Eigentlich hatte ich vor, in diesen Tagen noch ein bisschen mehr über Millie Dresselhaus zu schreiben, die ich anlässlich eines TV-Werbespots hier schon kurz vorgestellt hatte. Doch eine Vorlesung, die sie am vergangenen Donnerstag halten sollte (und die ich dann zum Anlass nehmen wollte), wurde kurzfristig durch eine andere Vorlesung ersetzt – was mir aber nicht weiter verwunderlich schien, da dieser Ersatz-Vortrag seinerseits schon wegen eines Schneesturms “umgebucht” werden musste. Das Wetter in Neuengland macht halt Terminpläne schon ganz gerne mal zunichte…
Doch der Grund für die Abwesenheit von Millie Dresselhaus lag viel, viel tiefer: Sie hatte offenbar aus gesundheitlichen Gründen absagen müssen – Gründe, von denen sie sich nicht mehr erholen konnte. Millie Dresselhaus starb am Montag (gestern) Abend, im Alter von 86 Jahren, “nach einer kurzen Periode schlechter Gesundheit”, wie das Massachusetts Institute of Technology in einem Nachruf mitteilte.
Dass Millie Dresselhaus eine Pionierin auf ihrem Gebiet war, steht außer Zweifel: Ihre Arbeit auf dem Gebiet der Kohlenstoff-Nanoröhren gilt als bahnbrechend; wenn es ein Indiz dafür gibt, dann beispielsweise die Tatsache, dass sie bisher die einzige Person ist, die den Kavli-Preis nicht mit anderen Gewinnern teilen musste. Doch es wäre einfach nicht angemessen, wenn man bei all dem nicht erwähnen würde, dass sie vor allem auch eine Pionierin war – auch wenn diese genderspezifische Würdigung den so genannten Finkbeiner-Test nicht bestehen würde. Die Probleme nicht zu erwähnen, die sie allein wegen ihres Geschlechts überwinden musste, würde aber einen wichtigen Aspekt ihrer Identität unterschlagen: Millie Dresselhaus hat sich immer für die Förderung von Frauen in Wissenschaft und Forschung eingesetzt; das Kavli-Preisgeld (immerhin eine runde Million Dollar) hatte sie beispielsweise umgehend dafür verwendet, ihrerseits einen Förderpreis auszuloben: den Mildred S. Dresselhaus Fund, der sich vor allem auch die Frauenförderung zum Ziel gesetzt hatte.
In einer idealen Welt würden wir das Geschlecht einer Person tatsächlich für ebenso (un)erwähnenswert halten wie beispielsweise Haarfarbe oder Schuhgröße – aber dass es überhaupt so etwas wie einen Finkbeiner-Test geben kann (genauer gesagt: dass so ein Test überhaupt als sinnvoll erscheinen könnte), ist zu allererst Frauen wie Mildred S. Dresselhaus zu verdanken, die eine wissenschaftliche Karriere anstrebten, obwohl Frauen dabei scheinbar unüberwindliche Hürden in den Weg gelegt wurden. Und die dabei also nicht nur genauso gut und kompetent sein mussten wie ihre männlichen Kollegen, sondern gleichzeitig auch noch diese Hürden nehmen oder umgehen mussten. Sie mussten also, bildlich gesprochen, wie dereinst Ginger Rogers (die Tanzpartnerin von Fred Astaire) das gleiche leisten, aber “rückwärts und in Stöckelschuhen“. Das Engagement für bessere Arbeits- und Studienbedingungen für Frauen war Millie Dresselhaus immer ein wichtiges Anliegen. Wer mir’s nicht glaubt, kann ja ihre eigenen Worte dazu hören (zum Beispiel am der 19. Minute in diesem allerdings sehr langen Video-Interview):
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