“Die sollen Deutsch reden!” Wie oft kann man das mit Bezug auf Einwanderer und Flüchtlinge hören, die sich in Deutschland aufhalten – und diese Phrase taucht nicht nur in den scheinbar spontanen Nachbarschaftsdialogen oder in Stammtischgesprächen auf, sondern früher oder später wird daraus auch ein politisches Postulat gestrickt. Das jüngste Beispiel für dieses politische Pochen auf die integrative Kraft der deutschen Sprache lieferte der baden-württembergische Verbraucherschutzminister Peter Hauk – gegenüber der Zeitung Mannheimer Morgen forderte er:

Wer in unserem Land lebt, sollte in der Landessprache kommunizieren. Das gilt auch für soziale Medien.

Damit bezieht er sich vor allem auf türkische Mitbewohner, die sich seiner Ansicht nach “im Internet häufig nur innerhalb der türkischen Community” bewegen – was immer das konkret auch heißen mag.

Aus meiner persönlichen Sicht ist diese Forderung nach exklusivem Gebrauch der residentiellen Landessprache durchaus faszinierend: Da ich seit gut zwei Jahrzehnten in den USA lebe und, ganz nebenbei bemerkt, diese Zeilen gerade in einem kleinen Strandhaus in Greenport, New York, schreibe, müsste ich sie, nach Hauks Logik, in Englisch schreiben. Denn natürlich schreibe ich sie für eine “deutsche Community” – ja wo kämen wir denn da hin? So kann ich mich doch nie in die US-Gesellschaft integrieren… Doch es wird noch etwas pikanter: Oft sind es genau die gleichen Leute, die sich eben noch über die nicht-deutschen Sprachgepflogenheiten von Zugezogenen entrüstet haben, die mit Entsetzen feststellen, dass ich mit meinem Sohn auf Englisch kommuniziere: “Ja, spricht der denn kein Deutsch? Das geht doch nicht, er ist doch Deutscher!”

Ist er. Und er ist Amerikaner, geboren und seit 16 Jahren aufgewachsen in den Großräumen von New York und Boston. Und nein, er spricht kein Deutsch, auch wenn er es sehr gut verstehen kann – aber es gibt für ihn keinen Anlass, Deutsch zu reden, weil er eben nicht in eine deutsche Community integriert ist: Die einzigen deutschsprachigen Menschen, die er tagein, tagaus trifft, sind seine beiden Eltern, und von denen weiß er, dass sie auch genauso gut Englisch sprechen. Aber er ging schon immer auf amerikanische Schulen, ist in amerikanischen Sportvereinen, hat amerikanische Freunde, mit denen er dann – logischer Weise – in amerikanischem Englisch kommuniziert. Also genau das, was Hauk fordert – und doch muss ich meine Familie praktisch bei jedem Besuch in Deutschland dafür verteidigen, dass wir untereinander Englisch sprechen. Aus der Sicht dieser Deutschpatrioten ist das zwar alles das Gleiche, da sie in D nur Deutsch zu hôren erwarten – aber sie vergessen dabei, dass dieser Horizont einfach zu eng ist – entweder müssen sich Einwanderer grundsätzlich in ihren Gastländern ausschließlich der Gastland-Sprache bedienen (was bedeuten würde, dass Deutsch für Menschen wie mich tabu sein müsste), oder sie sollten das Recht, wenn nicht sogar die Pflicht haben, ihre Heimatsprache als Zeichen ihrer kulturellen Verbundenheit weiterhin zu pflegen. Beide Forderungen schließen einander aus.

Doch diese subjektive Anekdote ist nicht alles: Wie der Sprachlog schon Ende 2014 hier aufgezeigt hat, sind die Sprachkenntnisse von Zuwanderern meist schon gut bis sehr gut – nur, weil sie ihre Heimatsprache noch beherrschen und benutzen, bedeutet ja nicht, dass sie nicht des Deutschen mächtig und damit integriert sind. Nach dieser Logik dürfte sich ja auch sonst niemand in einer ihm oder ihr fremden Sprache ausdrücken. Und schon in diesem Beitrag wurde klar, dass diese Forderungen nach Sprachvorschriften letztlich nur ein perfider Trick sind – sie fordern etwas, was zumeist schon erfüllt ist, und erzeugen damit überhaupt erst den Eindruck eines großen Problems, wo gar keines ist.

Doch natürlich braucht es Zeit, Willen und Mühe, eine neue Sprache zu erlernen; das wird umso schwerer, je älter man ist. Doch die Bereitschaft, diese neue Sprache, im konkreten Fall also Deutsch, zu lernen, ist keineswegs nur eine Bringschuld der Zugewanderten: Wie das Paper Language shift among adolescent ethnic German immigrants: Predictors of increasing use of German over time, das Andrea Michel, Peter Titzmann und Rainer Silbereisen von der Friedrich-Schiller-Unversität in Jena im Oktober 2011 im International Journal of Intercultural Relations veröffentlicht haben, belegen konnte, spielt es für die Umstellung auf die “neue” Sprache eine wichtige Rolle, wie sehr sich die Zuwanderer dieser neuen Gruppe zugehörig und von ihr akzeptiert fühlen. Man könnte also, etwas überspitzt formuliert, sogar sagen, dass wenn erst mal die Integration (und die kann ja von Natur aus nur bilateral funktionieren – niemand kann sich in eine Gruppe gegen deren Widerstand integrieren) im Gang ist, der Spracherwerb geradezu automatisch nachfolgt. “Die sollen erst mal Deutsch lernen” – eine Variante der Eingangs zitierten Stammtisch-Parole – träfe demnach voll daneben: Nein, vor allem sollten sie erst mal wissen, dass sie hier Teil der Gesellschaft werden können.

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Kommentare (33)

  1. #1 tomtoo
    9. August 2016

    ich wollte herrn hauk schon fragen ob englisch in den sozialen medien tolerierbar ist oder nicht ?

