen(1).”
    Das glaube ich gerne, nach dem heutigem Tag auch in meinem Kopf.
    Kurz und präzise: Meiner Meinung nach sind unsere Werte die Menschenrechte, ich nehme als Beispiel die Europäische Menschenrechtskonvention und dort Verbot der Sklaverei/Leibeigenschaft. Dieses Verbot ist der Inhalt eines Wertes, auf der ganzen Welt unstrittig (im Prinzip). Zu begründen philosophisch wird mir mangels Kompetenz nicht gelingen. Aber mir leuchtet es ein, dass aufgrund des Umstandes ein Mensch zu sein, ein solcher kein Sklave sein darf. Wie soll man dieses verhandeln?
    Nicht so einfach ist Meinungsfreiheit und da stelle ich nun fest, dass meine bisherige Begründung /Vorgehensweise auf tönernen Füßen steht. Die wird überall etwas anders definiert. Und ein hiesiges Beispiel. Die Leugnung des Holocaust ist strafbar, wieso nicht auch der Holodomor ?. Letztendlich nimmt man nur die Entscheidungen des BGH, es endet in einer riesigen Loseblattsammlung. Meinungsfreiheit gehört zu den Freiheitsrechten. Verbot der Sklaverei zu den Persönlichkeitsrechten,diese sind in ihrer Gesamtheit einleuchtend und auch im Detail eindeutig.
    Für heute belasse ich es einmal, dass zumindestens die Persönlichkeitsrechte eindeutig in Ihrem Inhalt sind und als Wert nicht verhandelbar.

    1 Danke für die nette Kritik.

  30. #39 ralph
    22. Februar 2016

    “…etwas alltagsnäher Werte als verallgemeinerte Handlungsschemata, als Heuristiken, als konsentierte (und immer wieder strittige) Handlungsorientierungen ansehen. ”
    Oh ja alltagsnah, heuristisch und pragmatisch, das wäre schon schön!
    Von konstruktiven Vorschlägen anlässlich aktueller Probleme und Vorgänge wage ich ja gar nicht zu träumen. Also diskutieren wir lieber theoretisch, nicht wahr.
    Weil ich viel zu wenig Ahnung von Philosophie habe, frag ich mal ganz dumm: hat nicht Kant mit seinem K.I. einen nachvollziehbaren einfachen Rahmen für jegliche Art von Werten vorgegeben, oder bringe ich da was durcheinander?
    „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
    Klar, die Antwort wird in Sachsen Bayern oder Hamburg unterschiedlich ausfallen, sie wird in Hamburg Blankenese oder St. Pauli etwas anders ausfallen und sie hängt von den Umständen des jeweiligen Zeitpunkts ab, auch den überregionalen oder globalen Kontext darf man aber nicht vergessen…
    Man wird sich immer streiten können, wie schön.

    „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
    Ein ganz naiver Gedanke: könnte man sich nicht so manches Gesetz sparen, falls man diese Maxime als Paragraph 1 der Gesetzgebung (ähnlich der Straßenverkehrsordnung) allen anderen Abwägungen voranstellte?

    • #40 Joseph Kuhn
      22. Februar 2016

      Mit Kant führen Sie einen weiteren wichtigen Ansatz der philosophischen Ethik ein, die Deontologie (Pflichtenethik). Durch seine formale Struktur wird der kategorische Imperativ oft als universell gültig betrachtet.

      Als Maxime der Gesetzgebung vorangestellt, würde er aber so wenig Detailvorschriften sparen wie die Verfassung oder die 10 Gebote.

  31. #41 Dr. Webbaer
    22. Februar 2016

    ‘Werte’ sind Setzungen; in denjenigen Systemen, die den Ideen und Werten der Aufklärung folgend gesellschaftlich implementieren konnten, gibt es dann bestimmte Werte.
    Auch ‘Fremdenfeindlichkeit’ könnte ein Ingroup-Wert sein, ist es aber im Aufklärerischen nicht.


    Werte haben also einen Geltungsbereich, Gruppen meinend, sie werden durch einen (gerne auch: bewussten) Glaubensentscheid was Ideenmengen, bspw. die Aufklärung, den Islam oder die Despotie sind Ideenmengen – es sind oft Herrschaftssysteme, betrifft, individuell angenommen.
    In “westlichen” Gesellschaften gibt es insofern einen nie endenden Diskurs über Werte, in anderen Gesellschaften ist dieser aber oft nicht gewünscht.
    In “westlichen” Gesellschaften kann so bspw. sogar noch der Kollektivismus (Sozialismus und so) beworben werden, wohlgemerkt innerhalb des Werte-Konzepts der Aufklärung, auch wenn dem das “Sapere aude!” direkt entgegensteht, kann der französischen Linie der Aufklärung folgend derart weiterhin halbwegs systemkonform versucht werden.

    MFG
    Dr. Webbaer

  32. #42 Ingo
    22. Februar 2016

    Das Problem der Werte scheint im Augenblick zu sein, dass manche (zu viele) Leute denken, dass Werte nur so lange gelten wie man keinen Nachteil dadurch hat.

    Frei nach dem Motto: Hilfsbereitschaft gerne,- aber wenn ich etwas dafuer bezahlen muss dann doch nicht.

    Genau das aber sind Werte nicht.
    Man handelt nach Werten oder man handelt nicht nach Werten.

    An diesen Punkt ist meine Bewunderung fuer unsere Kanzlerin gestiegen.
    Sie riskiert ihre politische Karriere weil sie eben Werte hat. Im Zweifelsfall ist es ihr wichtiger nach Werten zu handeln als das Amt zu behalten. (Schliesslich merkt sie, dass ihre Zustimmung (leider) schwindet,- sie ist ja nicht bloed)

    Und an genau der gleichen Stelle ist mein Respekt fuer Horst Seehofer stark gefallen. Er sieht, dass er eine Changse hat mehr Waehlerstimmen zu bekommen, wenn er Hilfsbereitschaft an die Bedinung kuepft, dass es nicht viel kosten darf.
    Das ist kein wertorientiertes Handeln.

    Schlusswort:
    Werte sind eben NICHT relativ zur aktuellen LAge zu sehen,- sondern Werte sind absolut.

  33. #43 Dr. Webbaer
    22. Februar 2016

    @ Ingo :

    Werte sind eben NICHT relativ zur aktuellen L[a]ge zu sehen[]- sondern Werte sind absolut.

    ‘Werte’ sind vom Tagesgeschehen und der Tagespolitik losgelöst (“absolut”), sie sind aber abhängig von einem Wertesystem, das idR als Ideenmenge wie weiter oben beschrieben individuell angenommen worden ist.

    Ihr Kommentatorenfreund erlaubt sich ursisch-zynisch anzumerken, dass die erste Frau im Staate BRD eher für Pragmatismus bekannt ist, dass ein Wert, dem sie womöglich zuvörderst anhängt, das eigene Fortkommen sein könnte, wobei sie sich bei der Einwanderungsfrage, zuvörderst: außereuropäische Muslime betreffend, europäisch und mittlerweile wohl auch bundesdeutsch isoliert bis vertan haben könnte, die sozial-politische Akzeptanz meinend, die ihr Amt als Mandatsträger sicherstellt.

