Dieser Sommer ist war nur mancherorts und mancherzeit wirklich heiß, aber noch nicht vorbei! Und als Folge des Klimawandels sind auf längere Sicht die Chancen groß, dass wir ziemlich regelmäßig mit Temperaturen werden umgehen müssen, die heute noch als extrem gelten müssten. Dies ist ein Gastbeitrag von Britta Jänicke, die an der Technischen Universität Berlin am Institut für Ökologie promoviert hat und derzeit beim Koreanischen Wetterdienst zum Thema Hitzestress in Seoul arbeitet.
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Eine Stadt ist ein komplexes Gefüge aus Gebäuden, Bäumen und Straßen. All diese Bestandteile beeinflussen das Klima in der Stadt und entscheiden über die Intensität von Hitzestress. Wo die Belastung besonders hoch ist und wie Städte gestaltet sein müssen, um die Gefährdung durch Hitze zu reduzieren, habe ich in meiner Doktorarbeit untersucht.
Das Mosaik aus Gebäuden, Straßen, Plätzen und Parks beeinflusst die lokale Gefährdung durch Hitzestress in Berlin und in anderen Städten. Foro: Sebaso (Own work) [CC0], via Wikimedia Commons
Sie sind unsichtbar und bleiben oft unbemerkt. Dennoch weiß ich durch meine Doktorarbeit von den Hitzetagen, die vor allem Kleinkinder, Senioren und Kranke ernsthaft in Gefahr bringen können. Denn obwohl Hitzewellen nur wenig Aufmerksamkeit bekommen, zählen sie doch zu den gefährlichsten Naturkatastrophen weltweit und kosten jedes Jahr Tausende Menschenleben. Und zwar vor allem dort, wo hohe Temperaturen nur unregelmäßig auftreten und die Menschen nicht gut angepasst sind. Allein bei der Hitzewelle 2003 gab es 70.000 Todesfälle in Europa, die sich statistisch mit erhöhten Temperaturen in Verbindung bringen lassen. Zum Vergleich: Im selben Jahr waren 54.000 Verkehrstote zu beklagen. Die meisten Menschen starben nicht direkt etwa durch einen Hitzeschlag, sondern durch die Verschlechterung bereits bestehender Krankheiten insbesondere des Herzkreislaufsystems oder der Atemwege. Und durch den globalen Klimawandel nehmen die Häufigkeit und die Intensität von Hitzewellen noch weiter zu. Solche fatalen Hitzewellen wie 2003 werden also öfter auftreten.
Im meiner Doktorarbeit habe ich erforscht, wo genau in Berlin die besonders heißen Gebiete, sogenannte Hotspots, liegen und welche Maßnahmen die Gefährdung reduzieren können. Der Fokus lag auf Berlin, denn Städte sind von Hitzewellen besonders betroffen, weil dort viele Menschen eng zusammenleben. In Deutschland wohnen drei von vier Menschen in Städten. Auch weltweit steigt mit der fortschreitenden Urbanisierung der Anteil der Stadtbevölkerung immer weiter an. Darüber hinaus bilden Städte sogenannte Wärmeinseln, welche die Temperatur noch weiter erhöhen. Berlin ist beispielsweise in klaren, windstillen Sommernächten bis zu 10°C wärmer als das Umland. Das heißt, dass während bei Hitzewellen außerhalb der Stadt nachts wieder angenehme Temperaturen vorherrschen, bleibt die Innenstadt von Berlin deutlich wärmer. Dies verhindert beispielsweise einen entspannten Schlaf und die dringend benötigte Erholung von der erhöhten Hitzebelastung des Tages. Der geringere Pflanzenanteil und die stark versiegelten und bebauten Flächen in Städten verursachen diese städtische Wärmeinsel. Somit gibt es weniger kühlende Verdunstung und die Wärme des Tages wird in der Bausubstanz gespeichert und in der Nacht ausgestrahlt.
