Menschliches Verhalten als Anwendung der Festkörperphysik: “Wir sind berechenbar – Wie sich das Verhalten von Menschenmassen voraussagen lässt.” Wirklich?

Ich weiß, es ist ein bißchen früh, schon am Tag danach ein solches Unglück zum Anlaß einer Diskussion nehmen, zumal man noch nicht endgültig weiß, was wirklich passiert ist. Trotzdem möchte ich hier mal einen grundsätzlichen Punkt anbringen.

Bekanntlich (so steht es jedenfalls in der Wikipedia) wurde das Unbedenklichkeits-Gutachten für das Duisburger Gelände der Loveparade am Lehrstuhl für die Physik von Transport und Verkehr der Universität Duisburg-Essen erstellt. Auf der Webseite dieses Lehrstuhls liest man: “Beispielsweise ist Straßenverkehr physikalisch betrachtet ein granularer Strömungsprozeß, der konzeptionell eng verwandt ist mit dem Fluß granularer Materie (Sand, Tabletten, Getreide etc.) durch ein Rohr. Dabei hat der Stau seine Entsprechung in den Dichtewellen (“Verstopfungen”), die man bei Schüttgütern beobachtet. Auch andere Parallelen zwischen dem Fließverhalten granularer Materie und dem Verkehr, wie z.B. Selbstorganisation und Chaos, treten auf. Von großer Bedeutung für die Verfahrenstechnik sind z.B. die elektrostatische Aufladung granularer Materie und Transportvorgänge in Suspensionen. In beiden Fällen spielen langreichweitige Wechselwirkungen zwischen den Teilchen eine wesentliche Rolle, deren Gegenstück im Straßenverkehr die Kommunikation und Kopplung zwischen weiter entfernten Fahrzeugen ist. “

Vor 2 Jahren hatte sciencegarden unter der Überschrift “Wir sind berechenbar – Wie sich das Verhalten von Menschenmassen voraussagen lässt.” über die Arbeit der Verkehrs-Physiker berichtet.

Michael Schreckenberg (seit gestern als Autor des Unbedenklichkeits-Gutachtens in den Medien) wurde damals wie folgt zitiert:

“Panik ist ein Mythos”, sagt er, “Menschen handeln selbst in sehr bedrohlichen Situationen noch rational.” Den Zustand der Panik, bei dem sämtliche Sicherungen durchknallen, gebe es nicht. Es handele sich schlicht um Angst, was Hirnuntersuchungen im Kernspin-Tomographen bewiesen hätten.

Später im selben Artikel

“Der Mensch wird dabei quasi zu einem Teilchen, das nach bestimmten Eigenschaften und Wahrscheinlichkeiten agiert”, erklärt Dirk Helbings Mitarbeiter Prof. Anders Fredrik Johansson von der Technischen Hochschule Zürich. Eine seltsame Vorstellung, möchte man den Menschen doch als Individuum begreifen. Aber es funktioniert.

Unter dem Artikel finden sich Simulationen, wie 200 Menschen (punktförmige Teilchen) panikartig einen Raum verlassen.

Heute, nach dem Unglück, wird der Verkehrs-Physiker wie folgt zitiert:

Es gebe aber immer Menschen, die sich nicht an die Spielregeln hielten. Laut Schreckenberg hatten kurz vor dem Unglück einzelne Jugendliche ein Gitter überrannt und waren eine ungesicherte Treppe hochgelaufen. Einige von ihnen seien dann von der Treppe aus einer Höhe von acht bis zehn Metern nach unten gestürzt. Dass „Menschen von oben herunterfallen” sei ein Fall gewesen, der überhaupt nicht in dem Sicherheitsplan vorgesehen gewesen sei

Ja, wer konnte das auch vorhersehen, daß sich Teilnehmer einer solchen Massenveranstaltung nicht an die Spielregeln halten? Bei granularen Strömungsprozessen gibt es das doch auch nicht.

Kommentare (62)

  1. #1 Jörg Friedrich
    25. Juli 2010

    Es ist auf der einen Seite faszinierend, wie viel man aus relativ einfachen Computersimulationen für das Verständnis z.B. von Stausituationen lernen kann. Und – auch wenn es makaber klingt – im wissenschaftlichen Sinne wurden die Erkenntnisse der Stauforscher durch die Ereignisse von Duisburg auch nicht widerlegt.

    Die Katastrophe erinnert aber auf der anderen Seite wiedereinmal daran, dass die Wirklichkeit eben nie so ist wie eine Simulation, dass man mit Simulationen zwar Prozesse verstehen und Szenarien analysieren aber die Wirklichkeit nicht voraussagen kann.

