“Die Nase hatte eine bourbonische Krümmung, die den Schwung des ovalen Gesichts noch mehr hervorhob, indem sie gewissermaßen einen glänzenden Punkt bildete, worin das Hinreißende und Königliche der Condé zum Ausdruck kam. (Balzac: Verlorene Illusionen)
Auch wenn wir in dieser Reihe die formale Definition des Begriffs “Krümmung” nicht wirklich verwenden, und uns im weiteren meist mit Bildern und anschaulichen Erklärungen begnügen werden, soll die Begriffs-Definition jedenfalls der Vollständigkeit halber hier einmal vorkommen.
Die einfachste (und am wenigsten verständliche) Definition ist natürlich durch Angabe einer Formel (hier).
Statt die Formeln abzutippen, schaue ich mir hier mal nur den konkretesten (und schon reichlich allgemeinen) Spezialfall an:
wenn man eine Fläche hat, die im dreidimensionalen Raum als Graph einer Funktion f(x,y) (in zwei Variablen) gegeben ist:
wie zum Beispiel f(x,y)=(x-y)e-x2-y2 (Bild rechts) |
oder die Ebene f(x,y)= ax+by+c (mit passenden a,b,c) oder die Halbsphäre als Graph der Funktion f(x,y)=(x2+y2)1/2 |
dann berechnet man die Krümmung durch die Formel
K= (fxxfyy-fxy2)/(1+fx2+fy2)2
wobei die Indizes jeweils Ableitungen bedeuten, z.B. ist fx die (partielle) Ableitung von f nach x und fxx die zweite (partielle) Ableitung von f nach x.
Zum Beispiel für die Ebene f(x,y)=ax+by+c sind alle zweiten Ableitungen 0, also hat die Ebene Krümmung 0 (in jedem Punkt).
Für die Einheits-Sphäre bekommt man aus dieser Formel nach kurzer Rechnung in jedem Punkt Krümmung 1.
(Für eine Sphäre vom Radius R hätte man in jedem Punkt Krümmung 1/R2.)
Was bedeutet diese Formel nun anschaulich? Zumindest das Vorzeichen (d.h. ob positiv oder negativ) der Krümmung kann man leicht anschaulich deuten.
Zunächst: der Nenner ist natürlich immer positiv, für das Vorzeichen kommt es nur auf den Zähler an. Und der Zähler ist gerade die “Hessische”,
die man aus der Berechnung von Extremwerten kennt: in einem lokalen Maximum oder Minimum ist er positiv, in einem Sattelpunkt negativ.
Also: in den beiden lokalen Maxima (den ‘Mittelpunkten’ der schwarzen Kreise) ist die Krümmung positiv, im Sattelpunkt (der rot markierte Punkt) ist die Krümmung negativ, dazwischen wechselt sie von positiv zu negativ.
Die Formel, so wie ich sie oben aufgeschrieben hatte, fiel natürlich ‘vom Himmel’. Im Vorgriff auf spätere Folgen hier schon mal ein paar Gründe, warum diese so berechnete ‘Krümmung’ etwas über die Fläche aussagt:
Bewegung auf gekrümmten Flächen
Geodäten (d.h. kürzeste Verbindungen) auf der Fläche bewegen sich um so schneller auseinander, je negativer die Krümmung ist:
Dagegen werden sie sich auf der Sphäre (K=1) nach einiger Zeit sogar wiederbegegnen, der Abstand zum Zeitpunkt t ist hier sin(t) |
Dicke und dünne Dreiecke
Die Abweichung der Innenwinkelsumme von 180o hängt von der Krümmung K ab. (Bei konstanter Krümmung ist die Abweichung gerade K x Flächeninhalt.)
In anderen Worten:
Bei positiver Krümmung sind Dreicke ‘dicker’ als in der flachen Ebene. |
Bei negativer Krümmung sind Dreiecke ‘dünner’ als in der flachen Ebene. |
Das nur, um einen ersten Eindruck zu vermitteln, was Krümmung anschaulich bedeutet. Mehr Beispiele in den nächsten Wochen.
(BTW: Wer schon einmal Vorlesungen in Differentialgeometrie oder Allgemeiner Relativitätstheorie gehört hat, kennt verschiedene Krümmungsbegriffe: Schnittkrümmung, Ricci-Krümmung, Skalarkrümmung, Gauß-Krümmung. Im Fall von 2-dimensionalen Flächen stimmen diese verschiedenen “Krümmungen” aber alle (bis auf einen konstanten Faktor) überein, weshalb ich im folgenden einfach den Begriff “Krümmung” verwenden werde.)
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