  2. #2 Joachim
    9. August 2016

    “…diese Zeilen gerade in einem kleinen Strandhaus in Greenport, New York, schreibe, müsste ich sie, nach Hauks Logik, in Englisch schreiben. ” Ich würde eher sagen, Sie haben es nicht verstanden. Diese Zeilen sind privater Umgang und in diesem darf jeder in der Sprache reden, die er/sie wählt. Es geht darum, daß man mit seinen Mitbürgern kommunizieren können muß. Würde man es auf Sie übertragen, dann wäre es so, daß sie die Zeilen auf deutsch schreiben, weil Sie kein englisch können.
    Es gibt sehr viele Migranten, die sprechen deutsch. Erst kürzlich hatte ich eine vehemente Diskussion mit vermutlich türkischstämmigen Mitmenschen, die deutlich (!) besser deutsch sprachen als mancher Deutscher, nämlich fließend und akzentfrei. Es gib aber auch die anderen Fälle. Und es ist im Sinne der zugezogenen die Landessprache zu lernen, damit man leichter Arbeit finden kann. Das ist einhellige Meinung meines halben, selbst nach Deutschland migrierten Freundeskreises. Interessanterweise trifft die Forderung, daß Migranten deutsch lernen sollten bei hier lebenden Migranten nach meinen Erfahrungen auf mehr Zuspruch als bei Deutschen. Seltsam, oder?

  3. #3 Ingo
    9. August 2016

    Was ist den mit den Dialekten?
    Es gibt Menschen mit deutscher Staatsangehoerigkeit die seit Generationen in der selben Region wohnen, wo ich tatsaechlich Schwierigkeiten habe diese Menschen zu verstehen.
    Eine fliessene Unterhaltung ist nicht moeglich.

    Wer muss sich denn da jetzt anpassen?
    Soll ich den jeweiligen lokalen Dialekt lernen wo ich mich grade auf Durchreise befinde, oder soll ich von den Leuten verlangen doch wenigstens Hochdeutsch als Fremdsprache zu lernen ?

    Was ist mit Soziolekten, die ebenfalls die Verstaendigung erschweren?

    Behoerdendeutsch? Fachsprachen?

    Oder sollte man sich besser auf Englisch unterhalten?
    Immerhin gehoert Englisch zu (fast) jeden Schulabschluss.

    Eine gemeinsame Sprache waere schoen, wird aber bestimmt nicht alle Probleme loesen.

  4. #4 anderer Michael
    9. August 2016

    Herr Schönstein,
    Pardon. Sie leben schon lange in den USA. Der Stammtisch als Klischee reaktionärem Gedankengutes hat ausgedient.

    1. Sie werden immer weniger, ebenso wie das klassische Wirtshaus
    https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/auf-den-doerfern-schliessen-die-wirtshaeuser-13559540.html
    https://www.openpr.de/news/865549/Stirbt-der-Stammtisch-aus-Eine-Tradition-im-Wandel.html

    2. Stammtische sind ein von Vorurteilen behaftetes Klischee
    https://www.wissenschaft.de/bdw-heft/-/journal_content/56/12054/1230243

    Zum Thema: Die Sprache ist wichtig um an der Gesellschaft teilzunehmen. Wenn Türken der dritten Generation Probleme mit der deutschen Sprache haben, ist dies auf den Unwillen ihrer Eltern zurückzuführen, ihre Kinder in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. (Aber auch der deutschen Gesellschaft diesen Weg zu akzeptieren. Inwieweit die deutsche Gesellschaft keine positiven Signale für den gegenteiligen Weg aussendet, ist in der Tat ein wichtige Frage) Sprachliche Integration von Kindern kostet nichts, keinen Cent, nur den Entschluss der Eltern, ihren Kindern den Weg nicht zu verbauen.
    Beispiel zur besseren Erläuterung: Kleines bayerisches Dorf. Zwei Familien aus Russland. Eltern mehr oder weniger deutsch sprechend mit deutlichem Akzent.,Ein zweijähriges Mädchen, spricht mit der Mutter russische Kleinkindersprache.Was macht die Mutter, scheinbar nichts. Sie geht mit dem Kind in eine Krabbelgruppe (deutsch), schickt es in den Kindergarten (deutsch), deutsche Freundinnen hat das Kind. Ergebnis: mit 5 Jahren wird das Mädchen vorzeitig eingeschult und gehört zu den besten der Klasse. Andere Familie: 9 jähriges Mädchen, familiäre Umgangssprache russisch – deutscher Mischmasch. Gleicher Weg : deutsche Freundinnen, deutsche Vereine, deutsches Fernsehen. Mit 16 Jahren Gymnasium Klassenbeste. Diese Integration hat nichts gekostet, nur den Entschluss der Eltern, die Integration der Kinder nicht zu verhindern.
    Gleiches Dorf. “Türkische” Großfamilie (1). Im Prinzip von seiten der Eltern , konservativ islamisch, gleiche Einstellung zur Integration. Kinder gingen in Kindergarten mit christlichen Hintergrund. Besuchten mit Mutter den Gottesdienst zum Jahresbeginn. Der älteste Sohn hatte deutsche Freunde, spielte beim St. Martins- Umzug den Bettler. Aber der Unterschied: zu Hause. Nichts deutsches. Keine Zeitung, keine Medien (nur türkisch oder arabisch). Was hatte das zur Konsequenz: Der Sohn hatte überhaupt keine Vorstellungen von der deutschen Gesellschaft außerhalb des Dorfes. Keinerlei Ideen wie man z.B. Parteien einordnet.( Das gibt es auch bei Deutschen ). Absurde Vorstellungen: ” Die Juden sind am 11.9.2001 in New York alle zu Hause geblieben.Der Anschlag ist eine jüdische Verschwörung”. Meine Frage, woher er es wisse. Das habe ihm sein Onkel aus Amerika erzählt. Auf meine Frage, ob er es denn nachprüfen könne, peinliches Schweigen.(2) Er tat mir leid. Die Sprache ist und bleibt der Schlüssel um an der Gesellschaft teilnehmen zu können und sich auch nicht auszuschließen. Wenn Türken oder türkische Migranten trotzdem ihre Sprache pflegen, ist das zu begrüßen, weil Mehrsprachigkeit von Vorteil ist. Ich habe auch noch nie gehört, dass Deutschpatrioten Ausländern und Migranten den Gebrauch ihrer Muttersprache oder gar deutschen Auswanderern das Deutsche verbieten wollen .Nur die Umgangssprache ist deutsch und wichtige politische Grundsatzfragen sollten auf deutsch diskutiert werden können, was nicht aussschließt, dass türkische Foren nicht auch ihre Berechtigung haben.