    Das klingt trivial, aber die Zitate des Stauforschers zeigen, dass der Erklärungs-Erfolg wissenschaftlicher Modelle immer wieder dazu verleitet, das zu vergessen. Menschliches nicht-rationales Verhalten ist keine Störgröße, die man mehr oder weniger im Modell berücksichtigen kann oder muss, sondern sie ist das, was unser wirkliches Leben ganz grundsätzlich von einem mathematischen Modell unterscheidet.

  2. #2 Jörg Friedrich
    25. Juli 2010

    Es ist auf der einen Seite faszinierend, wie viel man aus relativ einfachen Computersimulationen für das Verständnis z.B. von Stausituationen lernen kann. Und – auch wenn es makaber klingt – im wissenschaftlichen Sinne wurden die Erkenntnisse der Stauforscher durch die Ereignisse von Duisburg auch nicht widerlegt.

    Die Katastrophe erinnert aber auf der anderen Seite wiedereinmal daran, dass die Wirklichkeit eben nie so ist wie eine Simulation, dass man mit Simulationen zwar Prozesse verstehen und Szenarien analysieren aber die Wirklichkeit nicht voraussagen kann.

    Das klingt trivial, aber die Zitate des Stauforschers zeigen, dass der Erklärungs-Erfolg wissenschaftlicher Modelle immer wieder dazu verleitet, das zu vergessen. Menschliches nicht-rationales Verhalten ist keine Störgröße, die man mehr oder weniger im Modell berücksichtigen kann oder muss, sondern sie ist das, was unser wirkliches Leben ganz grundsätzlich von einem mathematischen Modell unterscheidet.

  3. #3 Marcus Anhäuser
    25. Juli 2010

    Ich versteh das ganze Gerede über die Simulationen nicht. Pardon, aber wenn ein Gelände nur für 250.000 bis vielleicht 500.000 ausgelegt ist, umzäunt, nur einen Kanal als Zugang hat, und dann kommen 1 bis 2 Millionen, dann brauch ich mir doch keine Gedanken über falsche Simulationen machen.

    Dann hat das Veranstalterteam und die Stadt gepennt und die Augen zugemacht.

  4. #4 Marcus Anhäuser
    25. Juli 2010

    Ich versteh das ganze Gerede über die Simulationen nicht. Pardon, aber wenn ein Gelände nur für 250.000 bis vielleicht 500.000 ausgelegt ist, umzäunt, nur einen Kanal als Zugang hat, und dann kommen 1 bis 2 Millionen, dann brauch ich mir doch keine Gedanken über falsche Simulationen machen.

    Dann hat das Veranstalterteam und die Stadt gepennt und die Augen zugemacht.

  5. #5 Ludmila Carone
    25. Juli 2010

    Oh shit. Zunächst mal mein Mitgefühl für allen Betroffenen.

    Jetzt zu dem Verhalten von Herrn Schreckenberg. Schwierig zu sagen, in wiefern er mitverantwortlich ist, weil er die Veranstalter durch sei Auftreten in falsche Sicherheit gewogen hat. Ich möchte echt nicht in seiner Haut stecken.

    Zudem muss ich mich jetzt darauf einstellen, dass viele Menschen seine Fehleinschätzung auf alle anderen Wissenschaftler (also auch auf mich) ausweiten werden. Wir werden – mal wieder – in Kollektivhaft genommen werden. Nach dem Motto, wenn der sich überschätzt hat, dann tut Ihr das zwangsläufig auch. Die Leute suchen eben nach Schuldigen und die alkoholisierten verletzten und tote Jugendliche eignen sich weniger als Schuldige, als eben als arrogante angenommene Wissenschaftler. Hier wird auch eine große Prise Häme mit reinspielen. “Seht mal her, die Oberschlaus. Die wissen es auch nicht besser.”

    Auch Herr Schreckenberg hat höchstwahrscheinlich gewusst, dass Simulationen nur Näherungen bzw. computergenerierte Gedankespiele ausgehend von bekannten Regeln sind. Auch er hat höchstwahrscheinlich mit gewusst, dass es da immer Abweichungen geben kann. Er hat es aber anscheinend unterschätzt.

    Und er war in seiner Selbstdarstellung viel zu sicher und hat viel zu sehr auf “das ist so und nicht anders”

    Ich kenne diesen Typus. Man hat Wissenschaftlern viel zu lange eingeredet, dass Details wie die Grenzen ihrer Arbeit und die Rahmenbedingungen, unter denen sie gelten, nur was für’s Fachpublikum sei. Die “Leute auf der Straße” wollen das angeblich nicht hören, sondern eine Expertenmeinung (TM). Und die muss eindeutig sein.

