Groß angekündigt fand heute Nacht der Launch der neuen Antwort-Suchmaschine statt. Ich habe mich im Mathematik-Teil ein wenig umgesehen und bin doch sehr enttäuscht.

Wolfram war bisher mit Mathematica kommerziell sehr erfolgreich, außerdem unterhält er Mathworld, laut Eigenwerbung “the web’s most extensive mathematics resource”. (Wobei ihm dieser Rang m.E. von Wikipedia schon lange abgelaufen wurde.)

Man hätte erwarten können, daß die neue Suchmaschine mindestens so stark wird wie Mathematica und Mathworld zusammen. Tatsächlich handelt es sich aber, meinem ersten Eindruck nach, nur um eine neue Präsentation der Mathematica-Funktionen, die Informationen aus Mathworld sind bisher nicht eingearbeitet.

Wenn man zum Beispiel Prime Numbers eingibt, bekommt man folgende Funktionen angeboten:
determine whether a number is prime
specify a prime by its position in the sequence 2, 3, 5, …
generate a list of primes
compute a prime factorization
find a twin prime pair
find a Mersenne prime
find one of the few known Fermat primes

Mal abgesehen davon, daß manche der Funktionen nicht sehr relevant sind (warum sollte man wissen wollen, was das 1000.Zwillingspaar, die 20.Mersenne-Zahl oder die 4.Fermat-Zahl ist?), hätte ich von einer Suchmaschine mehr erwartet als solche Rechenfertigkeiten. Als erstes natürlich die Information, WAS Primzahlen eigentlich sind; also die Definition des Begriffs ‘Primzahl’.

Bei Mathworld kann man durchaus einiges an Informationen zum Thema Primzahlen finden. Unverständlich das nicht zumindest diese Informationen eingearbeitet wurden.

Was kann man mit Alpha also machen? Man kann eine Funktion eingeben, z.B. x^2 sin(x) und bekommt dann einen Plot der Funktion, die Nullstellen werden angegeben, man bekommt die Potenzreihenentwickung, die Ableitung und das Integral, lokale Maxima und Minima, und auch noch diverse Umformungen. Also im wesentlichen das, was auch andere frei verfügbare CAS-Systeme wie SAGE leisten.

Bekanntlich wurde Mathematica bisher, des hohen Preises wegen, in Schulen kaum verwendet. Mit Alpha sind viele Fähigkeiten von Mathematica jetzt frei zugänglich. Mehr aber auch nicht. Mit Schulstoff, der über reine Rechenfähigkeiten hinausgeht, ist Alpha überfordert. Zum Beispiel ist ihm der Schulstoff in Elementargeometrie nicht bekannt. Wenn man sich etwa zum Satz von Thales informieren will und Thales eingibt, bekommt man sehr umfangreiche Informationen zum Kursverlauf einer Thales-Aktie, aber nichts über rechte Winkel am Kreis. Wenn man sich für den Satz des Pythagoras interessiert und Pythagoras eingibt, bekommt man immerhin Pythagoras’ Lebensdaten und die Information, daß er Mathematiker war, aber ebenfalls nichts über rechtwinklige Dreiecke.

Es wird auch nicht besser, wenn man direkt nach Stichwörtern sucht. Bei Eingabe von rectangular für ‘rechtwinklig’, bekommt man nur Aussprache und Synonyme (orthogonal).

Also: selbst Begriffe des normalen Schulstoffs der Mittelstufe werden nicht erklärt. Überflüssig zu erwähnen, daß man natürlich auch zu Begriffen aus dem Uni-Kanon oder gar zu aktuellen Forschungsthemen keine Erklärungen bekommt.

Fazit: ein paar Mathematica-Features neu aufbereitet, mehr kann ich zum Thema Mathematik bei dieser groß angekündigten neuen Suchmaschine nicht entdecken. 3 von 10 Punkten 🙂

Nachtrag (17.5.)Immerhin findet man doch ein paar Berechnungen zur Topologie (π15(S8), 41-Knoten) und Differentialgeometrie (Torus, Hyperboloid). Homologiegruppen kennt es aber nicht (und die Euler-Charakteristik nur für Flächen).

Kommentare (23)

  1. #1 stefan
    16. Mai 2009

    nunja, einerseits ist das ding neu und es gibt noch viel zu werkeln. andererseits ist wolfram alpha eben nicht nur für mathemaiker gedacht, sondern kann eigentlich viel mehr. (siehe screencast) wie in jeder suchmaschine muss man seine suchanfrage spezifizieren: pythagoras theorem. Mit rectangle definition kommt man ebenfalls zu korrekten ergebnissen. allerdings findet er thales derzeit tatsächlich noch nicht.

    ich denke die version ist nicht die letzte und es wird hinten dran noch viel gewerkelt. der screencast zeigt auf jeden fall das potenzial. wie immer und überall muss man nur noch die richtigen fragen stellen, wie bei google auch.

