Auch wenn es mir persönlich eher surreal vorkommt (und ich daher ein paar Tage an mir arbeiten musste, um den Satz ohne Verkrampfung hinzuschreiben): Donald Trump ist offiziell der Kandidat der Republikanischen Partei für das Amt des US-Präsidenten. Die Washington Post hat, wohl inspiriert vom düsteren Szenario, das Trump in seiner Parteitagsrede gezeichnet hat, eine noch schwärzere Prognose dazu abgegeben, was eine Trump-Präsidentschaft für Amerika (und wohl auch für den Rest der Welt) bedeuten würde: Donald Trump is a unique threat to American democracy – Trump, so schreiben die (anonymen) Leitartikler in selbst für die Post unerwartet scharfem Ton, sei “auf einmalige Weise unqualifiziert” für das höchste Amt des Landes und eine Gefahr für die Demokratie insgesamt. Und sie zitieren eine lange Liste von plausiblen Gründen für diese finstere Vorschau, die meisten davon mit dem Charakter und Temperament des nunmehr als konservativen Spitzenkandidaten zu bezeichnenden Immobilien- und vor allem Selbstvermarkters.
Das kann man so sehen, und ich habe an den meisten Stellen bei der Lektüre durchaus zustimmend genickt. Trotzdem fände ich auch ein anderes, weitaus schlichteres Szenario zumindest denkbar: Falls Trump Präsident wird, ändert sich vor allem erst mal … nicht viel. Wie genau dieses Szenario aussehen würde, hängt natürlich davon ab, welche (neuen?) Mehrheiten sich im Senat und im Abgeordnetenhaus bilden werden, doch erst mal geht es natürlich um Trump selbst.
Und dem geht es, wie er ja nun schon unermüdlich verkündet hat, vor allem um Gewinnen – mit anderen Worten: Wenn er die Wahl gewonnen hat, dann hat er auch sein Ziel erreicht. Und im Prinzip läuft das (aus seiner Sicht, jedenfalls) wie ein Immobiliendeal, wobei die Immobilie diesmal die USA insgesamt ist: Der Interessent (= Trump) malt die Mängel des Objekts in den schwärzesten Farben, um den Preis (= die Wählerstimmen) zu seinen Gunsten zu beeinflussen; gleichzeitig werden eventuelle Mitbewerber als unseriös oder unehrlich diffamiert. Und dann, sobald er den “Deal” gewonnen hat, ist es plötzlich die beste Immobilie, die er jemals hatte. Vielleicht wird die Lobby neu dekoriert oder ein paar Wände neu gepinselt (wie beispielsweise beim legendären New Yorker Plaza-Hotel, das Trump um jeden Preis haben wollte) – Hauptsache, man kann den Namen “Trump” groß lesen. So ähnlich muss es auch bei einer anderen Immobilie gewesen sein (wenn meine Erinnerung mich nicht täuscht, war es diese), in die mich 1996 meine Suche nach einem Zweizimmer-Apartment geführt hatte: Sicher, die Eingangshalle war pompös, bis an die Grenze der Geschmacklosigkeit, und auch die Fassade glänzte – Aber die Wohnung, die mir gezeigt wurde, war nicht annähernd den Preis wert, der dafür verlangt wurde. “Aber dafür haben Sie doch das Privileg, in einem Trump-Gebäude zu wohnen”, meinte die Maklerin – mehr hatte sie eigentlich nicht zu bieten.
Doch was bedeutet das nun übertragen auf die US-Politik? Nun, so marode, wie Trump den Zustand der USA als Folge der Obama-Regierung pinselt, ist er ganz gewiss nicht – da braucht’s keine großen Umbauten; alles was er tun müsste, wäre irgendwie seinen Namen draufzusetzen (nach kleinen, kosmetischen Änderungen, die beispielsweise dann aus “Obamacare” eine “Trumpcare” machen würden) und dann die – echten – positiven Zahlen für sich (gemeint ist hier: für Trump) sprechen zu lassen. Für diese Theorie spricht jedenfalls, dass Trump bisher nicht einen einzigen konkreten Plan für die Umsetzung all seiner Versprechen, sei es zum Wirtschaftswachstum, sei es zum Kampf gegen den Islamischen Staat, ja noch nicht mal zum Bau und zur Finanzierung seines Lieblingsprojekts, der Mexikanischen Mauer, vorgelegt oder zumindest skizziert hat.