    MFG
    Dr. Webbaer

  34. #44 Ingo
    22. Februar 2016

    @Dr Webbaer #42:

    Mag sein, dass ich mich taeusche,- wenn ich sage, dass Frau Merkel ihre Werte ueber ihre Karriere stellt, und sie sich in Wirklichkeit nur “vertan hat”, und die Zustimmung zu ihrer Politik falsch eingeschaetzt hat (so lese ich Ihren Kommentar).

    Ich sehe natuerlich auch, wie die gleiche Bundeskanzlerin dann in die Tuerkei faehrt um dortige Schreihaelse zu bitte die Grenze abzuriegeln,- damit sich das Problem weit weg erledigt. (ich wiederhole mich da,- weil ich dass schon in irgendeinen anderen Kommentar gesagt hatte)

    Es geht hier aber nicht um Frau Merkel, sondern um absolute(!) Werte.

    Und grade dort sehe ich mit schrecken, wie wir(?) unsere eigenen Werte grade ueber Bord schmeissen,- mit der Begruendung, dass wir unsere Werte verteitigen wollen.

    Offene Grenzen in Europa sind ein Besipiel was daraus folgt, wenn man den (sehr einfachen) Wert Bewegungsffreiheit ernst nimmt.
    Es hat Jahrzehnte gedauert dies durchzusetzen.
    Und die Stacheldrahtzaeune die zur Zeit aufgebaut werden sind das Gegenteil von solchen Werten, und wurden innerhalb von Tagen gebaut.

    Und das ist nur ein Beispiel von vielen wie schnell Werte kaputt gehen koennen.

    Fernmeldegeheimniss vs Ueberwachung zur Terrorbekaempfung ist ein anderes.

    Keine guten Zeiten fuer Werte 🙁

  35. #45 Dr. Webbaer
    22. Februar 2016

    @ Anderer Michael und auch hierzu :

    Ich sehne mich nach den Linken meiner Jugendzeit, gibt es die noch?

    Ihr Kommentatorenkollege ‘sehnt’ sich explizit nicht nach “Langhaarigen und Schmierbärtigen”, die bspw. auch Adorno angegangen sind, vgl. hiermit, ganz unten, sondern nach solider sozialdemokratischer Meinung, auch als “traditionslinks” bekannt und liberale und konservative Meinung ergänzend.

    Traditionslinke Werte meinen den “kleinen Mann” oder den “kleinen” Menschen, den Arbeiter oder subordiniert Angestellten; diese explizit zu vertreten ist die natürliche oder vornehme Aufgabe derjenigen, die liberale und konservative Meinung ergänzen.
    Der Liberale geht dagegen eher davon aus, dass allgemeines gesellschaftlich-wirtschaftliches Fortkommen insbesondere auch vielleicht Leistungsschwächere berührt und ihnen hilft – dennoch ist ihre explizite politische Vertretung wichtig.

    MFG
    Dr. Webbaer (der bei Herrn Dr. Kuhn auch insofern hofft)

  36. #46 Hobbes
    22. Februar 2016

    Was Werte angeht ist das Thema Islam nur in so fern von Bedeutung, da es eine der wenigen Gebilde ist das seine Werte für unveränderlich und Absolut annimmt.
    In allen Anderen Bereichen hat der Islam kein Alleinstellungsmerkmal. (Und selbst da gibt auch noch andere Beispiele) Man kann auf den Islam also als Beispiel gut verzichten um eine unnötige Polarisierung zu vermeiden.

    In “unserer Welt” ist aktuell am ehesten der Kategorische Imperativ als Leitbild aller Werte zu sehen- Wie ralph in #39 ja schon anmerkte kommt man damit ja auch schon sehr weit. Komischer Weise handeln und bewerten aber alle Menschen im Alltag weit weniger rational sondern bewerten Taten eher emotional und sehr tugendethisch.

    Kant hat eine große schwäche. Und zwar liegt diese in der Grundannahme es wäre sinnvoll wenn die Menschen davon ausgehen würden sie wären gleich im Streben. So etwas funktioniert aber nur in annähernd homogenen Gesellschaften. Ein extremes Beispiel wäre jemand der Homosexuelle kastriert weil er dies für eine unverzeihliche Sünde hält. Er selbst würde ja auch lieber kastriert werden als von dieser “quälenden Verlockung” heimgesucht zu werden. (Weniger krass gibt es ein solches Dilemma in der Euthanasie)
    Kant hat also das massive Problem (oder auch den Vorteil), dass die Deutungshoheit komplett außen vor gelassen wird.

    Btw.
    Ich finde es übrigens erstaunlich, dass unser gesamtes Wertesystem und unsere Gesetze weit mehr zum utiliristrischen als zum tugendethischen Bereich gehören während jedoch fast alle Helden aus Film und Sage absolut tugendethisch handeln. Vermutlich liegt das daran, dass das “richtige Verhalten” dann einfacher zu erkennen ist aber mehr Protagonisten mit reflektierten Handeln würden nicht schaden. (Der Film /Comic Watchmen behandelt dieses Thema übrigens in ganz hervorragender Weise)

  37. #47 Anderer Michael
    22. Februar 2016

    Mal ehrlich, wissen wir denn genau was unsere Werte im Detail sind? Bislang war ich mir ziemlich sicher, es sind die Menschenrechte (1). Selbst wenn das zutrifft, sie müssten dann noch mit “Inhalten” gefüllt werden. Und der von Herrn Kuhn und Alisier angeführte Werterelativismus ist auch noch eine harte Nummer.

    Jetzt frage ich mal naiv in die Runde: Gibt es überhaupt allgemein gültige Werte, vergleichbar mit Naturgesetzen ? Wenn nein, vergleiche Alisier bei 16, sind Werte dann eben nur historisch und zeitabhängige Ansichten (Peter Eumel?) Und wir richten uns nicht nach Werten sondern nach Gesetzen , dann könnte man keinen Naziverbrecher mehr vor Gericht stellen, wenn er konform zu den damaligen Gesetzen gehandelt hat (2)

    1 Die werden auch nicht überall gleich definiert. In Afrika sieht man den Zugang zu sauberen Wasser auch als ein Menschenrecht an
    2. Nazi sind nur als Beispiel gedacht, altersbedingt wird sich das biologische Ende solcher Verfahren schon eingestellt haben.

  38. #48 Dr. Webbaer
    22. Februar 2016

    Mann, Hobbes, Kollego,

    Man kann auf den Islam also als Beispiel gut verzichten um eine unnötige Polarisierung zu vermeiden.

    …Wertefragen stellen sich dort gerade wegen dem neu Angekommenen.
    Insbesondere auch nach den Kölner Silvestertagen, >:-> , MFG
    Dr. W

  39. #49 Peter Eumel
    22. Februar 2016

    @ Anderer Michael
    Zitat #45
    “Jetzt frage ich mal naiv in die Runde: Gibt es überhaupt allgemein gültige Werte, vergleichbar mit Naturgesetzen ? Wenn nein, vergleiche Alisier bei 16, sind Werte dann eben nur historisch und zeitabhängige Ansichten (Peter Eumel?) ”

    Es gibt Werte oder Moralvorstellungen, die sich schon ziemlich lange gehalten haben und wahrscheinlich auch noch lange gültig bleiben. Dazu gehört z.B. der “kategorische Imperativ” von Kant, der schon lange vor ihm in Spruchweisheiten und Religionen ähnlich formuliert wurde. Andere Vorstellungen, wie z.B. Slavenhaltung und Unterdrückung der Frau waren eher zeitbedingt und darüber wurde in diesen Zeiten kaum reflektiert.
    Das bedeutet meines Erachtens, daß man auch heute immer die gerade gültigen Wertesysteme auf ihre Tragfähigkeit überprüfen und nachjustieren muß.
    Unfehlbare Systeme, wie viele Religionen, können dies jedoch nicht oder in einem zu geringen Maße.

