Über die Machenschaften so genannter “Open Access”-Journale, die nichts weiter sind als publizistische Beutegreifer hatte ich ja schon mehrfach geschrieben – hier, hier und hier, zum Beispiel – und mich dabei immer wieder gefragt, wer solche ziemlich leicht als unlauter einzuordnende Angebote überhaupt annimmt. Weil ich ja fest davon überzeugt war, dass solche Pay-to-play-Publikationen der akademischen Reputation einer Forscherin oder eines Forschers doch eigentlich nur schaden könnten. Das war, wie ich in einem aktuellen Beitrag in der wöchentlichen Wissenschaftsbeilage der New York Times nun nachlesen kann, ziemlich naiv: Die Wissenschaftsjournalistin Gina Kolata, die sich mit dem Thema auch schon ein bisschen länger und ausführlicher befasst hat, ging just dieser Frage nach und fand heraus, dass viele Akademiker sogar ganz scharf darauf sind, in solchen Pseudo-Journalen (die meist nur Online erscheinen und durch Titel-Mimese versuchen, seriös zu klingen) zu publizieren: Many Academics Are Eager to Publish in Worthless Journals.

Denn nicht nur scheint es so, dass es der Karriere nicht schadet, dort zu publizieren – im Gegenteil:

Academics get rewarded with promotions when they stuff their résumés with articles like these, Dr. Pyne concluded. There are few or no adverse consequences — in fact, the rewards for publishing in predatory journals were greater than for publishing in legitimate ones.
Auf Deutsch etwa: Dr. Pyne kam zum Schluss, dass Akademiker mit Beförderungen belohnt werden, wenn sie ihre Lebensläufe mit solchen Artikeln aufpolstern – tatsächlich lohne es sich sogar mehr, in solchen betrügerischen Journalen zu publizieren als in legitimen.

Der erwähnte Dr. Derek Pyne lehrt an der School of Business and Economics der kanadischen Thompson Rivers University ; er hat für seine Studie über The Rewards of Predatory Publications at a Small Business School, die im Journal of Scholarly Publishing (University of Toronto Press) mal nachgeschaut, wo seine Kolleginnen und Kollegen an dieser kleinen Hochschule denn so publiziert haben. Er fand heraus, dass alle Fakultätsmitglieder, die im vergangenen Jahr befördert wurden, mindestens vier Artikel (pro Person!) in einem fragwürdigen Journal publiziert hatten; zudem haben neun von zehn Fakultätsmitgliedern, die für ihre Arbeit an der Schule eine Auszeichnung erhalten hatten, in solchen Bezahl-Journalen publizert – in einem Fall sogar mehr als zehn Artikel.

Da ich weder diese School of Business and Economics kenne noch Dr. Pyne, und da der Artikel hinter einer Paywall liegt, kann ich nicht ausschließen, dass hier nur jemand sich bei Beförderungen übergangen fühlte und sich nun auf akademische Weise rächt – aber sein Interview mit Retraction Watch deutet an, dass die Leitung der Schule nun offenbar etwas genauer darauf achtet, wer wo was publiziert. Und das wäre ja schon ein Fortschritt…

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Kommentare (3)

  1. #1 Joseph Kuhn
    1. November 2017

    Beeindruckend ist die im Interview mit Retraction Watch verlinkte “Beall’s List”, an der sich Pyne orientiert hat. Ein Beleg für die Leistungskraft der akademischen Marktwirtschaft 😉

  2. #2 Detlef W.
    1. November 2017

    Getreu dem Motto: Bad Publicity is better than no publicity

  3. #3 Schmuddi
    13. November 2017

    Ich will nicht auszuschließen, dass sich auch ein deutsches Rektorat von gut klingenden Journaltiteln täuschen lässt, wenn es z.B. um die Beurteilung leistungsbezogener Bezüge und deren Verstetigung geht: Wenn die 800 EUR Gehaltszulage nur hinter der Bedingung dauerhaft ausgezahlt wird, dass innerhalb von drei Jahren mindestens fünf Publikationen nachgewiesen werden können, kann man die Kosten für dip eine Fake-Publikation schon mal in Erwägung ziehen.