    Die Erziehung ihres Sohnes ist ganz allein Ihre Sache. Wenn Sie es für sinnvoll halten, dass er deutsch nicht sprechen kann, so ist es in Ihrer Verantwortung. Mehrsprachigkeit ist von Vorteil. Das habe ich letztens in Frankreich gesehen. Meine Kinder wollten Windsurfen lernen. Baten mit Englisch und einigen Brocken Französisch um einen Englisch sprechenden Lehrer. Die Überraschung, die Leiterin der Surfschule ist Deutsche. Der Sohn,weil in Frankreich aufgewachsen und Vater Franzose , faktisch Franzose. Aber er konnte deutsch (nicht wie ein Muttersprachler, aber wenn ich so gut Englisch könnte, wie er deutsch, wäre ich froh), was in diesem Fall auch ein Wettbewerbsvorteil war, die deutschen Touristen gingen alle dorthin. Und der Sohn nahm die Möglichkeit dankbar an, sein Deutsch auch unter diesem Gesichtspunkt zu pflegen und fragte mich auch hin und wieder etwas:” Heißt es das oder die Schwert ?”

    1. türkisch in Anführungsstrichen, weil sie es selber nicht so richtig wussten. Es wurde arabisch, kurdisch, zaza und türkisch gesprochen, in unterschiedlicher Qualität. Der berliner Zweig der Familie konnte sich mit dem bayerischen Zweig nur auf deutsch unterhalten, weil die Berliner des Arabischen nicht so mächtig waren und das Kurdische bevorzugten.
    2. So was gibt es auch bei hochintellektuellen deutschen Muttersprachlern. Dort ist es Zeichen von Ignoranz. Bei dem Jungen bedauerlicherweise die fehlende sprachliche Möglichkeit, sich selber ein Urteil zu verschaffen.

  5. #5 Rene F.
    9. August 2016

    Herr Schönstein, ich vermute mal, Sie haben das Missverständnis selbst so “gewollt”.

    Natürlich geht es in erster Linie nicht darum, den Migranten vorzuschreiben, wie sie im Privaten sprechen, aber die gemeinsame Sprache eines Landes zu sprechen, ist Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Integration.
    Einfach gesagt: Auf Ihre Situation übertragen bedeutet das, dass Sie sich dem Englischen verweigern und nur Deutsch sprechen würden.

    Rene

    P.S.: Sehr schade, dass Sie Ihrem Kind nicht das Geschenk gemacht haben, mehrsprachig mit Deutsch aufzuwachsen.

  6. #6 Omnivor
    Am Nord"pol" von NRW
    9. August 2016

    Die Aussagen CDU/CSU-Politiker zur deutschen Sprache und Integration werden immer wirrer. Auf der einen Seite unterstützen sie Bestrebungen, das Deutsch nicht einmal bei den Einheimischen an der Schule durchgesetzt wird (“Wir können alles ..”) . Dann importieren sie Personen, die sich nach 300 und mehr Jahren im Ausland noch immer als Deutsche bezeichnen und beschenken sie mit sofortiger Staatsbürgerschaft und Arbeitserlaubnis.
    Trotz einfacher Staatsbürgerschaft himmeln sie immer noch Putin an, im Gegensatz zu der These von Herrn Augstein und kapseln sich von der hiesigen Gesellschaft ab. https://www.nw.de/lokal/kreis_minden_luebbecke/espelkamp/espelkamp/20877560_Kommentar-Mal-so-gesehen-Weiteres-Bethaus.-Ganze-Stadt-im-Auge-behalten.html

  7. #7 anderer Michael
    9. August 2016

    Omnivor
    ist das dein Ernst?
    Setze mal in die Quelle anstatt Baptisten/Mennoniten Moslems ein! Ein Aufschrei ginge durch das Land. Der Autor zeigt Menschenfeindlichkeit aufgrund einer Religionszugehörigkeit.
    Welche Probleme haben wir denn durch Baptisten oder Mennoniten?

  8. #8 anderer Michael
    9. August 2016

    Okay Omnivor
    Du hast mich überzeugt.
    Fisch verkaufen geht gar nicht. Also diese Mennoniten…? Und damit auch noch Ureinwohner helfen wollen ! So darf man sich von der hiesigen Gesellschaft nicht abkapseln, wie du formuliert hast.
    https://www.nw.de/lokal/kreis_minden_luebbecke/espelkamp/espelkamp/20753873_Espelkamper-Mennoniten-helfen-Ureinwohnern-in-Paraguay-durch-den-Verkauf-von-Raeucherfisch.html

  9. #9 Earonn
    9. August 2016

    @Rene F.
    Sie lesen doch, der Junge ist 16. Meinen Sie nicht, der hätte schon vorher was gesagt, wenn er auch Deutsch hätte sprechen wollen? Verstehen kann er’s ja offensichtlich.

    @topic
    In meinem Arbeitsumfeld mit 14 Sprachen scheinen sich die Angehörigen einer Sprache ganz automatisch zusammenzufinden. Keiner kritisiert uns dafür.
    Die Aussage, “die” (TM) sollten erst mal Englisch lernen gibt es auch hier, ebenfalls in Bezug auf Ausländer, allerdings eher von seiten UKIPs & co..
    Könnte daran liegen, dass man schon Glaswegians nicht mehr versteht, wenn sie nicht wollen – und keiner sie auffordert Englisch, Schottisch oder Scots bzw. Gälisch zu reden.

    Zur Zweiseitigkeitn der Integration kann ich Jürgen nur zustimmen. Würde man mich hier anfeinden und mir jeden Fehler im Sprachgebrauch (oder Gepflogenheiten) vorhalten, hätte ich sicherlich nicht so viel Kontakt zu Einheimischen, der wiederum meine Integration unterstützt.