    Diese Diskrepanz zwischen Auftreten, seinem echten und fehlendem Wissen um die Grenzen der Simulation und eben den real aufgetretenen Ereignissen, wird uns in den nächsten Wochen auf den SB das Leben schwer machen. Das sag ich jetzt schon.

  6. #6 Lars Fischer
    25. Juli 2010

    “Panik ist ein Mythos”, sagt er, “Menschen handeln selbst in sehr bedrohlichen Situationen noch rational.” Den Zustand der Panik, bei dem sämtliche Sicherungen durchknallen, gebe es nicht. Es handele sich schlicht um Angst, was Hirnuntersuchungen im Kernspin-Tomographen bewiesen hätten.

    Für Evakuierungen nach Katastrophen gilt das meistens tatsächlich. Die Betroffenen handeln in solchen Fällen erfahrungsgemäß kalkulierbar (allerdings nicht rational). Wirkliche Panik ist auch in Katastrophensituationen eher die Ausnahme.

  7. #7 Mathias
    25. Juli 2010

    Lars, der Biologe in mir, muss da aber wirklich widersprechen..
    Vom Freiwilligen Feuerwehrmann, mal ganz zu schweigen.
    Menschen handeln in solchen Situation, weder Rational, noch kalkulierbar.
    Man kann das für Simulation annehmen, aber mit der Realität hat das weniger zu tun.
    Allein bei einem Brand in einem Hochhaus, wo das Treppenhaus den noralgischen Punkt darstellt, muss man mit allem Rechnen, aber garantiert nicht, dass die Menschen rational handeln..
    Selbst erfahren Kollegen, die das ja Trainieren, kann da mal die Sicherung durchbrennen, von den Leuten, die da wohnen, mal ganz zu schweigen, die auf sowas ja auch nicht vorbereitet werden..

  8. #8 optimus.prime
    25. Juli 2010

    Es gebe aber immer Menschen, die sich nicht an die Spielregeln hielten. Laut Schreckenberg hatten kurz vor dem Unglück einzelne Jugendliche ein Gitter überrannt und waren eine ungesicherte Treppe hochgelaufen.

    Ja, wahnsinnig unberechenbares Verhalten. Da hätte niemals jemand drauf kommen können…

    Wenn ausserdem bekannt ist, dass es immer ‘Spielverderber’ gibt, könnte man das ja ins Modell einbeziehen – vielleicht nicht zwingend bei granularen Strömungsprozessen, aber spätestens wenn es im Resultat um reale Menschenleben geht.

    Mal im Ernst, wenn ein hochrangiger Politiker umkommt weil über ihm eine Großtrappe einen Infarkt kriegt und ihm auf den Kopf fällt – dann ist das tatsächlich unberechenbar. Da kann kein realistisches Sicherheitskonzept mit rechnen. Das was in Duisburg passiert ist, haben Ortskundige offenbar von Anfang an befürchtet. Steht zur Genüge im Netz und kann also so schwierig nicht vorherzusehen sein.

    Ich habe so ein bißchen das Gefühl, es hätte geholfen wenn man auch Wissenschaftler beteiligt hätte die mehr von Organismen/Verhalten als von mathematischer Modellierung verstehen. Oder einfach nicht die selben Algorithmen für Weizenkörner und Menschen verwendet.

    Und die Schuld ‘einigen Jugendlichen, die sich nicht an die Spielregeln gehalten haben’ zu zuschieben (und die vermutlich auch noch unter den Opfern sind), finde ich angesichts des katastrophalen Versagens des eigenen Sicherheitskonzepts ein starkes Stück.

  9. #9 CHR
    25. Juli 2010

    Da ich mit den physikalischen Grundlagen von Massenverhalten bedauerlicherweise schon reichlich überfordert bin, will ich mich gar nicht so weit aus dem Fenster lehnen, irgendwelche Mutmaßungen anzustellen, was genau zur Vorhersage solcher Phänomene herangezogen werden könnte. Allerdings frage ich mich, was genau der Konflikt bei der Verhandlung des Begriffs ‘Panik’ in Katastrophen ist.
    Mir ist nicht auf Anhieb klar, warum es dazu kommen kann, dass in den Modellen die Panik nicht völlig pragmatisch als Abweichung vom Standardmodell definiert wird (Ich gehe jetzt erst einmal davon aus, dass dies der Fall ist, lasse mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen): Das Standardmodell beruht auf dem Verhalten granularer Materie, das ließ sich wohl hinreichend belegen. Die Panik spielt doch dann – unabhängig von der einzelnen Definition – eine Rolle, wenn es darum geht, menschliches Verhalten, welches eben nicht grundsätzlichen mit dem der granularen Materie gleichzusetzen ist, einzukalkulieren. Panik wäre dann schlicht vom Standardmodell abweichendes, erratisches Verhalten, bei dem beispielsweise der gegebene Raum nicht im Sinne des Standardmodells genutzt wird, da die der in der Simulation zugrunde gelegte Untersuchungsgegenstand nicht mit dem beschriebenen identisch ist.