  2. #2 Thilo Kuessner
    16. Mai 2009

    Also, von einer intelligenten Suchmaschine würde ich schon erwarten, daß ich bei Eingabe von ‘Pythagoras’ zumindest auch einen Link zu ‘Pythagoras Theorem’ bekomme. Bei Google oder Wikipedia muß ich ja auch nicht erst ein halbes Dutzend Kombinationen testen, um das richtige zu finden.

  3. #3 ich
    16. Mai 2009

    Nunja, ich denke dass die Einordnung als Suchmaschine per se schon mal falsch ist. Wolfram Alpha würde ich viel mehr als eine intelligente Datenbank bezeichnen. Das Problem daran ist, dass hier – wie bei jeder Datenbankabfrage – eine genaue Differenzierung und Präzisierung der gewünschten Daten nötig ist – sonst weiß die Datenbank nicht woher und welche Daten sie liefern soll. Daher sind präzise Fragestellungen im System vom Wolfram Alpha einfach essentiell! Das ist einerseits der große Vorteil zu Suchmaschinen wie google – den im Gegensatz zu Suchmaschinen sind die ausgegebenen Daten präzise, verlässlich und übersichtlich dargestellt – andererseits halt auch ein großer Nachteil, denn wo google einfach mit der Suchanfrage übereinstimmende Ergebnisse anzeigt findet bei Wolfram Alpha quasi noch ein wenig “Denkarbeit” im Hintergrund statt – für die es einfach mehr Informationen als bloße Stichworte braucht.

  4. #4 Marcus Anhäuser
    18. Mai 2009

    bisschen was für’s ego gefällig?
    Du bei Spiegel Online:
    https://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,625407,00.html

    Aber Lischka schreibt ja um´s verrecken nicht, dass er das aus dem Scienceblog hat. Florian zitiert er auch nicht als Blogger.
    Dafür verlinkt er wenigstens.

  5. #5 Marcus Anhäuser
    18. Mai 2009

    bisschen was für’s ego gefällig?
    Du bei Spiegel Online:
    https://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,625407,00.html

    Aber Lischka schreibt ja um´s verrecken nicht, dass er das aus dem Scienceblog hat. Florian zitiert er auch nicht als Blogger.
    Dafür verlinkt er wenigstens.

  6. #6 Marcus Anhäuser
    18. Mai 2009

    bisschen was für’s ego gefällig?
    Du bei Spiegel Online:
    https://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,625407,00.html

    Aber Lischka schreibt ja um´s verrecken nicht, dass er das aus dem Scienceblog hat. Florian zitiert er auch nicht als Blogger.
    Dafür verlinkt er wenigstens.

  7. #7 Thilo Kuessner
    18. Mai 2009

    Wenn ich das geahnt hätte , hätt’ ich mir natürlich viel mehr Mühe gegeben 🙂

  8. #8 Matthias Werner
    18. Mai 2009

    Mit Verlaub, aber wenn Sie unspezifische Anfragen stellen, bekommen Sie unspezifische Antworten (oder genauer: spezifisch zu einer gewählten Interpretation). So dünn WAs Datenbasis auch tatsächlich ist (ich hoffe, das wird noch mal besser), “definiton of prime numbers” liefert ebenso die korrekte Anwort wie “Pythagorean theorem” oder “definition of rectangular”.

    Bloß weil man von Google eine “schlampige” Frageweise gewöhnt ist, bei der einfach assoziierte Begriffe hingeworfen werden und man sich dann die richtige Anwort selbst heraussuchen darf, heißt dies ja noch nicht, dass alle Web-Dienste so schlampig arbeiten müssen. Das hat auch nichts mit “Intelligenz” der Suchmaschine zu tun, sondern damit, dass der Kontext Ihrer Frage nicht bekannt ist.

  9. #9 Thilo Kuessner
    18. Mai 2009

    Wie gesagt, ich würde schon erwarten, daß man bei Eingabe eines Begriffes zumindest einen Link zur Definition bekommt. Man kann doch nicht erwarten, daß der Nutzer jedesmal alle möglichen Eingaben durchprobiert.
    Zur Zeit ist Alpha ja fast schon wie eine neue Programmiersprache: man muß erst lernen, mit welchen Eingaben man welche Ergebnisse bekommt.

  10. #10 Thilo Kuessner
    18. Mai 2009

    PS (zum Nachtrag des Artikels): Ich habe jetzt sicherheitshalber noch einmal probiert, ob man vielleicht mit ‘definition of homotopy’ oder ‘definition of homology groups’ sinnvolle Ergebnisse kriegt. Kriegt man aber nicht.

  11. #11 Karsten Meyer
    19. Mai 2009

    @Matthias Werner:

    Abgesehen davon, das die Antwort auf “definition of prime number” schon nicht sehr toll ist, so ergibt die wesentlich interessante Frage auf “properties of prime number” (also Eigenschaften von Primzahlen) gar kein Ergebnis.

  12. #12 Andreas
    19. Mai 2009

    Thilo Kuessner:
    Natürlich muss man die “Anfragesprache lernen”. Das musstest du bei Google aber genau so. Oder ist “Primzahlen!” etwa die normale Fragestellung, wenn man gerne von einem Menschen erklärt hätte, was Primzahlen sind? Dass die Googelsche Suche keinesfalls natürlich oder normal ist, merkt man spätestens dann, wenn man unerfahrene Benutzer davor setzt. Wir alle mussten die Kunst des zusammenhanglosen Herauswürgens von guten Schlüsselwörtern für die Google Suche erst lernen.