    Demgegenüber hat Tony Blair wohl mal angeregt, Fremdsprachen gänzlich aus den Schulen zu streichen: die Welt spräche doch eh Englisch….
    *Kopf -> Tischplatte*

  10. #10 Rene F.
    9. August 2016

    @Earonn

    “Sie lesen doch, der Junge ist 16. Meinen Sie nicht, der hätte schon vorher was gesagt, wenn er auch Deutsch hätte sprechen wollen?”

    Soweit ich verstanden habe, ist der Sohn komplett in den USA aufgewachsen. Das Erlernen einer weiteren Sprache läuft für ein Kleinkind quasi nebenbei ohne Zusatzaufwand. Warum also das Kind nicht dazu anhalten? Wirklich selbständig entscheiden können Kinder in dem Alter noch nicht, da muss man schon etwas nachhelfen

  11. #11 anderer Michael
    9. August 2016

    Earonn
    “mir jeden Fehler im Sprachgebrauch (oder Gepflogenheiten) vorhalten”
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand durch Berlin-Neukölln marschiert und den Migranten Vorwürfe bei inkorrekten Gebrauch des Konjunktiv I und II macht, da komme ich auch ins Schwitzen.
    Das Problem ist : in Deutschland ist die deutsche Sprache wichtig, keine andere. Und manchmal verstehen Türken diesen Umstand besser als Deutsche, wie Joachim richtig schreibt.
    Daher ein Witz aus Köln:
    Ein Kölner ist in einer anderen deutschen Großstadt. Er fragt eine Türken: “Wo geht es hier nach Aldi?” Der Türke schaut überrascht und antwortet: ” …zu Aldi”. Der Kölner ganz entsetzt: “Was! Aldi hat geschlossen!”

    Ob der Sohn des Herrn Schönstein, deutsch reden soll, liegt einzig in der Veranwortung der Eltern. Da gibt es kein richtig oder falsch. Mehrsprachigkeit ist mit Sicherheit kein Fehler. Theoretisch sollten wir das fremdsprachliche Potential der Migranten nutzen. Türkisch oder russisch sprechende Vertriebsingenieure wären ein großer Wettbewerbsvorteil für unsere Wirtschaft ( nicht unbedingt in der aktuellen politischen Lage), aber wir schaffen es noch nicht mal allen Kindern (auch den deutschen) ausreichend Sicherheit in der deutschen Sprache zu vermitteln.

  12. #12 Jürgen Schönstein
    9. August 2016

    @Joachim und alle, die dieses Blog für einen “privaten Umgang” halten:
    Nein, Blogs sind ein soziales Medium, und da ich keine(n) meiner LeserInnen hier, privat kenne (und wenn, nicht privat mit ihnen via Blog kommunizieren würde), fällt das doch genau in die Kategorie, die von den Politikern immer kritisiert wird. Und zudem: Auch die von mir beobachtete Aufregung, wenn ausländische Familien (vor allem mit levantischem Aussehen) in ihrer Heimatsprache reden, bezieht sich eben speziell auf diesen “privaten” Umgang. Wenn’s nach den Forderungen der radikalen Sprachintegrierer ginge, dürften Einwanderer-Eltern nicht mal mit ihren Kindern in ihrer ursprünglichen Sprache reden.

    @alle, die sich Sorgen um die Sprachkenntnisse meines Sohnes machen:
    Ich habe oben sogar typografisch hervrogehoben, dass er kein Deutsch spricht – weil er nicht will. Das heißt nicht, dass er es nicht kann.

  13. #13 kari90
    9. August 2016

    @anderer Michael:
    “[…], aber wir schaffen es noch nicht mal allen Kindern (auch den deutschen) ausreichend Sicherheit in der deutschen Sprache zu vermitteln.”

    Da muss ich Ihnen völlig zustimmen. Nicht nur bei Kindern von Migranten kommt es vor, dass es von zuhause aus nicht möglich, ist den Kindern eine gute Basis für das Erlernen von sauberem Deutsch mitzugeben. Ich habe als Studentin immer wieder Nachhilfe in verschiedenen Fächern gegeben und bemerkt wie viele Kinder, die es in der Schule wirklich schwer haben, nicht ausreichend gut lesen können, um Aufgaben zu verstehen. Umgekehrt schlägt sich das auch in der Ausdrucksweise nieder (in Wien reden Kinder von Nicht-Migranten oft mit einem stärkeren “ausländischen” Akzent als Kinder von Migranten), da einfach zu wenig gelesen wird.

    Klar – diesen Kindern ist es nicht möglich, wie Sie in dem vorhergehenden Beitrag geschrieben haben, dass sie sich über das Netz ausreichend informieren, um solche Dinge hinterfragen zu können. Ich kenne genügend erwachsene Personen in meinem Umfeld von denen ich zu behaupten wage, dass sie nicht anders wie dieser Junge sind – diese Leute sind wohlbemerkt ohne Migrationshintergrund. Sie haben einfach nie gelernt Dinge zu hinterfragen oder nicht jeder Quelle blind zu vertrauen. Wissenschaft ist für diese Leute auch nichts was gefördert gehört, sondern zerstört die Welt. Meinen Sie wirklich, dass nur Leute, die alles verdrängen, auf Hokuspokus hereinfallen? Diesen Leuten fehlen schlicht die Mittel, die ihnen nie gezeigt wurden (wahrscheinlich ein weiterer Fehler im Bildungssystem), um sich zu informieren und oftmals – tja- natürlich auch die sprachlichen Kenntnisse.

    Im Netz findet man mittlerweile so viele Verschwörungstheorien – vielleicht muss man froh sein, dass dieser türkische Junge nicht selber recherchiert hat, ohne vorher gelernt zu haben, welche Quellen vertraulich sind und welche nicht bzw. das eine Quelle alleine für all das nicht ausreicht. Manchmal reicht aber wahrscheinlich auch ein Fünkchen Hausverstand – den kann man aber auch nicht immer voraussetzen.

  14. #14 Chris
    9. August 2016

    Ist es nicht einfach logisch das es für jeden nur von vorteil sein kann sich in der landessprache zu unterhalten gerade in der berufswelt?

