Und spätestens hier hätte der Richter sein amtsbefugtes Machtwort sprechen müssen: Nicht das milde Strafmaß ist es, was an seinem Spruch empörend ist, sondern die Tatsache, dass er damit letztlich der Lesart des Vaters zustimmt.
Wie ich oben schon sagte: Das Strafmaß an sich setzt schon ein falsches Signal. Denn es ist in vielerlei Hinsicht unangemessen in einem Rechtssystem, das keine Probleme damit hat, junge Menschen für Ladendiebstahl lebenslänglich hinter Gitter zu stecken. Oder je nach Hautfarbe für das gleiche Delikt drastisch verschiedene Strafen verhängt. Das sexuelle Handlungen aus reinem Vergnügen, zum Beispiel von Kindern oder unter – ansonsten einverständlich handelnden – Jugendlichen strenger ahndet als wenn sich junge (angehende?) Sportstars mit Gewalt nehmen, worauf sie einen natürlichen Anspruch zu haben glauben. Auch wenn es zynisch klingen mag, spielt meiner Ansicht dabei die purtitanische Lustfeindlicheit (Puritaner seien Leute, so sagt man, die nichts mehr fürchten als dass irgendwer irgendwo Spaß haben könnte) eine große Rolle – Sex, wenn er Spaß macht, ist schon automatisch verwerflich. Aber Sex zur Bestätigung des eigenen sozialen Status, der eigenen Überlegenheit, der scheint da schon akzeptabler. Wir alle kennen den Begriff der “sexuellen Eroberung” (“sexual conquests” sagt man im Englischen, und es meint genau das Gleiche) – aber wie viele sind sich bewusst, dass damit nicht nur eine Bewunderung für den Eroberer, sondern auch eine implizierte Toleranz für das Überwinden von Widerstand (= Gewalt) ausgedrückt wird?
Das Problem der Vergewaltigungskultur lässt sich nicht mit längeren Gefängnisstrafen lösen – allein schon, weil sowieso nur ein ganz geringer Teil der Vergewaltiger verurteilt wird. Das Problem ist nicht, welchen Preis man von den Tätern fordert, sondern dass man sie gar nicht erst zu Tätern werden lässt. Hier liegt die Verantwortung – und beim Versagen: die Schuld – der Väter.
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