  40. #50 Hobbes
    22. Februar 2016

    “stellen sich dort gerade wegen dem neu Angekommenen”
    Richtig dort stellen sie sich. Hier geht es ja eben um das Abstrakte und nicht direkt um aktuelle Ereignisse.
    Zu den Aktuellen Geschehnissen ist es philosophisch aber interessant in wie weit man seine eigenen Werte anderen Aufzwingen darf. Historisch gesehen sind die gelungenen Intergrationen meistens eher Assimilationen gewesen. Das man anderen das eigene Weltbild nicht aufzwingen darf ist eine sehr moderne Ansicht. (Glaube erst seit den 70ern verbreitet) Dementsprechend hat man da auch noch kaum Erfahrung mit.
    Wobei die Frage nach der Toleranz der Intoleranz an sich auch schon uralt ist.
    Tugendethische Moralvorstellungen haben es da etwas schwerer einen Ausweg zu finden als utilitaristische.

  41. #51 Anderer Michael
    23. Februar 2016

    Peter Eumel
    der kategorische Imperativ lautet:” Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
    Ist das wirklich hilfreich? Die “Maxime” sind doch nirgendswo inhaltlich definiert und so wie ich es verstanden habe, auch von Kant nicht gewollt.
    Er schrieb:„Ich nenne alle subjektiven Grundsätze, die nicht von der Beschaffenheit des Objekts, sondern dem Interesse der Vernunft, in Ansehung einer gewissen möglichen Vollkommenheit der Erkenntnis des Objekts, hergenommen sind, Maximen der Vernunft.“
    Und was ist Vernunft? Ich nehme das Beispiel Herrn Kuhns, den Fremdenhass. In rechtsradikalen Kreisen kaum ein Zeichen von Unvernunft, oder ?
    Bringt man gar Werterelativismus ins Spiel, wieso sollte Fremdenfeindlichkeit unvernünftig sein. Beispiel: Hirtenstämme der Kisii in Kenia. Fremde Hirten bedeuteten Wegnahme der Weidemöglichkeiten und Hunger/Tod für die eigene Familie.( 1)

    1. das möge bitte niemand als Plädoyer für Fremdenfeindlichkeit interpretieren. Die Kisii waren bekannt noch gegen Ende des letzten Jahrtausend Trepanationen wegen Hirnödemen/ intracraniellen Druckanstieges infolge gewalttätiger Auseinandersetzungen ohne Betäubung und mit sehr einfachen Instrumenten vorzunehmen, übrigens sofern keine wesentlichen Hirnläsionen vorhanden waren, mit guten Ergebnissen.

  42. #52 Dr. Webbaer
    23. Februar 2016

    @ Hobbes :

    Zu den Aktuellen Geschehnissen ist es philosophisch aber interessant in wie weit man seine eigenen Werte anderen Aufzwingen darf.

    Darf der Staat (vs. ‘man’) nicht, auch das Staatsvolk und Individuen dürfen dies nicht.
    Das ist ein wichtiges Konzept der Aufklärung, bspw. in den Staaten schon recht früh über die Freiheit der Meinungsäußerung implementiert.
    Insofern sind auch sog. Parallelgesellschaften in aufklärerischen Gesellschaftssystemen auszuhalten und “Gegengesellschaften” streng zu bekämpfen.
    Wobei Letztgenanntes unzureichend geschieht heutzutage und in nicht weiter Ferne einen hohen Preis zollen wird, diese Prognose sei erlaubt.
    Was Werte sind, hat Ihr Kommentatorenfreund in Kommentar #43 versucht kurz zu skizzieren.

    MFG
    Dr. Webbaer

  43. #53 Dr. Webbaer
    23. Februar 2016

    @ Anderer Michael :

    der kategorische Imperativ lautet:” Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
    Ist das wirklich hilfreich?

    Der KI ist nicht hilfreich, im Sittlichen, vielleicht als abstraktes Denkmodell oder als “Meta-Ethik” irgendwie, aber der KI leidet, bspw. am Egozentrischen, warum soll eigenes Handeln letztlich Gesetzeslage bestimmen?

    Was in der BRD zurzeit geübt wird, scheint dem Schreiber dieser Zeilen auch kein KI zu sein, sondern sozusagen zeitgenössische protestantische Ethik, schwärmerisch, weltverbesserisch & das Gute oder “Gute” bereits dann als gut anerkennend, wenn es gut gemeint ist.

    MFG
    Dr. Webbaer

  44. #54 lindita
    23. Februar 2016

    ” Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

    Was erwartet man davon, wenn einer so gehandelt hat? Welches Ziel soll mit dem kategorischen Imperativ erreicht werden?

    Deutschland hat die Flüchtlinge “eingeladen” (so wird es in der Öffentlichkeit zumindest wahrgenommen). Haltung Deutchlands sollte ein allgemeines Gesetz (für EU-Länder) werden.

    Ok, und nun? Ich beobachte das im Alltagsleben auch. OK, handle so, und wünsche dir, dass Andere auch so handeln sollten, aber erwarte es von den Anderen nicht. Du kannst es dir höchstens wünschen.

    Deshalb, meinst du etwas Wertvolles tun zu müssen, dann tu es mit den eigenen Möglichkeiten, und kalkuliere es so, dass du dies erstmal ganz alleine schaffen kannst (wenn du denn die Richtigkeit deines Handelns glasklar erkannt hast und anders einfach nicht könntest, da die Welt einzelne Visionäre verändern).

    Ich lasse mich nicht für “moralische Hochheiten” Anderer einspannen, ohne dass mit mir darüber geredet wird, und ohne dass ich darüber nachdenken kann, meine Kräfte und Möglichkeiten kalkulieren kann und mich aus guter Überzeugung zur Cooperation entscheiden kann. Egal wie gut die Werte zu sein scheinen, die da einer vertritt – ich bin ein Mensch, also bin ich ein Partner eines jeden, der ein Mensch ist.. Wer über mich hinweg über MEIN “Tun soll” entscheidet , der respektuiert mich als Menschen nicht, weil das kein partnerschaftliches Verhalten ist.

    Deutschland hat über die Köpfe aller EU-Mitglieder entschieden, wie sie sich verhalten sollen. Weil Deutschland meint moralische Hochheit zu besitzen und meint es würde reichen, um einen Zustand zu erreichen, der, nach der Anwendung des kategirischen Imperativs, als möglicher Zielzustand gedacht wurde.

    Dass die EU irgendwie finanziell, territorial oder auch kulturell überfodert sein könnte, das glaube ich nicht. Vielmehr es herrschte nie wirklich ein Geist der politischen Partnerschaft in der EU.

  45. #55 Dr. Webbaer
    23. Februar 2016

    @ lindita :

    Vielmehr es herrschte nie wirklich ein Geist der politischen Partnerschaft in der EU.

    Staaten folgen Interessen, es gibt keine “Freundschaft” unter Staaten, sondern nur besondere Verhältnisse und wenn Merkel und andere wieder einmal sogenannte Solidarität einfordern, liegen sie falsch, denn andere EU-Staaten haben andere Interessen.
    Diese zeitgenössische Einwanderungsbewegung meist muslimischer Nicht-Europäer, witzigerweise und zeitweise in der BRD auch ‘Sommermärchen’ genannt, war in ihrer bundesdeutsch-politischen und auch in ihrer medialen Bearbeitung wirklich ein Märchen.