  13. #13 Thilo Kuessner
    19. Mai 2009

    Es ist natürlich nicht weiter schwierig, durch Probieren herauszufinden, was bei einem bestimmten Thema die ‘richtigen’ Fragen sind. Nur will man die Antwortmaschine ja zu vielen verschiedenen Sachgebieten nutzen und dann nicht jedesmal ausprobieren, was die richtigen Fragen sind.
    Für einen Mathematiker ist es sicher naheliegend, nach einem mathematischen Begriff mit “definition of …” zu suchen. Ich glaube aber nicht, daß jeder Schüler, der wissen will, was eine Primzahl ist, darauf kommt “definition of prime number” einzutippen. (Und mit Eingaben wie “what are prime numbers” oder “what is a prime number” bekommt man zwar Beispiele, aber eben NICHT die Definition.)

  14. #14 Jakob H.
    24. Mai 2009

    Eine Frage ist auch, wie verlässlich die Resultate bei Wolfram|Alpha sind. Ich habe heute die Resultate für gewisse Eingaben nachgeprüft, und bin recht bald auf ein falsches Ergebnis gestossen.
    Für “pi” findet WA unter anderem die folgende Reihe:
    pi = 4 sum_{k=0}^infty (-1)^k*cos((2*k+1)*x)/(2*k+1) für ALLE reellen Zahlen x
    Nur hat diese Reihe für x = pi/2 (und ungereadzalige Vielfache davon) offensichtlich den Wert 0, da das selbe für den Cosinus gilt. Weiters zeigt eine kurze Rechnung, dass die Reihe für x = pi (und ungeradzahlige Vielfache davon) den Wert -pi hat. Immerhin liefert die Reihe für geradzahlige Vielfache von pi tatsächlich den Wert pi.
    Tatsächlich scheint es so zu sein (ich verlasse mich hier jetzt auf Maple), dass die Reihe periodisch zwischen pi und -pi hin- und herspringt.
    Kurzum: Diese Reihe konviergiert nicht für alle reellen Zahlen x gegen den Wert pi.

  15. #15 Thilo Kuessner
    24. Mai 2009

    @ Jakob
    Verstehe ich nicht, wenn ich ‘pi’ eingebe, bekomme ich die (korrekte) Reihe
    4 sum_{k=0}^infty (-1)^k*/(2*k+1)
    Was genau hast Du denn eingetippt?

  16. #16 Jakob H.
    25. Mai 2009

    @Thilo
    Für x = pi, und k in Z ist cos((2k+1)*x) = -1, da 2k+1 ungerade ist. Die Reihe lautet dann
    4 sum_{k=0}^infty (-1)^(k+1) / (2k+1)
    Also stimmt hier das Vorzeichen nicht, und die Reihe geht gegen -pi.
    Für x = 2pi und k in Z ist dagegen cos((2k+1)*x) = 1, da jetzt immer ein geradzahliges Vielfaches von pi berechnet wird, und man erhält tatsächlich die korrekte Reihe.
    Sicherheitshalber habe ich das alles auch noch einmal mit Maple nachgerechnet. Hier mein Maple-Code
    > restart
    > pisum := x-> 4*sum((-1)^k*cos((2*k+1)*x)/(2*k+1), k = 0 .. infinity)
    > pisum(Pi/2)
    > pisum(Pi)
    > pisum(2*Pi)
    > plot(pisum(x), x=-5..5)

  17. #17 Jakob H.
    25. Mai 2009

    Sorry. Ich glaube, ich habe dich missverstanden. Ich habe bei WA den Suchbegriff “pi” eingegeben. Die Reihe taucht erst auf, wenn man im Abschnitt “Series representation:” rechts oben auf “More” klickt.

  18. #18 Thilo Kuessner
    25. Mai 2009

    Ok, jetzt hab’ ich’s gefunden. Die angegebene Reihe ist die Fourier-Entwicklung des Rechteck-Pulses. Dieser hat den Wert Pi auf dem Intervall (-Pi/2,Pi/2) und den Wert -Pi auf dem Intervall (Pi/2,3Pi/2).
    Alpha’s Fehler besteht also in der falschen Angabe des Definitionsbereichs.
    Macht Mathematica eigentlich denselben Fehler?

  19. #20 Thilo Kuessner
    27. Juni 2009
  20. #21 GillKari24
    15. August 2010

    Different people in all countries receive the credit loans from various creditors, because that is comfortable.

    Spam link removed

  21. #23 Thilo
    29. Mai 2013

    Stephen Wolfram im Interview: “Sie [Google] wollten unsere Technik kaufen, aber der Deal ist geplatzt.” Ah ja…
    https://www.focus.de/digital/internet/netzoekonomie-blog/stephen-wolfram-das-wissen-der-welt-in-einer-maschine-abbilden_aid_1001356.html