Seitdem sich abzeichnet, dass er aus den amerikanischen Präsidentschaftswahlen am 8. November voraussichtlich nicht als Sieger hervorgehen wird, hat sich der – muss ich ihn eigentlich noch vorstellen? – republikanische Spitzenkandidat Donald Trump bei jeder unpassenden Gelegenheit bemüht, Zweifel an der Legitimität des anstehenden Wahlverfahrens zu säen. Hat er Recht? Werden die Präsidentschaftswahlen zu seinem Nachteil manipuliert? Die Antwort ist simpel: Nein. Aber trotzdem hat er in einem Punkt Recht: Die Wahlen werden nicht fair sein – zumindest aus der Sicht des Prinzips, dass jede Stimme das gleiche Gewicht haben sollte. Doch erstens ist dies, wie ich hier schon mal versucht habe zu erklären, seit der Gründung der Vereinigten Staaten so gewollt – und zweitens ist diese “Stimmenmanipulation” eher etwas, von dem Trump tendenziell eher profitieren wird.
Dazu muss man ein paar Dinge verstehen: Erstens entscheiden die WählerInnen nicht darüber, wer im Januar 2017 ins Weiße Haus einzieht – sie entscheiden nur in jedem einzelnen Bundesstaat über die Delegierten zum Wahlkollegium (Electoral College), das dann wiederum am 19.Dezember darüber abstimmen wird, wer die Nachfolge Barack Obamas antreten darf. Und zweitens setzt sich dieses Wahlkolleg nicht proportional zu den Einwohnerzahlen der jeweiligen Bundesstaaten zusammen, – wie man nach dem Prinzip One person, one vote (etwa: jede Stimme zählt gleich) erwarten sollte: Wählerstimmen in bevölkerungsarmen Bundesstaaten wie Alaska oder Montana wiegen deutlich schwerer als Wählerstimmen in den Bevölkerungszentren New Yorks oder Kaliforniens.
Wyoming beispielsweise hat aktuell insgesamt 223.065 stimmberechtigte WählerInnen (= Wahlberechtigte, die sich als stimmberechtigt registrieren ließen); in Kalifornien sind nach letzter Zählung 18.251.826 Personen im Wahlverzeichnis eingetragen. Doch Wyoming wird drei WahlvertreterInnen ins Electoral College entsenden – eine(n) je 74.355 Einwohner. Kalifornien schickt zwar 55 Personen ins Wahlkollegium, also gut 18-mal so viele wie Wyoming, hat aber fast 82-mal so viele Einwohner; anders herum gerechnet: Eine Stimme in Wyoming hat rund das viereinhalbfache Gewicht einer Stimme in Kalifornien. Und wenn wir uns anschauen, welche Staaten vor allem im republikanischen (rot) oder im demokratischen Lager (blau) sind, dann fällt auf, dass diese kleinen Staaten, in denen Stimmen überproportional schwer wiegen, bevorzugt republikanisch wählen (hier die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl von 2012):
(Quelle: Wikipedia)
Der Grund für diese Stimmenungleichheit ist, dass sich die Größe der bundesstaatlichen Delegationen nach deren Vertretung in beiden Häusern des US-Kongresses bestimmt; und während die Vertretung im Repräsentantenhaus von der Zahl der jeweiligen EinwohnerInnen des Staates abhängt (Wyoming hat einen Sitz im House of Representatives), hat jeder Staat im Senat zwei Sitze – unabhängig von seiner Größe. Diese “Misrepräsentation” der bevölkerungsschwachen Regionen war eines der Zugeständnisse, das die großen Küstenstaaten bei der Gründung der USA machen mussten, weil die kleineren Staaten andernfalls, aus (nicht unberechigter) Sorge, in allen föderalen Angelegenheiten permanent überstimmt zu werden, aller Weisheit nach den Beitritt zur Union verweigert hätten.
Ein weiterer Trick, wie das Gewicht einzelner Stimmen manipuliert wird, ist das sogenannte Gerrymandering, also die typischer Weise von der jeweiligen regionalen Mehrheitspartei betriebene Neufestlegung von Wahlbezirken, die ihrer Seite einen Vorteil verschaffen soll. Im Prinzip könnte das so aussehen:
Wie die Grafik zeigt, kann durch geschicktes – wenn auch unter Umständen sehr unregelmäßig anmutendes – Ziehen der Wahlbezirksgrenzen die eine oder die andere Partei ein Ergebnis erreichen, das nichts mit der tatsächlichen Präferenz der WählerInnen zu tun hat. Und dies ist nicht nur ein theoretisches Problem: Gerrymandering ist eine der Lieblingsbeschäftigungen der US-Politik; mit diesem Trick konnten Republikaner aus North Carolina beispielsweise neun der insgesamt 13 Kongressmandate erzielen, obwohl 51 Prozent der Stimmen an die Demokraten gingen. Doch diesen Sport betreiben natürlich nicht nur die Republikaner…
Wenn also jemand feststellt, dass in den USA nicht jeder Wähler oder jede Wählerin die gleiche Chance hat, seine oder ihre Stimme geltend zu machen, dann stimmt das absolut und uneingeschränkt (von systematischen Versuchen, Minderheiten an der Stimmabgabe zu hindern, mal abgesehen); allerdings war dies schon immer so. Und wie gesagt, zum Schaden des Kandidaten Trump ist es gewiss nicht. Der schadet sich am meisten selbst…
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