    MFG
    Dr. Webbaer

  46. #56 Dr. Webbaer
    23. Februar 2016

    PS:
    Insgesamt übrigens, dies soll nicht vergessen werden, der Schreiber dieser Zeilen hat sich den WebLog-Artikel sukzessive und mittlerweile mindestens zehnmal durchgelesen, natürlich zum Artikel ein fettes +1.
    Wobei womöglich auch ein kleiner Dissens mit dem Geographen Jürgen Schönstein vorliegt, der hier aber nicht interessiert hat.

  47. #57 Hobbes
    23. Februar 2016

    “Darf der Staat (vs. ‘man’) nicht, auch das Staatsvolk und Individuen dürfen dies nicht.
    Das ist ein wichtiges Konzept der Aufklärung”
    Naja wir haben es uns da schon etwas einfach gemacht indem wir (Also die Aufklärung. Gott klingt das anmaßend) der Frage einfach ausgewichen sind indem wir ein paar Werte als Universell deklariert haben.
    Wobei viele der Universellen Werte sich ja auch beißen. Gerade Religionsfreiheit führt ja zu vielen Abwägungen. Beschneidung und Schächten sind da ja nur zwei aktuelle Beispiele. Das Verbot die Ehre nach Kulturellen vorgaben wieder her zu stellen (selbst wenn beide Kontrahenten es so wollen) ist ja auch ein Aufzwingen von Werten.
    #53:
    Ja ein großes Problem bei Hilfe (Entwicklungshilfe etc.) ist das diese extrem tugendetisch motiviert ist. Zwar steht schon irgendwo in der Bibel: “Gib einen Menschen einen Fisch und du ernährst ihn für einen Tag. Bring ihm bei zu fischen und du ernährst ihn sein leben lang”
    Aber Hilfe zur Selbsthilfe wird leider viel zu selten betrieben weil es keine so schönen Bilder gibt. Und weil dies auch oft Zwang beinhaltet. Man sollte dabei immer bedenken, dass diese Menschen nicht in schlimmen Verhältnissen leben weil “der gute Weiße Mann” sie noch nicht zivilisiert hat, sondern weil die Umstände in denen man bisher gelebt hat Charaktereigenschaften (oder Kultureigenschaften) gefördert hat die für eine positive wirtschaftliche Entwicklung nicht so gut geeignet sind wie die bei uns.
    Andererseits tragen wir natürlich auch Verantwortung dafür, dass die Umstände bei diesen Leuten so sind wie sie sind. (Insbesondere natürlich wenn man von den Abgehängten innerhalb der eigenen Gesellschaft redet)

  48. #58 Hobbes
    23. Februar 2016

    #54 und 55
    Ich glaube der Satz nach dem “Staaten keine Freunde sondern nur Interessen kennen” ist so nicht mehr haltbar.
    Staaten mit ausgeprägter Zivilgesellschaft handeln dort zu oft den eigenen Interessen zu wieder laufend für. Vieles lässt sich nur durch “Freundschaft” erklären.
    Angenommen es wären keine Syrer die fliehen sondern Franzosen. Der Bevölkerungswiederstand wäre nur ein Bruchteil so gering. Eben weil die Franzosen mittlerweile als Freunde angesehen werden.
    Und in allen Staatsformen (je weniger autoritär desto stärker) richtet sich das politische Handeln nach den Emotionen des Volkes. Das manche Freundschaften schnell mal vorbei sind wenn es ans Geld geht ist ja auch in privaten Beziehungen oft der Fall.

  49. #59 Sulu
    23. Februar 2016

    dass es Gründe gibt, die für und gegen eine philosophische Position sprechen und auch für und gegen bestimmte „Werte“.

    Das interessante ist ja, dass bestimmte Werte (was auch immer) erst seit relativ kurzer Zeit überhaupt nationalstaatlich gedacht werden. Den Pass gibt es wohl auch erst seit 1920.

    Also ein klassischer europäischer Wert wäre eigentlich Grenzenlosigkeit, zumindest in Europa (im weiteren Sinn). Die Grenzen, in denen “wir” denken, existieren eigentlich erst seit dem WW2.

  50. #60 Sulu
    23. Februar 2016
  51. #61 Hobbes
    23. Februar 2016

    Naja der in #60 verlinkte Artikel hat sehr viele schwächen.
    Die postulierte Grenzenlosigkeit der Vergangenheit beruhte eben darauf das es keine Bürgerrechte gab. Deshalb war eine Abgrenzung auch irrelevant. Herrschaftsansprüche waren Absolut und von oben nach unten. Wer nicht willkommen war wurde nicht an der Grenze aufgehalten sondern aus Region vertrieben.

    Einer der weiteren Hauptforderungen ist es Segrationsgebiete zu schaffen. Als positives Beispiel wird dafür die USA genommen. Das ist völlig absurd. Die Situationen sind völlig anders. Zudem geht die erfolgreiche Integration der Deutschen beispielsweise auf Deutschverbote während des zweiten Weltkrieges zurück.Von den Zuständen die zu Zeiten der großen Zuwanderungswellen in die USA herrschten wird auch nichts erwähnt. Da war vieles was Menschenunwürdig ist. Auch war zu allen Zeiten die Migration in die USA nicht willkürlich und schon gar nicht frei von Spannungen. So wurden auch 1938 zum Teil noch Juden aus Deutschland abgewiesen und es gab massig Straßenschlachten die bürgerkriegsähnlichen Zuständen glichen. Mit massig Toten.

  52. #62 hampel
    24. Februar 2016

    Liegt der Begründung von moralischen Werten in der “Offenbarung des Göttlichen” nicht einfach nur eine große fette Behauptung zugrunde? Dieser Text ist göttlich und basta! Und selbst wenn es göttliche Gebote sein sollten, warum sind sie dann automatisch (moralisch) perfekt? Kann es keinen sadistischen Gott geben? Prüft uns Gott vllt nur mit absichtlich unmoralischen Anweisungen? Wie handelt man überhaupt moralisch, wenn man nur Befehlen und Verkündigungen folgt? ..

    Mein Problem und Verständnis von “göttlichen” Werten geht aber noch ein Stückchen tiefer.
    Wenn man die Werte eines Gottes als Offenbarung für wahr annimt, nimmt man dann nicht schon implizit Wertungen vor?
    Nicht nur, dass man eben annimt es ist gut und göttlich, sondern auch, dass man seinen eigenen Erfahrungen und Sinnen (mit dem Göttlichen) trauen kann und SOLL?
    Sozusagen hat man sich doch nur dafür entschieden, die möglichen Irrungen des menschlichen Urteilsvermögens für die grundlegende Frage zu ignorieren.

    • #63 Joseph Kuhn
      24. Februar 2016

      “Liegt der Begründung von moralischen Werten in der “Offenbarung des Göttlichen” nicht einfach nur eine große fette Behauptung zugrunde?”

      So sehen es Menschen, die durch die Aufklärung gegangen sind. Und Ungläubige. Und deren Schnittmenge.

      “Wenn man die Werte eines Gottes als Offenbarung für wahr annimt, nimmt man dann nicht schon implizit Wertungen vor?”

