Die Herausforderung in meiner Arbeit war es, diese verschiedenen Skalen miteinander zu verbinden und die Prozesse auf den einzelnen Skalen zu berücksichtigen. Viele andere Studien arbeiten zumeist nur auf einer einzigen Skala, sodass entweder nur einzelnen Straßen abgebildet werden oder nur die ganze Stadt. Bisher gibt es nämlich kaum Methoden, um beides gleichzeitig darzustellen. Denn die Rechenleistung von Computern und die zugrundeliegenden physikalischen Annahmen verhindern die Verwendung derselben Computermodelle auf unterschiedlichen Skalen.
Um diese Probleme zu lösen, habe ich zuerst ein mesoskaliges Computermodell verwendet, ganz ähnlich denen für die Wettervorhersage. Dieses kann große Gebiete abdecken und somit die städtische Wärmeinsel abbilden, aufgrund der groben Gitterweite jedoch keine einzelnen Häuser (https://dx.doi.org/10.1002/joc.4835). Deshalb habe ich auch einfache geometrische Computersimulationen mit einer höheren Auflösung hinzugezogen, die anhand von Daten über Gebäudehöhen und Straßenbreiten den Schattenwurf und Kennwerte für Hitzestress berechnen. Dann habe ich beide Modelle und Skalen so miteinander verbunden, dass sowohl das gesamte Muster des Stadtmosaiks als auch die einzelnen Steinchen abgebildet sind. Zusätzlich habe ich Messungen der tatsächlichen Gegebenheiten durchgeführt, um ein umfassendes Bild zu erhalten und die Modellergebnisse zu überprüfen.
Mit Hilfe verschiedener Klimamodellen auf verschiedenen räumlichen Skalen kann das komplexe Stadtmosaik abgebildet werden und somit auch die Hitzestressgefährdung (eigene Darstellung).
Hotspots in Berlin identifizieren
Eines der Ergebnisse meiner Doktorarbeit ist eine digitale Karte von Berlin, welche die Hitzestressgefährdung an sonnigen Tagen darstellt (https://dx.doi.org/10.1016/j.uclim.2015.11.003). Diese Karte zeigt die mittlere Strahlungstemperatur. Das ist eine Größe für die auf den menschlichen Körper treffende Wärme- und Sonnenstrahlung. Sie beschreibt deshalb an Sonnentagen die Wärmewahrnehmung umfassender als es die Lufttemperatur allein kann. Das Muster an schattigen und besonnten Flächen tritt deutlich hervor. Das Besondere an der Karte ist, dass ich sowohl ganz Berlin als auch einzelne Gebäude, zum Beispiel den Campus der Technischen Universität, sehe. Die Karte zeigt tagsüber eine hohe mittlere Strahlungstemperatur auf offenen Flächen wie dem Vorplatz am Bahnhof Zoo. Einzelne erhöhte Werte sind mitunter nicht problematisch, doch größere Hotspots ohne kühle Zufluchtsorte können gefährlich werden. Wenn die „Verwundbarkeit“ an diesen Hotspots hoch ist, weil sich dort viele Menschen aufhalten, zum Beispiel an Haltestellen, sind dort Anpassungsmaßnahmen besonders wichtig. Diesen Aspekt der Verwundbarkeit habe ich aber bisher noch nicht untersucht.
Insgesamt zeigt die Karte eine große Spanne von Strahlungstemperaturen und damit eine große Vielfalt der Stadtstrukturen, die Hitzestress verstärken oder reduzieren kann. Erst durch die Verwendung meines gekoppelten Modelansatzes ist es nun möglich, die gesamte Spannweite im Detail zu erkennen. Und dieses Wissen über die Hotspots kann entscheidend sein: Wenn Beispielsweise keine Hitzewarnung herausgegeben wird, weil die durchschnittliche Temperatur den Schwellenwert nicht überschreitet, können aber an den Hotspots der Stadt schon deutlich höhere Werte und somit Hitzestress auftreten.
In Berlin ist die Hitzestressgefährdung in verschiedenen Gebieten der Stadt unterschiedlich stark ausgeprägt wie die Karte der mittleren Strahlungstemperatur vom 5. August 2003 um 13 Uhr zeigt (eigene Darstellung).
Gefährdung durch Hitzestress reduzieren
Doch was lässt sich gegen den erhöhten Hitzestress tun? Meine Untersuchungen haben deutlich gezeigt, dass tagsüber Schatten sehr effektiv ist, um die mittlere Strahlungstemperatur zu senken. Beschattete Orte haben aber auch nachts positive Effekte, denn Flächen, die sich am Tag durch Beschattung weniger aufgewärmt haben, geben nachts auch weniger Wärme wieder ab. Neben der Schattenwirkung von Bäumen und Gebäuden habe ich Fassadenbegrünung als Anpassungsmaßnahme untersucht (https://dx.doi.org/10.1016/j.uclim.2015.11.003). Denn Fassadenbegrünung bietet in Städten besondere Chancen, da es in der Regel nur wenig freie Flächen gibt, an denen noch nachträglich Bäume gepflanzt werden oder Parks entstehen können. Fassadenbegrünung hingegen braucht nur wenig Platz und schafft sozusagen einen vertikalen Garten. Meine Ergebnisse zeigen, dass Fassadenbegrünung zwar im Vergleich zu einer nackten Hauswand die Lufttemperatur nur geringfügig reduziert – schon einen Meter vor der Fassade hatte der Wind die Wirkung verwischt. Die Oberflächentemperatur der Hauswand hinter der Begrünung jedoch war deutlich niedriger. Dadurch speichert und setzt die begrünte Fassade weniger Wärme frei, isoliert zusätzlich auch den Innenraum und kann auf diese Art zur Reduzierung von Hitzestress beitragen.
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