    Dieser methodische Fehler scheint Schreckenberger unterlaufen zu sein: Das menschliche Verhalten, in allen Szenarien bloß auf die Fähigkeiten der Stoffe des Standardmodells begrenzt zu haben. Das ist die klassische Gefahr der Simulation. In diesem Fall auf tragische Weise vor Augen geführt.

  10. #10 BreitSide
    25. Juli 2010

    Hat Schreckenberg nicht ein Sicherheitskonzept für Mekka entwickelt gehabt? Dort hat es wohl funktioniert. Mit riesigen Umbauten. Hier in D wurde mW gar nichts umgebaut. Außer die paar Zäune. Und in Mekka sind das auch nicht bedröhnte Jugendliche, die Spaß haben wollen, sondern Gläubige, die zugegebenermaßen auch nicht in total friedlicher Stimmung sind (schließlich muss ja noch der Teufel gesteinigt werden).

    Aber lassen wir mal den Meister selbst zu Wort kommen:

    „Engpasskinetik“ nennt Schreckenberg das Phänomen, dass sich Menschen häufig stauen. Ganz besonders geht es ihm um „Evakuierbarkeit“: Vor der Zulassung müssen die Konstrukteure von Flugzeugen und Schiffen den Beweis erbringen, dass das Transportmittel im (beim Test meist mit Besatzungsmitgliedern) voll besetzten Zustand innerhalb gewisser Zeiträume zu evakuieren ist. Schreckenbergs Programm könnte alles genauer, billiger und viel früher leisten. „In zehn Jahren gehören Simulationen zu den Vorschriften“, hofft der Forscher.

    Und das am 30.04.2001: https://www.focus.de/politik/deutschland/sicherheit-stau-im-programm_aid_189092.html
    Waren halt nur 9 Jahre…

  11. #11 Jörg Friedrich
    25. Juli 2010

    Es ist auf der einen Seite faszinierend, wie viel man aus relativ einfachen Computersimulationen für das Verständnis z.B. von Stausituationen lernen kann. Und – auch wenn es makaber klingt – im wissenschaftlichen Sinne wurden die Erkenntnisse der Stauforscher durch die Ereignisse von Duisburg auch nicht widerlegt.

    Die Katastrophe erinnert aber auf der anderen Seite wiedereinmal daran, dass die Wirklichkeit eben nie so ist wie eine Simulation, dass man mit Simulationen zwar Prozesse verstehen und Szenarien analysieren aber die Wirklichkeit nicht voraussagen kann.

    Das klingt trivial, aber die Zitate des Stauforschers zeigen, dass der Erklärungs-Erfolg wissenschaftlicher Modelle immer wieder dazu verleitet, das zu vergessen. Menschliches nicht-rationales Verhalten ist keine Störgröße, die man mehr oder weniger im Modell berücksichtigen kann oder muss, sondern sie ist das, was unser wirkliches Leben ganz grundsätzlich von einem mathematischen Modell unterscheidet.

  12. #12 Ludmila Carone
    25. Juli 2010

    Wichtig ist es jetzt herauszufinden, was da genau schief gegangen ist. Alles, was wir bislang hier und heute über die Simulationen und deren Anwendung sagen können, beruht auf reinen Spekulationen. Ganz abgesehen davon, dass noch nicht mal raus ist, ob es wirklich die Simulationen waren, die versagt haben. Haperte es an der Umsetzung? Wurden zuviele Menschen drauf gelassen? Haben die Ordnungskräfte korrekt gehandelt? Etc. pp.

    Was wir definitiv nicht brauchen sind Typen, die diese Katastrophe für ihre eigenen Vorurteile instrumentieren.

    Jeder, absolut jeder, der von der Materie Ahnung hat weiß, dass Simulationen Näherungen sind – manchmal schlechte und manchmal gute. Und ja, manchmal schätzen die Leute ihre Simulationen falsch ein. Und manchmal auch nicht.