      Interessante Frage. Es fängt beim “implizit” an. Einerseits: Wer Werte annimmt, wertet der nicht explizit? Andererseits, wer Werte als “wahr” annimmt, hat der sie nicht kognitiv als Teil der Wirklichkeit erkannt, geht es dann überhaupt noch um eine “Wertung”? Siehe dazu auch oben im Blogbeitrag. Weiter: Wenn man einmal hypothetisch unterstellt, dass man “Gottes Werte” erkennen könne, wäre man dann überhaupt noch frei, sie gut begründet abzulehnen, oder gäbe es solche guten Gründe dann gar nicht (weil es sonst nicht “Gottes Werte” wären, also objektiv wahre Werte, die die Denkmöglichkeit des “Guten” bestimmen)? Und muss man unterscheiden zwischen den angeblich ja auch von Gott gegebenen 10 Geboten, deren historische Prägung evident ist, und “Gottes Werten”?

      Ein Labyrinth, in dem sich Philosophen wohl fühlen mögen. Egal, ob sie herausfinden oder nicht (oder da längst herausgefunden haben), für uns “normalen Menschen” bleibt trotzdem, dass Werte bzw. normative Orientierungen begründet und diskutiert werden müssen, sobald sie ihre Selbstverständlichkeit verloren haben und fraglich geworden sind.

  53. #64 Dr. Webbaer
    24. Februar 2016

    @ Hobbes :

    Darf der Staat (vs. ‘man’) nicht, auch das Staatsvolk und Individuen dürfen dies nicht.
    Das ist ein wichtiges Konzept der Aufklärung (…) [Dr. Webbaer]

    Naja wir haben es uns da schon etwas einfach gemacht indem wir (Also die Aufklärung. Gott klingt das anmaßend) der Frage einfach ausgewichen sind indem wir ein paar Werte als Universell deklariert haben.

    Die aufklärerische Grundidee ist einfach, die Umsetzung hoch komplex, benötigt bspw. auch eine möglichst frei durchführbare stetige Wertedebatte.
    Insofern haben viele auch gesagt, Aufklärung, gut und schön, sie kann aber nicht funktionieren, sie kann nicht gesellschaftlich implementiert werden.
    (Bspw. Konservative wie Fleischhauer (der seinen Konservativismus auf Nachfrage hin sage und schreibe im Monarchismus begründet) und Klonovsky zeigen sich auch heute noch derart skeptisch, dürfen wohl auch mit ihrer Zustimmung als reaktionär bezeichnet werden.)

    Wobei viele der Universellen Werte sich ja auch beißen. Gerade Religionsfreiheit führt ja zu vielen Abwägungen. Beschneidung und Schächten sind da ja nur zwei aktuelle Beispiele.

    Korrekt, eine Religionsfreiheit kann in aufklärerischen Systemen nie absolut sein, sie sollte möglichst frei sein, aber in concreto am Islam gilt es heutzutage stark zu nagen.

    MFG
    Dr. Webbaer

  54. #65 Dr. Webbaer
    24. Februar 2016

    Ein Labyrinth, in dem sich Philosophen wohl fühlen mögen.

    Sie aber offensichtlich auch, Herr Dr. Kuhn, die Philosophie ist ja nur scheinbar ein Ausbildungsberuf (auch @Alisier), ansonsten wüsste Ihr Kommentatorenfreund nicht, welche Fragen Sie in der Beantwortung noch offen gelassen hätten, den WebLog-Artikel-Kontext betreffend.

    MFG
    Dr. Webbaer

  55. #66 Dr. Webbaer
    24. Februar 2016

    @ Hobbes und hierzu noch kurz :

    Ich glaube der Satz nach dem “Staaten keine Freunde sondern nur Interessen kennen” ist so nicht mehr haltbar.

    Das weiter unten mit den ‘Emotionen des Volkes’ ist natürlich richtig angemerkt, ‘Emotionen der Bevölkerung’ und ‘Emotionen der Menge’ gingen auch, aber Freundschaften zwischen Staaten anzunehmen, wäre ein Kategorienfehler, es gibt bspw. auch keine Freundschaften zwischen Firmen oder generell keine Freundschaft [1] zwischen Gruppen.

    Ansonsten scheint es fernerhin richtig anzunehmen, dass Staaten, die den Ideen und Werten der Aufklärung folgend gesellschaftlich implementiert haben, sich sozusagen: traditionell untereinander beistehen, die Gründe hierfür finden sich im nackten Selbsterhaltungstrieb wie in kultureller Verbundenheit. [2]

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1]
    Der Schreiber dieser Zeilen bleibt hier auch nah an der Etymologie, ‘Freunde’ sind diejenigen, die sich lieben, und ‘Feinde’ diejenigen, die sich hassen.
    Moment, …, gleich wieder da:
    -> https://www.etymonline.com/index.php?term=friend (das Privatunternehmen ‘etymonline.com’ ist eine gute Quelle)

    [2]
    Aufklärerisch gesellschaftlich implementiert habende Staaten leisten mindestens dreierlei:
    1.) friedliche Machtwechsel
    2.) “Demokratischer Frieden
    3.) Persistenz, sie “geigen” nicht ab, sie lassen sich von anderer Kultur, wie bspw. dem Sozialismus und dem Nationalsozialismus nur sehr ungerne überrennen – und wenn sie überrannt worden sind, stehen immer noch genug Demokraten bereit, um den einstmaligen Zustand zeitnah wiederherzustellen.

  56. #67 hampel
    24. Februar 2016

    @Joseph Kuhn

    Danke erstmal für den Text und Rückmeldung, sehr angenehme Nachdenkförderung.

    “Implizit” hier wohl im Sinne von “meine Aussage über Werte enthält selbst eine Wertung, ob ich es dazu sage oder nicht”
    Ihr Punkt ist aber “well taken”.

    Wenn man einmal hypothetisch unterstellt, dass man “Gottes Werte” erkennen könne, wäre man dann überhaupt noch frei, sie gut begründet abzulehnen, oder gäbe es solche guten Gründe dann gar nicht

    Ich denke Nein, die gäbe es nicht. Zumindest nicht, wenn man der “divine command” Doktrin folgt und einen allmächtigen Gott annimt.
    Ein fürchterlicher Gedanke; Wenn mein Gott Massenmord befiehlt, wird es schon richtig sein, mein eigenes moralisches Empfinden spielt keine Rolle. Religion ist mir wohl echt fremd. ..

    Zum Ausgangspunkt zurück, wie umgeht der Religiöse das Problem des sich täuschen.
    Wie bestimme ich überhaupt, dass Gott der Gute ist (und wahres verkündet) und Satan der Böse ( und Lügen verbreitet)?
    Doch nur über meine eigene moralische Wertung, und wenn ich die schon habe, ist Gott unnötig um zu moralischen “Wahrheiten” zu gelangen.

  57. #68 Dr. Webbaer
    26. Februar 2016

    @ hampel (und rein stellvertrend angemerkt):

    Zum Ausgangspunkt zurück, wie umgeht der Religiöse das Problem des sich täuschen.
    Wie bestimme ich überhaupt, dass Gott der Gute ist (und wahres verkündet) und Satan der Böse ( und Lügen verbreitet)?
    Doch nur über meine eigene moralische Wertung, und wenn ich die schon habe, ist Gott unnötig um zu moralischen “Wahrheiten” zu gelangen.