Falls der Kongress – was jedenfalls nicht undenkbar wäre – auch nach der Wahl unter republikanischer Kontrolle bliebe, müsste Trump zwar ein paar Konzessionen machen (die Steuergeschenke an die Gutverdiener, an denen sich die Konservativen so hochziehen, beispielsweise). Doch im Großen und Ganzen ist es immer leichter, den Status quo beizubehalten, als neue Gesetze durchzudrücken. Für jemanden, der keine große Lust auf echte Regierungsarbeit hat (und das ist bei Trump durchaus zu vermuten – Durchhaltevermögen und Ausdauer sind nicht als seine Stärken bekannt), wäre dies sicher ein plausibles Szenario. Nennen wir es mal “Szenario A”.
Doch es gibt – Szenario B – noch mehr Gründe, warum ich erst mal wenig Aktivität von einem Präsidenten Donald Trump erwarten würde. Der hätte nämlich erst mal das Problem, ein Kabinett zu bilden – wofür man ja wie auch immer qualifizierte Leute braucht. Die haben sich schon nicht gerade ans Podium des Parteitages gedrängt, obwohl sie dort zu nicht mehr als ein paar gefälligen Worten und ein paar Minuten Freundschaftsdienst hätten einbringen müssen. Doch selbst wenn sich kompetente Leute finden würden, säßen sie sicher auf einem Schleudersitz: Kaum anzunehmen, dass Trump es ertragen könnte, wenn ein anderer Name heller leuchtet, über eine andere Person besser berichtet wird als über ihn.
Doch nicht nur, dass Trump sich schon schwer tun dürfte, ein einigermaßen kompetentes Kabinett aufzustellen: Diese Berufungen müssen vom Senat bestätigt werden. Und egal ob nun die Demokraten oder die Republikaner dort in der Mehrheit sein werden, auf freundliches Gefälligkeitsnicken braucht Trump im Senat nicht zu hoffen. Von den Demokraten eh nicht, aber auch bei den Republikanern erfreut er sich dort größter Unbeliebtheit. Und der (bisherige) republikanische Mehrheitsführer Mitch McConnell hat schon durchblicken lassen, dass er bei der Auswahl von Trumps Kabinett mit seiner Meinung nicht zurückhalten werde. Wie gerne sich Trump von so jemandem wie McConnell bevormunden lassen wird, kann man sich leicht ausmalen – andererseits scheint er noch nicht mal zu ahnen, wie groß die Macht des Senats (und vergleichsweise klein die Macht des Präsidenten) tatsächlich ist; generell scheint Trump eher unbeleckt zu sein, was solche Dinge wie verfassungsmäßige Rechte und Pflichten eines Präsidenten angeht.
Wie auch immer dieses Szenario B ablaufen wird: in jedem Fall hätte es zur Folge, dass es lange dauern kann, bis ein Kabinett gebildet wird – und vermutlich noch länger, bis sich die Ministerinnen und Minister in ihre Ämter eingearbeitet haben. Ein paar werden sowieso früher oder später wieder rausfliegen – der Satz “you’re fired” ist ja gewissermaßen Trumps Markenzeichen (auch wenn der ernsthaft von ihm unternommene Versuch, ihn als solches schützen zu lassen, gescheitert ist). Und in jedem Fall könnte das dazu führen, dass erst mal die Funktionäre in den Ministerien das Heft in der Hand behalten und in ihre Arbeit in gewohnter Weise fortführen werden.
Doch es gibt noch ein drittes, nur scheinbar absurd klingendes Szenario: Dass Trump gar keine Lust hat, das Amt überhaupt erst anzunehmen. Denn mehr als gewinnen will er, wie weiter oben schon festgestellt, sowieso nicht. Auch hier wäre das Immobiliengeschäft, in dem er sich ja so wohl fühlt, ein interessanter Indikator: Ziel des Bauträgers ist es ja, sich so schnell wie möglich aus dem Geschäft wieder zurückziehen zu können – am liebsten sind ihm Projekte, die bei der Vollendung bereits weiterverkauft sind. Und tatsächlich hat Trump den Gedanken, er könne die Wahl vielleicht gar nicht erst annehmen, keineswegs so eindeutig zurückgewiesen, wie man es von jeder Person erwarten müsste, die sich um diese mächtige Amt bewirbt. Und selbst seine Vertrauten sind sich da nicht hunderprozentig sicher: Roger Stone, Trumps politischer Berater, konnte sich nur dazu durchringen, der New York Times im bereits verlinkten Artikel zu erklären, er sei sich “ziemlich sicher”, dass Trump “sicherlich das Amt antreten” werde… Was dann passieren würde, wissen noch nicht mal die Experten – aber es wäre dann jedenfalls nicht mehr Trumps Spiel.
Kommentare (31)