Greifswald beansprucht den Titel – Münsters Lokalpresse schäumt.
Die Pressestelle der Stadt Greifswald hat am Donnerstag mitgeteilt, Greifswald sei Deutschlands neue Fahrradhauptstadt. Dies sei das Ergebnis einer Erhebung, die sich an einer Untersuchungsmethode der Technischen Universität Dresden orientiert, die als bundesweiter Standard gelte.
Die genauen Zahlen sollen erst am Dienstag auf einer Pressekonferenz bekanntgegeben werden. In Münster hat die Ankündigung aber schon zu harschen Reaktionen geführt.
Das Lokalblatt Hallo Münster widmet dem Thema gestern seine Titelgeschichte:
[…] Ja, potz Blitz, schäumen könnte man da. Schäumen.
Stephan Böhme vom städtischen Planungsamt und zuständig für Münsters Radverkehr, hat sich am Telefon trotzdem nichts anmerken lassen. Beifall für den Erfolg der Ostsee gab’s von ihm aber keinen. Eher leise Zweifel. Und schon gar nicht will sich Böhme in Zukunft an Greifswald orientieren. “Ich gucke eher nach Groningen, Utrecht oder Kopenhagen, das Fahrradwelthauptstadt werden will und dafür Millionenbeträge investiert”, sagt er.
Dort gebe es sicher mehr zu lernen für das Ziel, den Radverkehrsanteil in Münster von 37,6 Prozent (November 2007) auf 40 bis 45 Prozent in den nächsten Jahren zu heben. […]
Und die Münsterländische Volkszeitung legt noch nach:
In Münster sei nicht einfach die Radnutzung an einem Tag ermittelt worden, „hier gibt es ein komplexes, schlüssiges System, das auf den Fahrradverkehr ausgerichtet ist”. Und zwar nicht nur in einem kleinen Bereich – „sondern durchgängig”.
Ein Vergleich lässt Greifswald blass aussehen. Gerade mal 14 Kilometer eigenständige Radwege hat die vorpommersche Stadt, in Münster sind es 293. Außerdem gibt es hier 22 Fahrradstraßen, in Greifswald nur eine. „Experten aus aller Welt, die bislang nach Münster kamen, werden jetzt nicht plötzlich nach Greifswald fahren, um sich dort anzuschauen, wie eine Fahrradstraße funktioniert”, sagt Böhme.
Klar, dass es in der 54 000-Einwohner-Stadt an der Ostsee auch noch viel weniger Drahtesel gibt als in Münster. So wenige, dass Böhme keinen einzigen entdeckte, als er sich gestern Morgen im Internet durch Greifswald-Webcams klickte. Fahrradhauptstadt Greifswald? Daran glaubt man wohl nur dort . . .
(Sehr lustig sind auch die Leserbriefe zum MV-Artikel. Ein Beispiel: “Die wenigsten werden wissen, wer Greifswalds Partnerstadt im Westen ist: Osnabrück! Ein Schuft, wer Böses dabei denkt und nun vermutet, dass unsere evangelischen Friedensstadt-Rivalen ihre vorpommerschen Glaubensbrüder und Komplizen animiert haben, Münsters Glorie zu beflecken.“)
Münsters Radwege-Netz ist übrigens wirklich einmalig, nicht nur wegen der Länge sondern auch wegen der (zum Teil recht komplizierten) Vorfahrtsregelungen. Mancher klagt schon über Überregulierung. Im letzten Sommer ließ eine Lokalzeitung gar darüber abstimmen, ob man Nummernschilder für Fahrräder einführen solle, das Ergebnis war aber ziemlich eindeutig.
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