    1.) Das ‘Religiöse’ umgeht das geschilderte Problem entweder gar nicht oder lagert aus, die Römische Kirche lagert spätestens seit der Enzyklika ‘Humana Generis’ weitgehend aus und ist insofern im Naturwissenschaftlichen nicht mehr bereit sich zu täuschen, sondern folgt vorsichtig naturwissenschaftlicher Erkenntnis.
    2.) Durch Setzung wird individuell bestimmt, wem gefolgt wird, Sie dürfen durch Setzung bspw. auch der (agnostischen) Church of Satan folgen; der Schreiber dieser Zeilen tut dies nicht, aber für experimentelle Zwecke könnte dies Sinn ergeben, oder dem “Spaghettimonster”.
    3.) Gott oder weitergehend religiös gemeint sogenannte außerempirische Akteure sind hier in der Tat nicht erforderlich, aber an irgendetwas muss sich festgehalten werden, wenn es darum geht Sittlichkeit zu bestimmen.

    HTH
    Dr. Webbaer

  58. #69 demolog
    28. Februar 2016

    Ein sogenannter “eherner Wert” ist, das wir nicht auf den Tisch scheissen (oder weiter gefasst: Essen und Scheissen voneinander möglichst weit trennen). Ein solcher besteht mit Sicherheit schon sehr lange und ist ohne eine “wissenschaftliche Begründung” entstanden. Das es ein (fast jedermans)Wert ist, erkennt man daran, dass man nicht mehr darüber sprechen muß – darauf aufmerksam machen muß – es sei denn bei Kindern (“Hände waschen nach dem Scheixxen”).
    Oder könnte es auch eine biologische “Programmierung” sein – eine Art “Reflex”, dem wir uns nicht entziehen können, weil er quasi “gottgegeben” und “naturgesetzlich” sei? Weil das auch Tiere machen?

    • #70 Joseph Kuhn
      28. Februar 2016

      @ Demolog:

      Es wäre schön, wenn wir die Diskussion nicht fäkalverbalistisch führen müssten, wenn ich diese Norm hier einbringen darf. Um Ihren Beitrag positiv aufzugreifen: Sie stellen letztlich die Frage danach, ob alle normative Orientierungen, die gemeinhin unter “Sitten und Gebräuche” fallen, auch als “Werte” im ethischen Sinn zu sehen sind, sprich, ob die Rechtfertigung solcher “Werte” eine Aufgabe der Ethik als Theorie der Moral ist oder nicht eher eine Frage der lebenspraktischen Klugheit oder vielleicht der Akzeptanz sozialer Tradition. Wenn Männer Frauen den Mantel aufhalten, tun sie dann etwas “Gutes”? Folgen sie einer ethisch zu begründenden Norm oder einfach einer sozialen Norm, die ihren Ursprung in patriarchalen Gesellschaftsmustern hat? Oder lässt sich das gar nicht trennen, weil jede Norm einen ethischen Aspekt hat?

  59. #71 demolog
    28. Februar 2016

    @ Joseph Kuhn
    28. Februar 2016 #70

    Naja, in Etwa wollte ich das befragen. In der Ursache liegt aj das Unwohlsein im Angesicht (Das Kind, welches sich nicht die Hände wäscht wenn es zu Tisch geht). Ein Unwohlsein kann Naturgesetzlich sein oder auch Konditioniert. In der Frage zum Händewaschen bin ich am Zweifeln über die Naturgesetzlichkeit. Denn es wird den Kindern erst Konditioniert. Oder würde es das auch von allein irgendwann annehmen und das Unwohlsein verspühren? Oder ist es doch eher immer eine Sache der gemeinschaftlichen Dynamik? Ich bin überfragt.

    Hinsichtlich der Fremdenfeindlichkeit müsste man zum Vergleich annehmen, das Fremdenfurcht natürlich sei und diese Furcht erst abkonditioniert werden muß.
    Bedeutete aso, dass die derzeit in D auftretenen Feindlichkeiten schlicht ein Konditionierungsversäumnis sind?

    Wie viel Fremde/Fremdeln ist natürlich oder Künstlich? Und wie viel ist andererseits gesund oder normal? (wir vergessen dabei hoffentlich nicht, das mediale Fokussierungen in der Folgedynamik nicht die Realitäten zeigen, sondern künstliche Produkte sind – immer. Also die derzeit schlechtesten Beispiele betreffend der Fremdenfeindlichkeit künstliches Aufschaukeln sei und sehr oft nicht der großen Rede wert!). Die grundsätzliche Frage, ob wir das Asylland aller Welt sind, bleibt dabei bestehen.

    Ach ja, die Fäkalsprache….
    Die klinkt doch anders, wenn ich sie im Thema korrekt anwende (Stuhlgang), als wenn ich sie umgangssprachlich anwendete (irgendwelchem Blödsinn das Attribut “Scheisse” gebe), nicht wahr?

  60. #72 demolog
    28. Februar 2016

    Zu Schönsteins Artikel zum Thema Pöbelleien, in dem dieser zitierte Satz auch vorkam:

    „Welche Werte waren das nochmal? Toleranz, Gastfreundschaft, Besonnenheit, Hilfsbereitschaft, (nee, wohl nicht) Gewaltbereitschaft, Arroganz, Fremdenhass, Sturheit, Rechthaberei, vielleicht?“

    …sei ja zu sagen, dass er selbst durch den Artikel auch nur “gepöbelt” hat. Der Artikel war zu nichts weiter nützlich, als sich seiner eigenen Unlust Luft zu verschaffen und auf (leider nur) gleicher Ebene “zurück zu schiessen”. Korrekt? (Aber bitte objektiv bleiben).

    Wertedebatten sind sogesehen vollkommen über jede Nützlichkeit hinaus – sinnlos und provokativ (äh, also doch nicht sinnlos!). Darauf steigt man nicht ein, sondern ignoriert sie, wenn man ernst genommen werden will.
    Ich nehme nämlich an, dass gewisse Auswüchse (etwa zum Jahreswechsel in Köln und jüngst in Berlin) auch dann zum Protestieren reichen, wenn man keine Wertedebatte führt. Wer Werte ins Gespräch einbringt, meine ich, hat mit der Thematik vorher schon aufgegeben – oder eh keine Argumente. Oder sind (diese) “Werte” Argumente?

  61. #73 demolog
    4. März 2016

    Joseph Kuhn
    28. Februar 2016 #70

    Eine Frage wäre demnach auch, ob Affekte konditioniert werden können. Eine Kondition nicht einzig in der Kognition besteht.

    Sie wollen sich nicht weiter äußern? Geht wohl zu weit ins Behavioristische hinein…? Ist “besseres Wissen” rein kognitiven Ursprungs? Oder kann dieses “besseres Wissen” auch als Nachvollzug nach dem Affekt zum besseren Wissen hin zur Rechtfertigung …?

    Affektive Rechtfertigung (seiner Konditionierung) sozusagen.

    • #74 Joseph Kuhn
      4. März 2016

      @ demolog:

      “Sie wollen sich nicht weiter äußern?”

