Die Konstruktion stabiler Netzwerke, über die wir gestern geschrieben hatten, hat überraschende Querverbindungen zu vielen anderen mathematischen Theorien.
Gestern hatten wir über die neuen Arbeiten von Lubotzky, Kassabov und Nikolov zur Konstruktion stabiler Netzwerke (sogenannter Expander-Graphen) berichtet. Die historisch ältesten Konstruktionen solcher Expander-Graphen stammen von Margulis aus den 70er Jahren und benutzen Eigenschaft T von Gruppen.
Eigenschaft T ist ein zunächst künstlich wirkendes Konzept, das aber Anwendungen in vielen unterschiedlichen Gebieten der Mathematik hat.
Um, wie es sich gehört, mit der Definition zu beginnen:
eine Gruppe G hat Eigenschaft T, wenn für jede unitäre Wirkung von G auf einem Vektorraum V gilt: wenn es “fast-invariante” Vektoren gibt (d.h. IIgv-vII < ε für alle Erzeuger g aus einem fest gewählten Erzeugendensystem von G , für eine fest gewählte Konstante ε), dann gibt es auch Vektoren mit gv=v für alle g.
Expander-Graphen
Überraschenderweise ist diese (darstellungs-theoretische) Definition nützlich für die Konstruktion von Expander-Graphen: Expander-Graphen kann man als Cayley-Graphen endlicher Quotienten von Gruppen mit Eigenschaft T konstruieren.
Zum Beispiel hat SL(3,Z) Eigenschaft T mit ε=1/960. Und daraus folgt dann, daß die Cayley-Graphen von SL(3,Z/pZ) eine Folge von Expander-Graphen sind.
(Margulis ursprüngliche Konstruktion war übrigens eine andere. Und die gestern besprochenen neuen Beispiele von Kassabov-Lubotzky-Nikolov, die SL(2,F) benutzen, fallen nicht unter dieses Prinzip, weil SL(2,Z) nicht Eigenschaft T hat.)
Es gibt viele andere Anwendungen von Eigenschaft T, natürlich in Darstellungstheorie und Zahlentheorie, aber auch in Ergodentheorie oder Operatoralgebren, auf die ich aber genauso wenig eingehen will wie auf die Rolle für die Baum-Connes-Vermutung. Aber zwei ebenso elementare wie spektakuläre Anwendungen von Eigenschaft T (bzw. im ersten Fall deren Fehlen) will ich noch erwähnen.
Banach-Tarski-Paradox
Das Banach-Tarski-Paradox besagt, daß man eine Sphäre so in Stücke zerlegen kann, daß sich aus den Stücken zwei Sphären (derselben Größe wie die ursprüngliche) zusammensetzen lassen.
Das ist scheinbar absurd, weil sich der Flächeninhalt ja nicht einfach verdoppeln kann. Der Punkt ist, daß die einzelnen Stücke nicht meßbar sind, also ‘keinen Flächeninhalt haben’. (Und das erklärt letztlich, warum man in Analysis IV die komplizierte Definition der Lebesgue-meßbaren Mengen macht. Wegen des Banach-Tarski-Paradoxes ist es einfach nicht möglich, daß alle Mengen meßbar sein können.)
Das Banach-Tarski-Paradox wurde von Tarski benutzt, um das Ruziewicz-Problem auf die Frage zurückzuführen, ob das Lebesgue-Maß das einzige SO(n+1)-invariante Mittel auf Loo(Sn) ist. Letztere Behauptung folgt für n≥4 aber daraus, daß SO(n+1) eine dichte Untergruppe mit Eigenschaft T hat.
Normalteiler in SL(3,Z)
Eine andere Anwendung ist, daß man für Gruppen mit Eigenschaft T die Normalteiler klassifizieren kann, jedenfalls fast.
Ein einfaches Beispiel ist SL(3,Z), die Gruppe der ganzzahligen 3×3-Matrizen
mit Determinante det (A) = aei − afh − bdi + bfg + cdh − ceg=1.
Für diese Gruppe hat Margulis mit Hilfe von Eigenschaft T bewiesen, daß es nur 2 Arten von Normalteilern gibt: entweder endliche Untergruppen oder Untergruppen von endlichem Index (wie Kern(SL(3,Z)–>SL(3,Z/nZ)).
Einen kurzen Überblick zum Beweis findet man hier. (Die wesentlichen Punkte: SL(3,Z) hat Eigenschaft T, also hat für jeden Normalteiler N auch SL(3,Z)/N Eigenschaft T. Falls N unendlich ist, kann man aber zeigen, daß G=SL(3,Z)/N “mittelbar” ist, d.h. die Darstellung auf l2(G) hat fast-invariante Vektoren. Wegen Eigenschaft T muß sie dann einen Fixvektor haben. Das ist aber nur möglich, wenn SL(3,Z)/N endlich ist.)
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