Muß der ‘wahre’ Naturwissenschaftler Kaffee-Trinker sein?
Wie vielleicht schon aufgefallen ist, nutze ich die nachrichtenarme Sommerzeit, um mir auch Blogs anzuschauen, die ich normalerweise NIE lesen würde. Manches davon ist ja in den letzten Wochen schon in verschiedene Beiträge eingeflossen. (Um nicht mißverstanden zu werden: damit meine ich natürlich NICHT den Beitrag über “Begrenzte Wissenschaft” letzte Woche.)
Auf ein besonderes Highlight bin ich am Freitag gestoßen: Eine todernst geführte Debatte darüber, ob man als Naturwissenschaftler Kaffee-Trinker sein müsse.
Kaffee, Evolution und Naturwissenschaftler
Hintergrund ist eine tiefschürfende demografische Studie, aus der eindeutig hervorgeht, daß nur Kaffee-Trinker über ebenjene Eigenschaften verfügen, die man bei naturwissenschaftlicher Arbeit braucht. (Wenn ich es richtig verstehe, behauptet der Blog-Autor aber nicht, daß Kaffee kausal notwendig für naturwissenschaftliches Arbeiten ist. Sondern nur, daß im Verlauf der Evolution gerade die Kaffee-Trinker jene genetischen Eigenschaften ausgebildet haben, die bei naturwissenschaftlichem Arbeiten notwendig sind. Nein, wenn ich es jetzt nochmal durchlese, meint er es wohl gerade umgekehrt. Ist aber eigentlich auch egal. Die Neurokaffeologie gilt sowieso als Pseudowissenschaft.)
Nervende Teeisten
Gerade als Wissenschaftler lernt man ja immer wieder mal überzeigte Teeisten (ist das die korrekte Bezeichnung für ideologisierte Tee-Trinker?) kennen. Also Leute, die eine Riesen-Wissenschaft aus dem Tee-Trinken machen. Sich eine sekundengenaue Tee-Uhr auf dem Computer installieren. Sich ihren Tee aus Indien liefern lassen. Ihre Teekanne in genau berechneten Zeitabständen einmal auswaschen usw usf. Der Tee, der nach solchen wissenschaftlichen Methoden zubereitet wird, ist oft ungenießbar.
Der Hauptgrund, warum ich nur noch Kaffee trinke, sind übrigens solche (früheren) Kollegen. Irgendwann hatte ich es satt, immer wieder ungeniessbaren Tee trinken zu müssen. Und weil man ja seine Kollegen nicht vor den Kopf stoßen will, und sie nicht glauben machen will, man würde nur ihren Tee nicht trinken, bin ich dann dazu übergegangen, zu sagen, ich trinke nur Kaffee.
Kaffee, Macht und Werte
Zurück zu der Diskussion, über die ich schreiben wollte: Da gibt es einen Kommentar von Leser Anton, der meint, methodisches Kaffee-Trinken wäre für einen Naturwissenschaftler eine zu starke axiomatische Festlegung. Leser Balthasar weist darauf hin, daß schon ein bekannter Philosoph polemisiert habe, Kaffee-Trinker würden zum Größenwahn neigen (was der Blogautor dann völlig ernst als einen “Klasse-Beitrag” bezeichnet). Besonders skurril fand ich den Kommentar von Leser Caspar. Dieser bestreitet zunächst vehement, daß es in solchen Debatten, wie immer behauptet, nur um Fragen von Macht und Einfluß (auf die Wissenschaft) gehe. Und führt dann weiter aus:
“Kaffee-Pabst Benedikt Jacobs soll in seiner letzten Enzyklika ´Kaffee Salvi´ (Gerettet durch Kaffee) geschrieben haben: “Auch wer nicht Kaffee trinkt, solle so leben, als wenn er es täte.”
Er spricht damit ein wichtiges Problem an:
Wir brauchen nicht Kaffee zu trinken – aber wir brauchen ein stabiles Wertesystem, damit unsere sozialen Gesellschaften überlebensfähig bleiben.
Zur Zeit sind es Kaffeekränzchen und Kaffeepausen, welche als moralische Instanz das Mitteinander regeln und Werte vermitteln. Solange es aber keine anderen Strukturen gibt, welche diese Aufgaben übernehmen können, ist Kaffee notwendig.
Damit ergibt sich auch für Wissenschaftler: sie brauchen keinen Kaffee, aber sie brauchen Kaffeepausen.”
Kaffeekränzchen als politische (oder wissenschaftliche) Willensbildungsprozesse… Na ja.
“Gut, daß wir drüber gesprochen haben” sagt man da wohl. Um die Diskussion endlich abzuschließen.
Das ganze firmiert übrigens wirklich als Wissenschaftsblog.
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