Das Stadtmosaik Berlins abbilden
In Berlin befinden sich auf engstem Raum viele unterschiedliche Bestandteile der Stadt, die ich bei meinen Untersuchungen berücksichtigen muss: Dichtbebaute Straßenzüge aus der Gründerzeit wechseln sich mit einem Durcheinander an Parkplätzen, Grünflächen und einzelnen Hochhäusern ab. Eine Stadt kann man sich vorstellen wie ein komplexes Mosaik. Je nachdem, aus welcher Entfernung ich das Mosaik betrachte, sind verschiedene Teilchen und Strukturen zu erkennen. Von Nahem sind einzelne Bäume, Gebäude und Straßen erkennbar. Eine solche Auflösung zeigt die Mikroskala. Von einiger Entfernung erkenne ich einzelne Muster des Mosaiks, verschiedene Baustrukturen oder Grünzüge: die Lokalskala. Um die gesamte Stadt zu sehen, muss ich noch einen Schritt weiter auf die Mesoskala zurückgehen: Nun sind die Stadt im Ganzen und auch ihre Unterschiede zum Umland sichtbar, die einzelnen Mosaiksteinchen wie Häuser und Bäume sind aber nicht länger erkennbar.
Die Herausforderung in meiner Arbeit war es, diese verschiedenen Skalen miteinander zu verbinden und die Prozesse auf den einzelnen Skalen zu berücksichtigen. Viele andere Studien arbeiten zumeist nur auf einer einzigen Skala, sodass entweder nur einzelnen Straßen abgebildet werden oder nur die ganze Stadt. Bisher gibt es nämlich kaum Methoden, um beides gleichzeitig darzustellen. Denn die Rechenleistung von Computern und die zugrundeliegenden physikalischen Annahmen verhindern die Verwendung derselben Computermodelle auf unterschiedlichen Skalen.
Um diese Probleme zu lösen, habe ich zuerst ein mesoskaliges Computermodell verwendet, ganz ähnlich denen für die Wettervorhersage. Dieses kann große Gebiete abdecken und somit die städtische Wärmeinsel abbilden, aufgrund der groben Gitterweite jedoch keine einzelnen Häuser (https://dx.doi.org/10.1002/joc.4835). Deshalb habe ich auch einfache geometrische Computersimulationen mit einer höheren Auflösung hinzugezogen, die anhand von Daten über Gebäudehöhen und Straßenbreiten den Schattenwurf und Kennwerte für Hitzestress berechnen. Dann habe ich beide Modelle und Skalen so miteinander verbunden, dass sowohl das gesamte Muster des Stadtmosaiks als auch die einzelnen Steinchen abgebildet sind. Zusätzlich habe ich Messungen der tatsächlichen Gegebenheiten durchgeführt, um ein umfassendes Bild zu erhalten und die Modellergebnisse zu überprüfen.
Mit Hilfe verschiedener Klimamodellen auf verschiedenen räumlichen Skalen kann das komplexe Stadtmosaik abgebildet werden und somit auch die Hitzestressgefährdung (eigene Darstellung).
Hotspots in Berlin identifizieren
Eines der Ergebnisse meiner Doktorarbeit ist eine digitale Karte von Berlin, welche die Hitzestressgefährdung an sonnigen Tagen darstellt (https://dx.doi.org/10.1016/j.uclim.2015.11.003). Diese Karte zeigt die mittlere Strahlungstemperatur. Das ist eine Größe für die auf den menschlichen Körper treffende Wärme- und Sonnenstrahlung. Sie beschreibt deshalb an Sonnentagen die Wärmewahrnehmung umfassender als es die Lufttemperatur allein kann. Das Muster an schattigen und besonnten Flächen tritt deutlich hervor. Das Besondere an der Karte ist, dass ich sowohl ganz Berlin als auch einzelne Gebäude, zum Beispiel den Campus der Technischen Universität, sehe. Die Karte zeigt tagsüber eine hohe mittlere Strahlungstemperatur auf offenen Flächen wie dem Vorplatz am Bahnhof Zoo. Einzelne erhöhte Werte sind mitunter nicht problematisch, doch größere Hotspots ohne kühle Zufluchtsorte können gefährlich werden. Wenn die „Verwundbarkeit“ an diesen Hotspots hoch ist, weil sich dort viele Menschen aufhalten, zum Beispiel an Haltestellen, sind dort Anpassungsmaßnahmen besonders wichtig. Diesen Aspekt der Verwundbarkeit habe ich aber bisher noch nicht untersucht.