    Ich bin koch ich habe wirklich schon mit vielen leuten arbeiten müssen / dürfen, und ich hatte nie wirklich probleme damit mich mit anderst sprachigen menschen zu kommunizieren. Teilweise zwar mit händen und füßen weil weder deutsch noch english aber es hat immer funktioniert. Aber der punkt ist der es wäre oft leichter, schneller und für mich als koch während der arbeit mit weniger stress verbunden gewesen hätten diese leute mich besser verstanden.

  15. #15 Stephan
    9. August 2016

    vor allem sollten sie erst mal wissen, dass sie hier Teil der Gesellschaft werden können.

    Sehr guter Satz Herr Schönstein, an der Haltung fehlt es in Deutschland wirklich. Aktuell fällt mir das besonders auf, wenn öffentlich zwischen “Deutschen” und “Muslimen” unterschieden wird, als schließe sich das Gegenseitig aus.
    Aber zur Sprache: Es ist eigentlich schon länger bekannt, dass für die Integration durchaus förderlich ist, wenn Menschen die Möglichkeit haben, sich in ihrer Muttersprache über Probleme, Gefühle o.Ä. auszutauschen. Einige Integrationskonzepte sehen sogar ausdrücklich die Schaffung solcher Communities vor.

    @kari90
    Interessant. Ich habe lange Nachhilfe in Naturwissenschaften gegeben und hatte auch oft den Eindruck, dass die Probleme eher durch mangelndes Sprachverständnis enstehen und nicht etwa “fehlendes Mathetalent”.

    @Rene F.
    OT:

    Das Erlernen einer weiteren Sprache läuft für ein Kleinkind quasi nebenbei ohne Zusatzaufwand.

    So einfach ist das leider nicht. Für die Eltern ist das durchaus mit viel Disziplin und auch mit Zeitaufwand verbunden.

  16. #16 Rene F.
    9. August 2016

    @Stephan

    “Das Erlernen einer weiteren Sprache läuft für ein Kleinkind quasi nebenbei ohne Zusatzaufwand. ”

    So einfach ist das leider nicht. Für die Eltern ist das durchaus mit viel Disziplin und auch mit Zeitaufwand verbunden.

    –>

    Das mag vom Einzelfall abhängen. Unsere Tochter wächst ohne großen Zusatzaufwand viersprachig auf.

  17. #17 Johanna
    Hannover
    9. August 2016

    Zitat Schönstein:”Nein, vor allem sollten sie erst mal wissen, dass sie hier Teil der Gesellschaft werden können.”

    Das wird schwer, wenn diese Menschen aus einer Kultur stammen, in der ein völlig anderes Wertesystem herrscht. Ich toleriere z.B. nicht die Todesstrafe bei abfall vom Glauben oder bei Homosexualität. Auch möchte ich als Frau nicht die Ehre der Familie verkörpern… Es gibt so viele kulturelle Unterschiede, die es verdammt schwer für einige Einwanderer machen, wirklich hier in Deutschland anzukommen. Das ist auch ein Grund, warum ich nicht in Saudi Arabien leben möchte. Selbst wenn ich dort mit Sicherheit das 10fache verdienen könnte.

    Unter den Umständen wird es schon nicht leicht ein friedliches Nebeneinander zu leben.

  18. #18 Rene F.
    9. August 2016

    @Schönstein

    “Wenn’s nach den Forderungen der radikalen Sprachintegrierer ginge, dürften Einwanderer-Eltern nicht mal mit ihren Kindern in ihrer ursprünglichen Sprache reden.”

    Solange sowohl die Eltern als auch die Kinder ausreichend Deutsch können, um sich in die Arbeitswelt und in die Gesellschaft zu integrieren, dürfte doch wirklich egal sein, was die Leute privat treiben. Ich denke mal, so ist das Ansinnen von Hr. Hauk zu interpretieren.

    Ansonsten gilt: Fordern und und Fördern. Wer aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse nicht für seinen Lebensunterhalt sorgen kann, hat den Anspruch auf Sozialleistungen und Aufenthalt verwirkt. Ausnahmen kann es m.E. höchstens für anerkannte Asylbewerber und die nur temporär anwesenden Flüchtlinge nach der Genfer Konvention geben, sicherlich nicht für Wirtschaftsmigranten.

  19. #19 tomtoo
    9. August 2016

    “…auch in den sozialen medien”. hallo jemand zu hause ??
    was kann man da falsch verstehen ?
    ohne diesen anhang ok. aber was soll das ?? braucht man nicht runterreden ist müll bleibt müll da helfen auch alle recycling ( uhhps undeutsch) versuche nichts.

  20. #20 tomtoo
    9. August 2016

    @johanna
    soll ja auch ein miteinander kein nebeneinander sein. und ja ich gebe ihnen absolut recht. ich möchte auch nicht in einem streng religösen land leben. aber abgenzung von anfang an schafft ablehnung so ist das halt. und in dem satz des ehrenwerten herrn politiker ist diese abgrenzung einfach nur versteckt. ” die sprechen fremd über das internet ! das sollte nicht sein !” ja es wird propleme geben und sogar gewaltige. wird zeit das mal einige politiker der rechten fraktion das verstehen. und nicht nur mit mauerbausprüchen kommen. während sie gleichzeitig im gespräch mit und über die wirtschaft doch so gerne das wort globalisierung nutzen.

  21. #21 iceman
    9. August 2016

    Ja klar, die Situation deutscher Akademiker, die in den USA leben und ihr Kind ausschließlich auf Englisch erziehen (warum eigentlich?) ist 1:1 vergleichbar mit den Türken, die in Deutschland leben und sich selbst in dritter Generation weigern, sich zu integrieren und lieber tihren traditionellen Werten anhängen, die weitgehend inkompatibel mit einer liberalen westlichen Gesellschaft sind.

  22. #22 Rene F.
    9. August 2016

    @iceman

    “Ja klar, die Situation deutscher Akademiker, die in den USA leben und ihr Kind ausschließlich auf Englisch erziehen (warum eigentlich?) ist 1:1 vergleichbar mit den Türken …”

    Nein, das ist es nicht, im Gegenteil. Es zeugt von einer hohen Integrationsbereitsschaft, überwiegend die Landessprache zu verwenden, oder?