      Die Frage, ob “Affekte konditioniert werden können”, kann man ganz einfach mit ja beantworten. Den Rest Ihres Kommentars verstehe ich schlicht nicht und ich fürchte, Sie verstehen selbst nicht, was Sie da zu sagen versuchen. “Wissen” wird erst zu Wissen, wenn es eine kognitive Basis hat. Die berühmte (leider nicht ganz wasserdichte, siehe Gettier-Problem) Standardanalyse des Wissens bestimmt dieses als gerechtfertigte und wahre Meinung. Eine konditionierte (durch nicht erkenntnisförmige Reiz-Reaktions-Mechanismen bedingte) Meinung kann daher per definitionem kein Wissen sein. Aber was hat das alles mit dem Blogthema hier zu tun? Wie gesagt, ich fürchte, Sie müssten einmal darüber nachdenken, was Sie eigentlich sagen wollen und wenn Sie es klarer sagen können, hat sich manche Frage vermutlich von selbst erledigt.

      • #75 demolog
        4. März 2016

        Affektive Rechtfertigung … ist natürlich Blödsinn.

        Rechtfertigung des Affektes in Form von kognitiven Inhalten war gemeint.
        Was derart nur im Nachvollzug geschehen kann. So etwa auch ihre Reaktion auf meine Fäkalsprache. Erst erregt es sie, dann die kognitive Rechtfertigung.

        Nun ja, wie soll ich es nennen, wenn ich früher zu Grundschulzeiten etwa auf dem Nachhauseweg von Typen aus dem nahen Osten oder Nordafrika verprügelt und bestohlen wurde, das Selbe im Jugendfreizeitzentrum oder in der Disko (später in der Jugend) und nun diesen Erfahrungen entsprechend negativ über diese Menschengruppen urteile? Affekt oder Kognition?

        Nur mal als Beispiel:
        Ich bin also auf Abneigung gegen diese Menschen konditioniert. Ausserdem bin ich darauf konditioniert, das physischer Vollkontakt mit GEwaltanwendung nicht unerwartet ist, weswegen ich mich also heute schon mal darauf vorbereite und dementsprechend nicht “gastfreundlschaftlich” bin oder “Tugendhaft” – sondern Abweisend und Gewaltbereit, weil meine Erfahrung dies mir ankonditioniert hat. Meine Erfahrung gibt mir doch recht, so zu sein. Meine Erfahrung lässt mir letztlich nichts anderes übrig, als in Alarmstellun g zu gehen.

        Dafür lasse ich mich nicht als “Dunkeldeutschen”erklären.
        Dieses “dunkle” nämlich kam in meiner unmittelbaren Umgebung eindeutig von woanders her.

        Würden sie es “unsittlich”; den Werten widerstrebend nennen, das ich negative Ansichten über diese Menschengruppen hege? Und diese auch äußere? Und eben nicht “hocherfreut” über Menschen bin, die in Massen in meine Heimat kommen – ausgerechnet aus den Gegenden, die in meinem Leben schon früh eine Roille spielten!
        Ich kann zum Beispiel ohne große moralische Probleme damit argumentieren, dass ich anhand meinen eigenen Erfahrungen davon ausgehe, dass diese Menschen eben keinesfalls den hierzulande intendierten “Werten” entsprechen und einhalten werden (ich gehe davon aus, dass (grundloses) Verprügeln nicht im Werte-Kanon enthalten ist).

        Auch daher meine Verachtung für Schönsteins Beitrag – und die Szenen der aufgesetzen Verstörung der Gutmenschen (besseres Wissen!) vergangenes Jahr. Ich jedenfalls kann auch “besseres Wissen”. Aber eben nicht aus meiner Haut und in einem Dilemma, wegen dem ich nicht zum Pöbelproll und Dunkeldeutschen abgestempelt werden will.

        In diesem Sinne, all die Werte, die intendiert sind, sind immer nur Resultat auf Konditionierungen. Und wer ein helles Deutschland will, wird dafür sorgen müssen, das wir nicht derart “verdunkelt” werden. Oder/und später, wenn das Kind in den Brunnen fiel, das Problem anders lösen, als mit einer abwertenden, populistischen Pöbellei (Dunkeldeutschland). Diese Ignoranz ist ebenso ausserhalb aller guten Werte, die er und viele andere intendiert und ausdrücklich einfordern.

        Meine Abneigung gegen “Wertedebatten” ist eben deswegen so dominant, weil jeder Wert nach Situation wie ein Gummiball verformt werden kann und der Sache angepasst. Es gibt daher keine verlässlich ehernen Werte, weil das Leben viel zu vielfältig ist, als dass man sie einhalten könnte. Und wie im Krieg keine Gesetze des Rechtssystems mehr gelten und auch ethische und moralische Werte relativ sind, sind sie auch in dieser Extremsituation (Flüchtlingskrise) – relativ zu den Erfahrungen jedes einzelnen Wesens.

        Wer Werte ins Gefecht einbringt, will seinen Gegenüber keine Rechtfertigung abnehmen – ist also maximal ignorant und damit selbst schon aus allen guten Werten rausgefallen.

        —-

        Sie hätten auch Stichworte bringen können von dem, was sie in meinem Kommentar nicht verstehen konnten. Nun haben sie den Salat (tausend Zeichen und mehr).

        • #76 Joseph Kuhn
          4. März 2016

          @ demolog:

          Sie haben Erfahrungen gemacht, die Ihre Einstellungen geprägt haben. So ist das Leben. Wir machen alle Erfahrungen, die uns mehr oder weniger prägen. Ob Ihre Einstellungen aufgrund Ihrer Erfahrungen (“Konditionierung”) legitim sind, gut begründet sind, oder ob sie Gefangener Ihrer Erfahrungen sind, müssen Sie sich selbst beantworten. Wenn Sie Ihren eigenen Kommentar genau lesen, finden Sie die Antwort auch.

          • #77 demolog
            5. März 2016

            Das Gefangensein in eigener Erfahrungen gilt natürlich auch für ihre Abneigng gegen Fäkalsprache.
            Selbstverständlich sind wir nicht frei. Man könnte sagen, sie (die Einstellung) sei ligitim, weil es Unfreiheit gibt.

            Ich habs nochmal gelesen. Wo steht die antwort auf die Frage, gut begründet oder Gefangener der Erfahrungen?
            Und ausserdem: ich meine, da teilt sich nichts auf. das Gefangen sein ist nicht das Gegenteil von gut Begründet.
            Andere Leute sind in ihrer guten Begründung ebenso gefangen. Weil ihre gute Begründung sie konditioniert hsat, daraus ein Affekt entstand.

          • #78 Joseph Kuhn
            5. März 2016

            @ demolog:

            “Gefangen sein ist nicht das Gegenteil von gut Begründet … Andere Leute sind in ihrer guten Begründung ebenso gefangen …”

            Sie sind ein wahrer Meister des Neusprech. Kompliment!

            Beenden wir es hier. Falls Sie nur ein wenig Hin- und Her wollen, suchen Sie sich woanders jemand zum Reden, falls Sie sich wirklich für die Sache interessieren, lesen Sie was Gutes dazu.

          • #79 demolog
            7. März 2016

            @ Kuhn

            Das passt ja gerade gut. Selbst Sloterdijk ist etwa meiner Meinung:
            https://www.sueddeutsche.de/kultur/debatte-um-peter-sloterdijk-sloterdijk-wettert-gegen-unverantwortliche-journalisten-1.2892745

            Dabei können wir es dann gerne belassen…!

          • #80 demolog
            7. März 2016

            Apropos “Neusprech”:

            Kann nicht jede Rede einer politische Tendenz – wenn sie neu ist – als “Neusprech” beschimpft werden? Und überhaupt ist mein Inhalt nicht neu, sondern nur verdrängt. War schon fast immer da – ist nur durch ein vorrangegangenes “Neusprech” in der Versenkung verschwunden – vergessen, verdrängt worden.