Insgesamt zeigt die Karte eine große Spanne von Strahlungstemperaturen und damit eine große Vielfalt der Stadtstrukturen, die Hitzestress verstärken oder reduzieren kann. Erst durch die Verwendung meines gekoppelten Modelansatzes ist es nun möglich, die gesamte Spannweite im Detail zu erkennen. Und dieses Wissen über die Hotspots kann entscheidend sein: Wenn Beispielsweise keine Hitzewarnung herausgegeben wird, weil die durchschnittliche Temperatur den Schwellenwert nicht überschreitet, können aber an den Hotspots der Stadt schon deutlich höhere Werte und somit Hitzestress auftreten.
In Berlin ist die Hitzestressgefährdung in verschiedenen Gebieten der Stadt unterschiedlich stark ausgeprägt wie die Karte der mittleren Strahlungstemperatur vom 5. August 2003 um 13 Uhr zeigt (eigene Darstellung).
Gefährdung durch Hitzestress reduzieren
Doch was lässt sich gegen den erhöhten Hitzestress tun? Meine Untersuchungen haben deutlich gezeigt, dass tagsüber Schatten sehr effektiv ist, um die mittlere Strahlungstemperatur zu senken. Beschattete Orte haben aber auch nachts positive Effekte, denn Flächen, die sich am Tag durch Beschattung weniger aufgewärmt haben, geben nachts auch weniger Wärme wieder ab. Neben der Schattenwirkung von Bäumen und Gebäuden habe ich Fassadenbegrünung als Anpassungsmaßnahme untersucht (https://dx.doi.org/10.1016/j.uclim.2015.11.003). Denn Fassadenbegrünung bietet in Städten besondere Chancen, da es in der Regel nur wenig freie Flächen gibt, an denen noch nachträglich Bäume gepflanzt werden oder Parks entstehen können. Fassadenbegrünung hingegen braucht nur wenig Platz und schafft sozusagen einen vertikalen Garten. Meine Ergebnisse zeigen, dass Fassadenbegrünung zwar im Vergleich zu einer nackten Hauswand die Lufttemperatur nur geringfügig reduziert – schon einen Meter vor der Fassade hatte der Wind die Wirkung verwischt. Die Oberflächentemperatur der Hauswand hinter der Begrünung jedoch war deutlich niedriger. Dadurch speichert und setzt die begrünte Fassade weniger Wärme frei, isoliert zusätzlich auch den Innenraum und kann auf diese Art zur Reduzierung von Hitzestress beitragen.
Fassadenbegrünung kann einen Beitrag leisten, um Hitzestress in Städten zu reduzieren wie die Messungen in Berlin zeigten.
Diese neuen Kenntnisse über die Wirkung des Stadtmosaiks auf die Hitzestressgefährdung sind wichtig, um Städte zukünftig besser auf Hitzewellen vorzubereiten. Im Rahmen des Forschungsprojekts (www.ucahs.org), in das meine Doktorarbeit eingebettet war, sind noch viele weitere Themen im Bereich Hitzestress in Städten erforscht worden, zum Beispiel zu der Umsetzung von Anpassungsplänen in Kommunen oder zur Wirkung von Klimatisierung in Krankenzimmern. Angesichts der weltweit fortschreitenden Urbanisierung und des Klimawandels sind solche neuen Impulse dringend notwendig, um den zunehmenden Hitzestress in Städten zu reduzieren. Nur eine zügige Anpassung kann zukünftig weitere Schäden und Opfer durch Hitze verhindern.
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