Tobias und Jessica haben schon berichtet: die scienceblogs wurden bei den Best-of-Blog-Awards 6. im internationalen und 2. im deutschsprachigen Wettbewerb.
Im internationalen Wettbewerb gewann die chinesische Wissenschaftsseite “Eichhörnchen-Klub” den Publikumspreis und der Blog “Generación Y” den Jury-Preis.
Auf “Generación Y” berichtet die kubanische Informatikerin Yoani Sanchez über Politik und Alltagsleben in Kuba, oft mit mehreren Tausend Kommentaren pro Artikel.
Über den Publikums-Preisträger “Eichhörnchen-Klub” hatte ich hier schon geschrieben.
Der Jury-Preisträger “Generación Y” wird von Yoani Sanchez betrieben. In ihrer Selbstdarstellung schreibt sie: “Generación Y es un Blog inspirado en gente como yo, con nombres que comienzan o contienen una “y griega”. Nacidos en la Cuba de los años 70s y los 80s, marcados por las escuelas al campo, los muñequitos rusos, las salidas ilegales y la frustración. Así que invito especialmente a Yanisleidi, Yoandri, Yusimí, Yuniesky y otros que arrastran sus “y griegas” a que me lean y me escriban.” (Generación Y
ist ein Blog, der seine Inspiration von Leuten wie mir bezieht, deren Namen mit Y beginnt oder ein Y enthält. Geboren im Kuba der 70er und 80er Jahre, geprägt durch die Dorfschulen, die Muñequitos (russische Trickfilmfiguren), die illegalen Ausreisen und die Frustration. Also lade ich besonders Yanisleidi, Yoandri, Yusimi, Yuniesky und andere, die ihre Y’s mit sich herumschleppen, ein, daß sie mich lesen und mir schreiben.)
Der Begriff Generation Y hat übrigens schon Einzug in die Wikipedia gehalten als Bezeichnung für nach 1980 Geborene.
Es gibt zu Generación Y eine regelmäßig aktualisierte deutsche Übersetzung, in der allerdings die Kommentare nicht übersetzt werden und die sprachlich einen etwas falschen Eindruck vermittelt. (Womit ich die wichtige Arbeit der ÜbersetzerInnen natürlich nicht abwerten will. Aber ich fand den Sprachstil mancher Übersetzungen sehr “deutsch” und irgendwie nicht zum Original passend. Gut ist aber, daß die Übersetzungen oft noch Anhänge mit Erklärungen in Deutschland unbekannter Begriffe haben. Sogar eine offizielle Definition von Troll habe ich dort gefunden.)
Der Blog liegt auf einem ausländischen Server; Yoani Sanchez schickt ihre Artikel jeweils per e-Mail an Freunde, die die Beiträge dann einstellen. In Kuba selbst soll der Blog blockiert sein, man kann ihn also nur im Ausland lesen.
Der Blog ist in einer geradlinigen Sprache geschrieben und enthält weniger politische Analysen als an Alltags-Beobachtungen festgemachte Polemiken.
Zum Beispiel (zum Bild oben): August und September waren eine harte Probe für die so erhofften Wirtschaftsreformen, die wohl schon vor dem Anker einholen abgesoffen sind. „Du musst Vertrauen in die Führung Raúl Castros haben”, ermahnt mich eine Freundin als sie sieht, daß ich mißtrauisch bleibe. „Bald werden sie neue Maßnahmen ergreifen”, versicherte mir dieselbe Dame vor fast drei Monaten. Sie gehört zu denen, die erwarten, daß die Regierenden unsere aktuellen Probleme lösen könnten, von denen sie viele durch ihre absurden Verbote erst geschaffen haben. Ich halte Wacht mit den Skeptikern.
Mein Zweifel kommt durch die „Erbsünde” der Regierung Raúls: er ist nicht vom Volk gewählt, sondern Frucht einer dynastischen Erbfolge. Er wurde nicht ausgesucht mit – mindestens – einem Gegenkandidaten und, für mich ist eine Ernennung ohne Alternative keine Wahl.
Der derzeitige Präsident schlug uns kein Programm vor, hat seinen Wählern nichts versprochen und muß uns dadurch auch keine Rechenschaft ablegen. Die so notwendigen Maßnahmen können in einem oder in fünf Jahren kommen, weil davon sein Posten nicht abhängt. Er kam ohne Konkurrenten an den verlockenden Apfel der Macht. Jetzt kann er ihn ohne Eile verspeisen, denn unsere Stimmen waren nicht der Weg, der ihn dorthin gebracht hat.
Die Tausenden Kommentare halten sich bei weitem nicht immer an die Themen der Artikel.
Der screenshot oben ist von einem Artikel über Etikettierungen und Katalogisierungen (Übersetzung), und in den 2473 Kommentare findet man, neben Polemiken zu allen möglichen Themen, ganze Familiengeschichten.
Im September war natürlich der Hurrikan ‘Gustav’ ein großes Thema und seine Folgen für die Versorgung. In diesem Artikel wird Reisenden erklärt, wie man helfen kann:
Wer in den nächsten Monaten nach Kuba reist und solidarische Hilfe leisten will, der sollte einige Kilogramm Gepäck mitnehmen, um sie Geschädigten direkt zu geben. Obwohl für Familien, die ihren Besitz verloren haben, jede Hilfe nützlich ist, gibt es bestimmte Dinge und Mittel, die besonders gebraucht werden:
• Tabletten zur Wasseraufbereitung
• Vitamintabletten, alle Arten von Schmerzmitteln, Fieberthermometer, Pflaster, Electrolytpräparate, Einwegspritzen, Baumwolltupfer, Asthmaspray, Aspirin, Paracetamol und medizinischer Nähfaden
• Kleidung aller Art, einschließlich Unterwäsche und Schuhe
• Schulmaterialien, besonders Hefte und Stifte
• Wiederaufladbare Batterien, Taschenlampen und tragbare Radios
• Hygieneartikel: Seife, Zahpasta, Shampoo und Zahnbürsten
• Kleidung sowie Artikel für Babies. Denken Sie einfach daran: Es gibt Kinder, die jetzt nicht einmal mehr eine Trinkflasche haben.
Ein Hinweis: Man sollte immer, wenn irgend möglich, die Hilfe direkt den Bedürftigen zukommen lassen. Eine Übergabe, persönlich oder durch Freunde ist am zuverlässigsten.
Und noch ein kurzer Artikel vom 25. Oktober: La Impunidad de los Locos (Die Straffreiheit der Verrückten):
Mitten auf der Straße Ayestarán tritt ein hochgewachsener Irrer mit den Füßen nach den Autos. Er trägt zerlumpte Kleidung und an den Armen sieht man die Narben der „Antworten” von einigen Fahrzeugen. Ein anderer Narr geht, den Präsidenten und seinen Bruder beleidigend, durch den Stadtteil Centro Habana, während eine übergeschnappte Frau ihr Missfallen direkt vor drei ungerührt da stehenden Polizisten herausspeit.
Sie machen einem Lust, die gleiche Narrenfreiheit zu genießen wie die Verrückten. Der Wunsch, sich an einer Straßenecke aufzustellen und auszurufen: „Der König trägt nur einen Bikini”, wie es ein kleiner Knirps machen würde. Doch das Erwachsensein und der gesunde Menschenverstand bringen Bestrafung mit sich.
Man müsste sich also benehmen wie ein Demenzkranker oder ein Kind.
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