            Nach den Nazis kam das Adenauer-Ähra-Neusprech. Darauf folgte eine kurze Phase von Hippi- und RAF-Neusprech. In den 80´gern gabs kein “Sprech” in dem Sinne, was aber durch die Neunziger im Neusprech der Neoliberalismen seinen Lauf fand. Geschichte wiederholt sich, wir müssen nur aufpassen, wo wir wieder einsetzen. Gerne also bei Adenauer – lieber nicht bei den Nazis. Korrekt?

            Ich meine, sie können das “Neusprech” also wieder zurücknehmen, oder deuten es um (die politische Konnotation als Unterdrückungssprache wie in “1984” in ein in Epochen auftretenes Kommunikationsphänomen…)

  62. #81 Orci
    7. März 2016

    Sloterdijk schlägt aber damit auch in eine zu allen Zeiten sehr bleibte Kerbe:

    Er sagt etwas sehr Einfaches und im Sinne Paulis nicht ein mal Falsches über eine äußerst komplizierte Sache, bedient sich bewusst (ich kann einem so klugen Menschen nicht abnehmen, dass ihm das nicht klar wäre) missverständlicher Formulierungen und konstatiert ob der erwartbaren Reaktion ein generelles Versagen der Öffentlichen Debatte weil andere vom Recht das-doch-noch-sagen-zu-dürfen ebenfalls Gebrauch machen (Zum Schaden aller, meiner unmaßgeblichen Meinung nach).

    Wie offen zum Diskurs mögen alle Beteiligten danach noch sein? Wie zugänglich zu ruhigen Worten, wenn sie zunächst Tiraden ausgetauscht haben?

    • #82 demolog
      7. März 2016

      Naja, das “das-wird-man-doch-mal-sagen-dürfen” dauert ja nun schon einige Jahre an. Und es hat zu nichts geführt als zu Chaos und Kontrollverlust. Der Schaden war unzweifelhaft schon da. Das er die “Einfachheit” wählt, kann man kaum zum Vorwurf machen. Es soll sicher möglichst viele erreichen. Leider sieht ein Teil der Öffentlichkeit darin eine Angriffsfläche für ihre immernoch “das wird man doch mal sagen dürfen”-Pöbelstrategie. Die Tatsachen sind eindeutig – da gibt es nichts zu protestieren.

      Ich stimme Sloterdijk recht pauschal zu – nur mach ich ihm den Vorwurf, dass er mindestens 2 Jahre zu spät kommt. Zur Zeit der akuten Ukrainekrise gab es großen Bedarf an guten Ratschlägen – aber da kam nichts – man liess dem “Mob” allemnortes (auch in den Medien) freie Bahn – unbesänftigt und fast unkritisiert.
      Die Kulturerosion ist jedem halbwegs geistig auf der Höhe seienden unübersehbar fortgeschritten.
      Man kann jatzt bockig sein und sagen: “Jetzt der auch noch” oder einfach eingestehen, dass es in Deutschland (und eh auch Europa) in den vergangenen Jahren ganz schlecht lief mit der Kultivierung und so. Eine ganze Generation ist den Bach runter gegangen und die neue Generation ist nicht bereit zur Nachfolge. Und wird es wegen fehlender Vorgängergeneration kaum schaffen können.

  63. #83 Orci
    8. März 2016

    Naja, das “das-wird-man-doch-mal-sagen-dürfen” dauert ja nun schon einige Jahre an. Und es hat zu nichts geführt als zu Chaos und Kontrollverlust. Der Schaden war unzweifelhaft schon da. Das er die “Einfachheit” wählt, kann man kaum zum Vorwurf machen. Es soll sicher möglichst viele erreichen. Leider sieht ein Teil der Öffentlichkeit darin eine Angriffsfläche für ihre immernoch “das wird man doch mal sagen dürfen”-Pöbelstrategie. Die Tatsachen sind eindeutig – da gibt es nichts zu protestieren.

    Die Tatsachen sollte man im Vergleich zur Alternative sehen. In diesem Fall, über viele Monate täglich mehrere Tausend Menschen, die gegen unsere Grenze branden und sich dabei noch im Wesentlichen auf dem Gebiet des für uns sehr wichtigen Staates Österrreich befinden, aufzuhalten. Die gehen ja nicht weg, nur weil wir sie nicht rein lassen. Die werden es drauf ankommen lassen, wie aktuell in Südeuropa zu beobachten. Ich bin gespannt, ob es mit der wärmeren Jahreszeit nicht auch zu einer deutlichen Verstärkung der Menschenströme kommt. Sind wir als Gesellschaft dazu bereit, die Floskeln von der Sicherung der Grenzen und der Rückkehr zum Recht in konkrete Praxis umzusetzen? Mit allen Konsequenzen, die sich daraus möglicherweise ergeben? Die Situtation wie sie ist, gefällt niemandem. Aber sie ist in meinen Augen besser, als die Alternative.

    Ich stimme Sloterdijk recht pauschal zu – nur mach ich ihm den Vorwurf, dass er mindestens 2 Jahre zu spät kommt. Zur Zeit der akuten Ukrainekrise gab es großen Bedarf an guten Ratschlägen – aber da kam nichts – man liess dem “Mob” allemnortes (auch in den Medien) freie Bahn – unbesänftigt und fast unkritisiert.
    Die Kulturerosion ist jedem halbwegs geistig auf der Höhe seienden unübersehbar fortgeschritten.
    Man kann jatzt bockig sein und sagen: “Jetzt der auch noch” oder einfach eingestehen, dass es in Deutschland (und eh auch Europa) in den vergangenen Jahren ganz schlecht lief mit der Kultivierung und so. Eine ganze Generation ist den Bach runter gegangen und die neue Generation ist nicht bereit zur Nachfolge. Und wird es wegen fehlender Vorgängergeneration kaum schaffen können.

    Zu Beginn der Ukrainekrise hat die EU in meinen Augen mit fliegenden Fahnen die Nationalisten unterstützt und damit auch all ihren völlig absurden Ideen (man erinnere sich an das Russisch-Verbot, auch wenn’s de jure keins war). Das war in meinen Augen ein riesiger Fehler. Passt auch sehr gut in eine Diskussion über unsere Werte – in meinen Augen haben wir damals eine Räuberbande gegen die andere unterstützt, ganz unabhängig davon, wie man zu Janukowytsch stehen mag.

    Zum ganzen Kulturpessimismus… ich weiss nicht… diese Beobachtung zieht sich zurück bis zur Antike und alles in allem bewältigen wir die aktuellen Krisen grade besser, als noch vor 25 Jahren. Mich wundert ehrlicherweise sogar, dass wir keine alles andere als friedlich verlaufenden Demonstrationen mit Tausenden von Teilnehmern unter den Asylbewerbern haben und keinen Toten pro Monat durch ausländerfeindliche Angriffe. Ob und wie sich das in der Zukunft ändert hängt von vielen Einflussgrößen ab.

    Vor nicht langer Zeit, ich weise in Beiträgen hier ja immer mal wieder drauf hin, habe ich die LTI gelesen und ich denke, ich werde das Buch bald schon wieder in die Hand nehmen. Klemperers Gedanken eignen sich im Moment sehr gut dazu, die Diskussion um Werte zu erhellen.