Ein aktuell vieldiskutiertes Thema sind die großen Preisunterschiede bei Fachzeitschriften und was dagegen getan werden kann.
Bei Tiefes Leben gab es ja vor einigen Wochen eine Diskussion über Fachzeitschriften in den Bio- und Geo-Wissenschaften, speziell über die schlechte Online-Verfügbarkeit. Ich hatte hier schon kurz darüber berichtet, daß dieses Problem bei mathematischen Fachzeitschriften wesentlich besser gelöst ist. (Als einziges Gegenbeispiel ist mir die, trotz des Namens forschungsorientierte, Genfer Zeitschrift ‘L’Enseignement Mathematiques’ aufgefallen, die ihre Ausgaben grundsätzlich erst mit 60 Monaten Verspätung online stellt.)
Bei manchen Verlagen muß man (d.h. das Institut, zu dem man gehört) allerdings eine jährliche Gebühr bezahlen, damit man das Online-Angebot nutzen darf.
Die oft sehr hohen Preise für mathematische Zeitschriften sind überhaupt ein aktuell heißdiskutiertes Thema unter Mathematikern, weil häufig Bibliotheken wegen Preissteigerungen Zeitschriften abbestellen müssen. Eine Diskussion der Preise mathematischer Zeitschriften findet man auf Rob Kirby’s Webseite. (Kirby’s letzte Aktualisierung ist aus 2000. Eine aktuelle Liste von Zeitschriftenpreisen findet man hier.)
Um ein plakatives Beispiel aus der langen Liste auszuwählen: nach weit verbreiteter Ansicht gelten die von der Universität Princeton herausgegebenen ‘Annals of Mathematics’ und die vom Springer-Verlag herausgegebenen ‘Inventiones Mathematicae’ als die weltweit führenden mathematischen Zeitschriften, gemeinsam vielleicht noch mit den französischen ‘Publications Mathematiques de l’IHES’, den schwedischen ‘Acta Mathematica’ und dem ‘Journal of the American Mathematical Society’.
Wenn man nun die Preise vergleicht, stellt man fest, daß die ‘Inventiones Mathematicae’ mehr als zehn mal so teuer sind wie die von einem nicht-kommerziellen Herausgeber kommenden ‘Annals of Mathematics’.
Ähnliche Preisunterschiede gibt es häufig beim Vergleich von bei Verlagen produzierten Zeitschriften gegenüber bei Universitäten oder Fach-Organisationen produzierten Zeitschriften.
Bei einem solchen Preisvergleich zugunsten ‘Annals of Mathematics’ muß natürlich fairerweise berücksichtigt werden, daß die Herausgeber und ihre Sekretärinnen ja ohnehin bei der Universität Princeton fest angestellt sind und der Zeitschrift hier also keine Personalkosten entstehen. Aber das alleine erklärt bei weitem nicht den exorbitanten Preisunterschied.
Es hat deshalb in den letzten Jahren Bestrebungen gegeben, mehr Zeitschriften bei Universitäten oder nicht-kommerziellen Organisationen anzusiedeln. 2005 gab es das Banff Protokoll, eine Unterschriftensammlung, mit der sich Mathematiker dazu verpflichten sollten, nicht mehr bei überteuerten Zeitschriften zu veröffentlichen. Die Anzahl der Unterzeichner blieb allerdings bescheiden.
Auf meinem Gebiet, der Topologie, war seit den 60er Jahren ‘Topology’ (Pergamon Press, später Elsevier) die führende Zeitschrift. 1996 wurde an der Universität Warwick ‘Geometry and Topology’ gegründet, die zunächst bis 2006 kostenlos online erhältlich war, und auch heute noch für einen sehr geringen Preis herausgegeben wird (allerdings in der gedruckten Fassung auch billig aussieht). ‘Geometry and Topology’ etablierte sich als fachlich auf dem selben Niveau stehende Zeitschrift wie ‘Topology’, aber die sehr teure ‘Topology’ hatte, sicher auch wegen der größeren Tradition und Bekanntheit, quantitativ deutlich mehr Arbeiten. Viele Wissenschaftler wollten weiter bei ‘Topology’ veröffentlichen, womit natürlich auch das Problem der hohen Preise akut blieb.
Nach langen Preis-Verhandlungen zwischen dem Verlag (Elsevier) und dem Wissenschaftlichen Herausgeber-Gremium von ‘Topology’ kam es schließlich zum Jahreswechsel 2006/07 zum geschlossenen Rücktritt des Editorial Board. Die London Mathematical Society gründete anschließend die neue (und um mehr als 60% billigere) Zeitschrift ‘Journal of Topology’, deren Editorial Board zu 100% mit dem früheren Editorial Board von ‘Topology’ identisch ist, die also offensichtlich eine Fortsetzung der selben Zeitschrift unter anderem Namen und billigerem Preis ist.
Die Entwicklung bei ‘Topology’ wurde auch öffentlich diskutiert, etwa auf der Plattform ‘Algebraic Topology Discussion List’: Elsevier decision, Response and clarification und Followups. Ein ausführlicher Artikel Jumping Ship: Topology Board Resigns erschien in den Notices of the American Mathematical Society.
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