  23. #23 anderer Michael
    9. August 2016

    Kari90
    “Meinen Sie wirklich, dass nur Leute, die alles verdrängen, auf Hokuspokus hereinfallen? “”
    Sie haben vollkommen recht, das wollte ich nie und nimmer behaupten. Mein Kommentar war viel zu lang und sprunghaft. Da kommen leicht Missverständnisse auf.
    Am Schluss Fußnote 2 habe ich es erläutert.
    “So was gibt es auch bei hochintellektuellen deutschen Muttersprachlern. Dort ist es Zeichen von Ignoranz. Bei dem Jungen bedauerlicherweise die fehlende sprachliche Möglichkeit, sich selber ein Urteil zu verschaffen.”

    Herr Schönstein:
    Ihr Zitat: “Wenn’s nach den Forderungen der radikalen Sprachintegrierer ginge, dürften Einwanderer-Eltern nicht mal mit ihren Kindern in ihrer ursprünglichen Sprache reden.”

    Wirklich? (1)

    1. Ich versuche es mal ganz kurz. Anstatt langatmiger verwirrender verquaster Textwände, bei denen ich mich am Ende auch nicht mehr auskenne.

  24. #24 Rene F.
    9. August 2016

    @Stephan

    “Aktuell fällt mir das besonders auf, wenn öffentlich zwischen “Deutschen” und “Muslimen” unterschieden wird, als schließe sich das Gegenseitig aus.”

    Da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Die Scheindebatten um Religionen gehen vollkommen am Thema vorbei. Der eigentliche Konflikt lautet verkürzt “aufgeklärte, säkularisierte Gesellschaft” vs. “Religion über alles”

  25. #25 DH
    9. August 2016

    Sprachkenntnisse werden überschätzt. Es ist sinnvoll , wenn Migranten gute Kenntnisse der Landessprache haben , es ist ätzend , wenn man sich einfach nicht richtig verständigen kann , z.B. unter Kollegen , und es ist auch respektlos , wobei das Problem nach meiner Erfahrung schon beginnt , wenn man das Pech hat , mit Kollegen aus Schwaben zusammen arbeiten zu müssen.

    Mit Integration , was immer dieses Totschlagargument auch bedeuten mag , hat Sprache wenig bis gar nichts zu tun.
    Die Drahtzieher des islamischen Faschismus sitzen meist im muslimischen Mittelstand Europas und haben beste Kenntnisse der Landessprache , was mehr als deutlich zeigt , daß solch oberflächliche Kriterien nicht nur ineffezient , sondern sogar kontraproduktiv sind.

    Die Fixierung auf Arbeit und Sprache gibt Leuten , die hochgradig desintegriert sind , eine super Fassade , um sich hinter der Maske des “anständigen” Bürgers zu verschanzen und ihre problematischen Sichtweisen bis tief in die Mitte der Gesellschaft zu tragen.

    Das gilt für Migranten genauso wie für Deutsche , von denen es ja schließlich auch haufenweise Leute gibt , die nach außen hin hoch-“integrierte” Bürger zu sein scheinen , die aber Denkweisen an den Tag legen , die eigentlich nur als assozial bezeichnet werden können.

  26. #26 Hobbes
    9. August 2016

    Ein großes Problem in der aktuellen Diskussion ist das bei “Ausländern” zu oft zu viel vermengt wird. Und das nicht nur auf Seiten der “Kritiker”. Die Deutschtürken sind hier zu lande genau so gespalten wie es die Türken in der Türkey sind. Erst letzte Woche habe ich auf der Arbeit einen Russen*1 kennengelernt der Russland hasst und die Türkey total toll findet. Er war überrascht, dass ich sofort wusste das er gebürtig aus Tschetschenien kommt.
    *1 (er besitzt keinen deutschen Pass, da er dafür den russischen abgeben müsste was Familienbesuche erschweren würde. Lebt seit seinem zweiten Lebensjahr in Deutschland).

    Natürlich muss man für Diskussionen verallgemeinern aber es gibt doch sehr große Unterschiede in den Gruppen. Bei der aktuellen Diskussion macht es wohl am meisten Sinn zwischen integrationswilligen und unwilligen zu unterscheiden. Gerade in der türkischen Community ist der letzte Teil leider sehr ausgeprägt und geht auch sehr aggressiv gegen die vor die ihre “Herkunft verleugnen”. Assismilation gilt als “Verbrechen gegen die Menschlichkeit”.
    Das linke “Antideutschtum” haben viele von denen ebenfalls verinnerlicht. Bei den Deutschrussen (welche ebenfalls Russland extrem höhrig sind) ist das Antideutschtum zum Beispiel kaum verbreitet.
    Man sollte die Gefahren die von diesen Gruppen ausgeht nicht unterschätzen. Während bei den türkischstämmigen ein stärkerer sprachlicher Deutschzwang durchaus etwas bewirken könnte sehe ich das bei Russlanddeutschen als sinnlos an. Die Parallelgeselschaften die sich dort gebildet haben sprechen auch untereinander deutsch.

    P.s Ich finde es übrigens sehr gut, dass wenn man von Ausländern redet kaum einer EU Mitglieder meint. Das zeigt wie schön die EU trorz aller Kritik schon zusammen gewachsen ist.

  27. #27 Rene F.
    9. August 2016

    @Hobbes

    “Ich finde es übrigens sehr gut, dass wenn man von Ausländern redet kaum einer EU Mitglieder meint. Das zeigt wie schön die EU trorz aller Kritik schon zusammen gewachsen ist.”

    Ich würde das aber einschränken auf die “alte” EU ohne Osterweiterung.

  28. #28 Stephan
    9. August 2016

    @ Rene F.
    Erstmal zu ‘Bilingual’: 1.
    Stimmt natürlich…das ist von Fall zu Fall verschieden; besonders Zugang zu Fremdsprachen im sozialen Umfeld in ein Faktor, den Hr. Schönstein ja schon angesprochen hatte.
    Und 2. 4 Sprachen…alle Achtung

    Ich finde es aber generell nicht hilfreich, Probleme auf derart verkürzte Formeln zu bringen wie “a vs b” runterzubrechen. In den meisten Fällen führt das nur zu Verallgemeinerungen und Kämpfe gegen Pappkameraden.

