Die Arithmetik führt zur Philologie und die Philologie zum Verbrechen.

Eugene Ionesco (26.11.1909-28.3.1994), der französische Dramatiker und Vertreter des “absurden Theaters”, wäre heute 100 geworden.

Im Drama “Die Schulstunde” geht es um eine Studentin, die (innerhalb weniger Monate) das ‘doctorat total’ (also die Promotion in allen Fächern) ablegen will. “J’ai une telle soif de m’instruire. Mes parents aussi desirent que j’approfondisse mes connaissances. Ils veulent que je me specialise. Ils pensent qu’une simple culture generale, meme si elles est solide, ne suffit plus, a notre epoque.”1

Die Geschichte nimmt ein schlimmes Ende, was letztendlich aber nicht an der Arithmetik (immerhin kann die Doktorandin bis Unendlich zählen und hat alle Multiplikationen bis 3 Milliarden mal 5 Milliarden auswendig2 gelernt), sondern an der Philologie, speziell den neo-spanischen Sprachen, liegt.

Vordergründig nicht um Mathematik, sondern ebenfalls um Sprache geht es in Ionesco’s bekannterem Stück “Die kahle Sängerin”, eine Parodie auf die Trivial-Konversationen in Ionesco’s Englisch-Lehrbuch. Über die Entstehung schrieb er:

Ich machte mich an die Arbeit. Gewissenhaft schrieb ich die Sätze aus meinem Lehrbuch ab, um sie auswendig zu lernen. Als ich sie aufmerksam wieder durchlas, lernte ich zwar nicht Englisch, dafür aber erstaunliche Wahrheiten: daß die Woche sieben Tage hat zum Beispiel, was ich allerdings schon wußte; oder, daß der Fußboden unten, die Decke oben ist – eine Tatsache, die mir vielleicht auch schon bekannt war, über die ich aber niemals ernsthaft nachgedacht oder die ich vergessen hatte und die mir plötzlich ebenso verblüffend wie unbestreitbar wahr erschien.
[…]
Zu meinem großen Erstaunen setzte Frau Smith ihren Mann davon in Kenntnis, daß sie mehrere Kinder hätten, daß sie in der Umgebung Londons wohnten, daß sie Smith hießen, daß Herr Smith Büroangestellter wäre, daß sie ein Dienstmädchen hätten, Mary, das ebenfalls Engländerin wäre … Ich erlaube mir, SIe auf den unwiderleglichen, vollkommen axiomatischen Charakter der Feststellungen von Frau Smith aufmerksam zu machen sowie auf das durch und durch cartesianische Denkverfahren des Verfassers meines englischen Lehrbuchs. Das Bemerkenswerteste daran war ja, daß er bei der Suche nach der Wahrheit so außerordentlich methodisch vorging. In der fünften Lektion kamen die Martins, Freunde der Familie Smith; das Gespräch ging nun zwischen vier Personen hin und her, und von den elementaren Axiomen wurden komplexere Wahrheiten abgeleitet: auf dem Lande ist es ruhiger als in der Großstadt

zitiert aus Martin Esslin: “Ionesco-Antitheater”

Das aus der Beschäftigung mit diesem Lehrbuch (es soll sich um “L’Anglais sans peine” von Assimil gehandelt haben) enstandene Stück “Die kahle Sängerin” ist eine unglaublich komische und unbedingt ansehenswerte Parodie.

Wir (Mathematiker) können wohl froh sein, daß Ionesco nie versucht hat3, Mathematische Logik zu lernen….

Die beiden Stücke, “Die kahle Sängerin” und “Die Schulstunde” werden übrigens seit mehr als 50 Jahren ununterbrochen (täglich) im Theatre de la Huchette aufgeführt:

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© Michel Lefrancq

1 Frei übersetzt: “Ich bin so wissensdurstig. Auch meine Eltern wünschen, daß ich meine Kenntnisse vertiefe. Sie wollen, daß ich mich spezialisiere. Sie denken, daß eine einfache Allgemeinbildung, selbst wenn sie solide ist, heutzutage nicht mehr ausreicht.”

2 Auch wenn ihr Professor meint, die Mathematik sei “der erbitterte Feind des Gedächtnisses”.

3 (Allerdings kommt in “Die Nashörner” ein Logiker vor. Zitat: Der Logiker zum alten Herrn: Nehmen Sie ein Blatt Papier und rechnen Sie. Man nimmt zwei Katzen zwei Pfoten ab, wieviele Pfoten verbleiben jeder Katze?)

Kommentare (1)

  1. #1 CORINEGRAHAM35
    5. November 2010

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