“Chaos, Solitons & Fractals” hat zwar noch keinen neuen Herausgeber, veröffentlicht aber weiter Arbeiten von El Naschie und seinen Freunden.
Wir hatten schon einige Male über das Chaos bei Elsevier, genauer: bei der Fachzeitschrift “Chaos, Solitons & Fractals”, berichtet. Deren Herausgeber ElNaschie hatte im Dezember zurücktreten müssen, nachdem Zweifel am Begutachtungsprozeß sener Zeitschrift laut geworden waren.
Elsevier hat bisher noch keinen neuen Herausgeber für die Zeitschrift gefunden, veröffentlicht aber weiterhin jeden Monat ein neues Heft mit ca. 50 Arbeiten, die noch vom alten Herausgebergremium angenommen wurden.
Man sollte annehmen, daß Elsevier aus den Diskussionen des letzten Jahres gelernt hat und der Zeitschrift jetzt stärker auf die Finger schaut. Danach sieht es aber nicht aus. Ein großer Teil der Veröffentlichungen behandelt immer noch Themen aus dem Umfeld von ElNaschie’s E-infinity-Theorie, und der mathematische & physikalische Gehalt zumindest einiger Arbeiten darf bezweifelt werden, wie das folgende Beispiel zeigen soll.
Ein Artikel aus dem Dezember 2009-Heft
Ein Glanzlicht im letzten Heft ist zweifellos der Artikel “Hilbert Cube Model for Fractal Spacetime” von Ji-Huan He (dem Herausgeber von “International Journal for Bifurcation and Chaos” “International Journal for Nonlinear Sciences and Numerical Simulation”).
Der Abstract:
A three-dimensional Hilbert cube has exactly three dimensions. It can mimic our spatial world on an ordinary observation scale. A four-dimensional Hilbert cube is equivalent to Elnaschie Cantorian spacetime. A very small distance in a very high observable resolution is equivalent to a very high energy spacetime which is inherently Cantorian, non-differentiable and discontinuous. This article concludes that spacetime is a fractal and hierarchical in nature. The spacetime could be modeled by a four-dimensional Hilbert cube. Gravity and electromagnetism are at different levels of the hierarchy. Starting from a simple picture of a four-dimensional cube, a series of higher dimensional polytops can be constructed in a self-similar manner. The resulting structure will resemble a Cantorian spacetime of which the expectation of the Hausdorff dimension equals to 4.23606799 provided that the number of hierarchical iterations is taken to infinity. In this connection, we note that Heisenberg Uncertainty Principle comes into play when we take measurement at different levels of the hierarchy.
“Cube” oder “Curve”?
Da stellen sich sofort einige Fragen: ein Hilbert Cube ist ein unendlich-dimensionaler Raum, der z.B als das topologische Produkt der Intervalle [0,1/n] mit n = 1,2,3,4… definiert werden kann.
Was also soll ein 3-dimensionaler Hilbert-Würfel sein?
Schaut man sich die Bilder in He’s Arbeit an, dann wird allerdings schnell klar was gemeint ist: nicht der Hilbert-Würfel (‘Hilbert cube’), sondern die Hilbert-Kurve (‘Hilbert curve’), eine raumfüllende Kurve.
(Das Applet rechts ist aus der Wikipedia und zeigt eine 2-dimensionale Hilbert-Kurve.) |
Also: in der Überschrift (und in ca. jedem zweiten Satz des Artikels) ist zwar von ‘Hilbert cube’ die Rede, in Wirklichkeit geht es aber um die ‘Hilbert curve’.
Na ja, ‘cube’ und ‘curve’ – für chinesische Ohren mag das ähnlich klingen. So etwas passiert schon mal. Aber es wäre wohl die Aufgabe von Gutachter und Herausgeber, solche Fehler zu korrigieren. (Wie gesagt, kein einzelner Tippfehler, sondern in jedem 2. Satz ist von Würfel statt Kurve die Rede.)
Man kann wohl davon ausgehen, daß jedem, wirklich jedem, Mathematiker dieser Fehler sofort aufgefallen wäre. Die Tatsache, daß dies nicht passiert ist, läßt eigentlich nur einen Schluß zu – daß keine ernstzunehmende Begutachtung der Arbeit stattgefunden haben kann.
Kettenbrüche und Cantormengen
Nicht unerwähnt soll bleiben, daß neben diesem fortgesetzten sprachlichen Fauxpas auch die Arbeit selbst nicht wirklich veröffentlichungswürdig erscheint.
Die einzigen Formeln in der Arbeit behandeln den Zusammenhang zwischen Kettenbrüchen und Hausdorffdimension am Beispiel der Mauldin-Williams-Cantormenge1 (der natürlich lange bekannt und eher für eine Schülerzeitschrift geeignet ist).
Nach der Kettenbruchdarstellung der Hausdorffdimension dieser (sehr speziellen) Cantormenge wird dann mit einer analogen Kettenbruchdarstellung die (angebliche) Hausdorffdimension der Raumzeit angegeben. Diese Behauptung ist (mal unabhängig von Ihrer Plausibilität) jedenfalls nicht neu – sie findet sich schon in Dutzenden Arbeiten in “Chaos, Solitons & Fractals’.
Sehr interessant fand ich auch die Bemerkung
We note following Elnaschie that foliation, fuzziness and fractality are essentially almost identical notions.
Ich habe selbst schon über ‘foliations’ (Blätterungen) gearbeitet und der Zusammenhang mit Fuzzy-Logik und Fraktalen erschließt sich mir jedenfalls nicht …
Schlußfolgerungen
Die Konklusion des Artikels ist schließlich:
We presume that our observable world is of Hilbert cube structure, where on any observational scales, the continuum assumption is approximately valid with high accuracy.
In this paper we considered Hilbert cubes starting from one-dimensional to an infinite dimensional Hilbert cube. The average or expectation of all these Hilbert cubes happens to be the four-dimensional Hilbert cube with a Hausdorff dimension 4.23606799, topological dimension exactly 4, a scaling dimension 4-k as well as a spectral dimension equal to 4.01999999.
We conclude that Hilbert cube model is the best candidate to mimic non-differentiable and discontinuous real spacetime, we also illustrate the deep connection between Hilbert cube and E-infinity theory, and give a new explanation of gravity and Heisenberg Uncertainty Principle.
Finally we must note the strong connection between E-Infinity fractal spacetime and the computer simulation using causal triangulation and the theory of partially ordered sets [9] and [10].
Wir überlassen es den Physikern zu beurteilen, ob das jetzt freie Assoziation oder eine ernstzunehmende Theorie ist.
Mag sein, daß solche physikalischen ‘Theorien’ unter die Meinungsfreiheit fallen. Der Unterschied zwischen ‘cube’ und ‘curve’ hätte aber jedem Gutachter auffallen müssen.
1 In der Arbeit irrtümlich als Moulding-Williams bezeichnet.
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