    Hobbes hat über mir ein Paar wichtige Sachen genannt, wobei ich auch anderen deutlich widersprechen würde (z.B. “Antideutschtum” ist so ein beliebter Pappkamerad). Auch das mit der Assimilation unter der Türken würde ich so nicht stehen lassen…das ist letztendlich genauso eine unzulässige pauschalisierung.

    Aber ein Punkt ist wirklich interessant:

    Ich finde es übrigens sehr gut, dass wenn man von Ausländern redet kaum einer EU Mitglieder meint. Das zeigt wie schön die EU trorz aller Kritik schon zusammen gewachsen ist.

    Genau…und es sollte uns als Gesellschaft mal anregen zu Überdenken, welche Maßstäbe wir an ‘Fremde’ anlegen, um zusammen Leben zu können.
    Schließlich würde niemand einen schwedischen Nachbarn dumm anschauen, wenn er kein Deutsch spricht, sein Englisch aber mehr als ausreichend ist.
    …aber das ist dann sicher der nächste Schritt

  29. #29 user unknown
    https://demystifikation.wordpress.com/2016/08/10/fahrende-friteuse/
    10. August 2016

    Ich kenne Kinder, deren Eltern haben sie in Deutschland auf einen französischen Kindergarten, dann ~ Schule, dann ~ Gymansium geschickt.

    Irgendwann sprach ich über Kreise und Durchmesser – sie wussten nicht, was das ist, ein Durchmesser! Dann zeigte sich aber, dass sie das sehr wohl wissen, sie kannten das deutsche Wort nur nicht.

    Also ob diese Mehrsprachigkeit von Klein auf so segensreich ist, bezweifle ich schon ein wenig.

  30. #30 Hobbes
    10. August 2016

    @ReneF:
    Ja stimmt gegenüber den Osteuropäern gilt das leider nur eingeschränkt. Wobei die Polen auch schon komplett als EU-Bürger wahr genommen werden. Bei dem Baltikum sollte das auch recht schnell gehen da diese sich sehr um die Integration bemühen. Bei Ungarn und Rumänen wird es aber wohl noch eine ganze Weile dauern.

    @Stephan:
    Das mit der Assimilation hat Erdogan 2011 genau so gesagt als er in Köln eine Wahlkampfrede im Stadion gehalten hat.
    Und ich hatte nicht vor Antideutschtum hier als Pappkamerad aufzubauen ich sehe es bei den Türken (beziehungsweise Türkischstämmigen) jedoch als großes Hindernis an.
    Ich sehe den Hass auf Deutschland bei vielen Linken auch als sehr hinderlich für die Integrtion an. Nicht weil man dieses (oder irgendein) Land lieben muss, sondern weil in diesen Kreisen ausländerdischer Geschichtsrevisionismus nicht nur tolleriert sondern sogar gefördert wird. Mir fällt nicht selten die Kinnlade runter was für Sätze eigentlich gebildete Linke da so von sich geben.
    Es ist nicht verwunderlich das jemand der die Wahl hat sich dann nicht für die “böse” deutsche Kultur sondern für die “heimische” entscheidet. Wobei meistens natürlich gar nicht klar ist, was “Die deutsche Kultur” überhaupt ist. (Weder bei denen die sie ablehnen, noch bei denen die sie vertedidigen)

    @user unknown:
    Meiner Meinung nach ist viel davon auch auf ein angebergehabe der Eltern zurück zu führen. Viele Sprachen sprechen zu können gilt als ach so clever und der 12 jährige der nen bischen Spanisch kann ist halt besser zum Vozeigen als ein Kind mit Interesse an Chemie. Diese Gruppe ist meiner Meinung nach aber irrelevant wenns um Integration geht. Um ehrlich zu sein ist diese Gruppe für mich eh immer irrelevant sofern sie mir nicht gerade auf die Nerven geht.

  31. #31 Laie
    11. August 2016

    Mehrsprachigkeit im Sinne, die Sprache des Landes zu beherrschen plus mehr ist sicherlich gut. In Schulen soll es Probleme geben mit Schülern, die die deutsche Sprache nicht sprechen, sondern nur Türkisch.

    Man stelle sich das Problem mal umgekehrt vor, man habe ein Kind, das in den USA lebt, und nur Deutsch versteht, aber kein Englisch, dann hätte es in der Schule dort ein Problem.

    Positive Fälle von Integration zeigen, dass die dortigen Migranten-Schüler auch gut Englisch sprechen, was ja gut ist.

    Ähnliches dürfte für Deutschland auch gelten, oder etwa nicht?

  32. #32 Stephan
    11. August 2016

    @Hobbes

    Ich stimme dir in (fast) allen Punkten zu. Wir unterscheiden uns glaube ich nur darin, welcher Größenordnung wir den Punkten zumessen.

    Bsp: ‘Antideutschtum’
    Ein richtiger Hass auf alles, was man als Deutsch identifiziert ist verbreitet in extremen Linken kreisen. Diese Gruppen sind sehr laut, aber auch sehr klein und praktisch ohne nennenswerten Einfluss (daher der Begriff Pappkamerad). Die Antifa ist oft ärgerlich bis ätzend bei Demos, nervig wenn sie Leute an den Pranger stellt, aber sie immernoch marginal (und verkleinert sich eher weiter…zumindest mein Eindruck). Über diese Kreise hinaus ist ‘Antideutschtum’ kaum verbreitet.

    zu den Türken:
    Natürlich hat Erdogan das gesagt und das sagt einiges über ihn aus. Ich hatte mal das Glück eine türkische Familie kennenzulernen, die ‘ihre Kultur’ bewusst auslebten, aber alle Hebel in Bewegung setzten, dass der Sohn gut erzogen und gut in der Schule ist. Und sie waren sehr darauf bedacht, sich von ihren ‘Landsleuten’ abzusetzen.
    Die Sache ist aber, dass man von denen praktisch gar nichts mitbekommt, wie auch…sie sind ja praktisch unsichtbar für die Öffentlichkeit. Von dieser Gruppe hört man nur was, wennes darum geht, ob Muslime Schützenkönig werden können. Daher muss man finde ich aufpassen, dass man da nicht einem Informationbias aufsitzt, wenn man etwas für größer hält, nur weil man davon öfter hört.
    Was du art Gegensatz zwischen ‘deutscher’ und ‘heimischer’ Kultur halte ich eher für ein Sympton sozialer Probleme. Was du sehr richtig über die ‘deutsche Kultur’ gilt denke ich auch für die türkische. Ich glaub da Herrscht hier und in der Türkei keine Enigkeit darüber, was das sein soll…im Moment sind die Bruchstellen etwas überdeckt, aber ich glaube, sie sind deutlich ausgeprägter, als in Deutschland

  33. #33 Smok Danek
    24. August 2016

    Der Artikel vereinfacht eine sozial und linguistisch äußerst komplexe Sachlage. Als selbst vor Jahrzehnten Eingewanderter und mit einer eingewanderten Frau zusammen lebend kann ich die Lage nicht nur aus sprachwissenschaftlicher, sondern auch als persönlich-anekdotischer Sicht betrachten. Letzteres kann ich mit dem Verfassen sogar teilen. Erfahrungen als Sprachlehrer liegen ebenfalls vor – keine statistisch relevanten, aber immerhin.

    Gleich zu Beginn darf ich das dicke Rohr rausholen: “Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt”. Treffender und lapidarer als Ludwig Wittgenstein in seinem bekanntesten Werk lässt es sich nicht formulieren. Wer die Sprache seiner Gastlandes nicht ausreichend beherrscht, für den wird der Traum von einer Wahlheimat für immer unerfüllt bleiben. Denn er wird überall anecken. Es ist schlicht unmöglich, sich ohne umfangreiche Sprachkenntnisse in eine monolinguale Gesellschaft – dies ist Deutschland nach wie vor, allem Denglish und Multibunti zu trotz sowie gerade wegen der vielen lokalen Dialekte – auch nur annähernd zu integrieren. Dafür gibt es mehr als genug Beispiele weltweit.

    Erfahrungsgemäß muss ein “Steifmuttersprachler”, um es nach Hölderlin zu sagen, die Sprache sogar wesentlich besser beherrschen als der Durchschnitt der Muttersprachler, und zwar in Wort und Schrift. Das ist keine leichte Aufgabe und ein Vorhaben fürs Leben. Aber: Es geht!

    Anekdote: Als meine Frau vor rund 20 Jahren aus einem damals noch nicht EU-Land nach Deutschland kam, sprach sie genau drei Wörter Deutsch: “Danke”, “Bitte” und “Wüstenrennmaus”. Warum Wüstenrennmaus, lasse ich unser kleines Geheimnis sein. Vielleicht war es sogar ein anderes Tierchen. Wir haben erst einmal in die Sprache investiert: Intensiv-Ganztageskurs. Dieser wurde von keiner staatlichen Stelle bezahlt, nicht einmal bezuschusst. Keine Chance. Die Gebühren nagten eineinhalb Jahre lang spürbar am knappen Haushalt des jungen Paares. Heute spricht meine Liebste ein fehlerfreies und nahezu akzentfreies Hochdeutsch, durchaus mit Elementen örtlichen Kolorits. Das liegt sicherlich an der persönlichen Veranlagung, aber auch daran, dass wir uns in keinen sprachlichen Echokammern aufhielten, sondern bewusst und gezielt in der deutschen Gesellschaft. Das geht und ist meines Erachtens das einzig Sinnvolle. Ich baue mir nicht ein Leben in einem anderen Land auf, um mich aber bitte aus dem Lande geistig heraus zu halten, frei nach dem alten Klischee “Spanien ist fein, wären da nicht diese ganzen Spanier…” (die Bezeichnung für Land und Leute sei austauschbar). Uns geht es heute gesellschaftlich gut, beruflich / materiell auf dem guten Niveau der noch streckenweise vorhandenen deutschen Mittelklasse, kulturell… gut, ich will hier nicht überheblich wirken.

    Andererseits kenne ich Leute aus allen Herren Länder, die in D 20 oder 30 Jahre leben und eher rudimentäres Deutsch ihr eigen nennen. Ausnahmslos gehen diese Leute entweder Hilfsjobs nach oder leben von Transferleistungen. Ich bin kein Soziologe, um hier nach kausalen Ketten zu forschen, aber wenn ich einen russlanddeutschen Kunsthistoriker im Supermarkt Regale auffüllen oder die kasachische Biologielehrerin in der Putzkolonne sehe, dann bin ich zwar weit davon entfernt, diese Arbeiten abwertend zu betrachten, wünschte ich den Leuten aber doch etwas, was sie mehr fordert – und was allen Beteiligten unter Umständen doch noch mehr nutzt als wichtige, aber simple und prekäre “Jobs”. Nur: Ohne exzellente Sprachkenntnisse wird’s schwer mit dem Lehramt…

    Noch eines zum Stammtisch-Klischee: Ich bis Aussiedler (kein “Spätaussiedler”, sondern einer noch aus den 1980er, als die Mauer noch brav stand) und habe die “Willkommenskultur” in der Bundesrepublik schon am Tore von Friedland so erlebt: Hier wird Deutsch gesprochen. Einige Info-Broschüren für die neu Angekommenen lagen zwar in anderen Sprachen vor. Aber ansonsten war Deutsch die Amtssprache™. Eiskalt! Kein Englisch, kein Französisch, kein Latein, kein Polnisch, kein Ungarisch, kein wasauchimmer. Da waren selbst ehrenamtliche Helfer konsequent. Und? Und es ging, es funktionierte, es war verdammt hilfreich, nicht nur für mich, der ich von zu Hause, im Standard-Uni-Lektorat und selbstlernend etwas aufpoliert, bereits deutsche Sprachgrundlagen im Gepäck mitbrachte. Sondern für alle Beteiligten. Der Vermerk “Sprich kein Deutsch” auf der Umlaufkarte brachte im Übrigen Minuspunkte im Anerkennungsverfahren.

    Ein Trauma habe ich angesichts dieser “Aufnahmekultur” nicht davon getragen, sie machte mich auch nicht zum Nationalsozialisten. Zum Nachahmen sehr empfehlenswert!