    Ja, Wissenschaftler sind auch nur Menschen und ja Simulationen können auch mal drastisch schief gehen. Ob das hier geschehen ist? Ich weiß es nicht. Ich bilde mir aber auch nicht ein, es zu wissen oder behaupte es gar zu wissen.

    Jeder, der was anderes behauptet, zeigt nur eins: Seine fundamentale Unkenntnis der Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens gegenüber. Und nein, es ist keine Kritik auf Strohmänner einzudreschen.

  13. #13 Thilo
    25. Juli 2010

    Ich würde daraus jetzt nicht eine Diskussion über die Zuverlässigkeit von Simulationen machen wollen. Vermutlich funktionieren die Simulationen durchaus, wenn es um Sand oder Getreide geht. (Auf jeden Fall lassen diese sich in der Praxis überprüfen.)

    Ich würde mich eher fragen, ob und wie sich das Verhalten von Menschen im allgemeinen (und speziell das von betrunkenen Jugendlichen, die stundenlang in der Hitze stehen mußten) in Simulationen einbeziehen läßt. Dieser Aspekt wurde hier ja (so interpretiere ich jedenfalls die Erklärungen in den Medien) vernachlässigt und läßt sich vielleicht auch nicht wirklich zuverlässig berechnen.

  14. #14 Ludmila Carone
    25. Juli 2010

    @Thilo: Schreckenberg hab ich gerade mit folgenden Statement im ZDF gesehen. Nach seiner Aussage muss man mit einbeziehen, dass Jugendliche andere Verhaltensweisen zeigen als Erwachsene. Ich hätte mir nur gewünscht, dass für diese Erkenntnis nicht erst Jugendliche hätten sterben müssen.

    Ich kann mich nur wiederholen. Ich möchte nicht in der Haut von Schreckenberg. Mir wird alleine vom Gedanken ganz schlecht. Wenn meine Simulationen schief gehen, dann ist halt das ein oder andere Paper von mir für die Papiertonne. Hier allerdings…Oh Mann.

  15. #15 Mathias
    25. Juli 2010

    Das Problem ist, dass da nicht mal Alkohol im Spiel sein muss, sondern nur was unhersehbares, oder ein missverständnis zwischen den Besuchern/Polizisten/organisatoren vor Ort, und schon kann es sein, dass Panik ausbricht.
    Kurzeitiges Schließen eines Zaunes, oder einfach einer gestoplert, und schon hat man den Salat!
    Daher kann man, wenn überhaupt nur Spekulieren, was da genau geschehen ist.
    Man muss die Analyse abwarten.

    Aus der Feuerwehrpraxis, sehe ich das ehr so, dass es mit den Modelen so ist, wie zwischen Übungen, und Praxis.
    Man kann garnicht so verrückte Situationen üben, wie es nachher in der Realität ist..
    Das ist keine Abwertung von Modelen, sondern die können nur nährungen schaffen, wie Übungen auch..

  16. #16 Marcus Anhäuser
    25. Juli 2010

    Ich versteh das ganze Gerede über die Simulationen nicht. Pardon, aber wenn ein Gelände nur für 250.000 bis vielleicht 500.000 ausgelegt ist, umzäunt, nur einen Kanal als Zugang hat, und dann kommen 1 bis 2 Millionen, dann brauch ich mir doch keine Gedanken über falsche Simulationen machen.

    Dann hat das Veranstalterteam und die Stadt gepennt und die Augen zugemacht.

  17. #17 BreitSide
    25. Juli 2010

    Jeder Maschinenhersteller muss seine Maschine für “vorhersehbaren Missbrauch” auslegen. Und so muss mE auch ein Veranstalter seine Veranstaltung für “irrationale” Verhaltensweisen auslegen.

    Tut er ja auch. Oder wozu sind Polizei und Ordner da? Würde keiner ausrasten, bräuchte man die doch gar nicht. Oder?

    Mir scheint, hier beißt sich irgendwas selbst in den Schwanz.

  18. #18 Thilo
    25. Juli 2010

    @ Marcus

    Man ist offensichtlich davon ausgegangen, daß nicht alle Besucher gleichzeitig auf das Festivalgelände wollen. DAS läßt sich vielleicht tatsächlich auf Basis von Erfahrungswerten prognostizieren, wobei es mir auch merkwürdig vorkommt, daß man offenbar davon ausgegangen ist, daß nur ein Drittel der Leute zur Abschlußveranstaltung kommen würde.

  19. #19 BreitSide
    25. Juli 2010

    Jetzt war Schreckenberger grad im ARD und hat bemängelt, dass die Tunnel offensichtlich nicht leerbar waren, was hätte sein müssen. So hab ich das jedenfalls in der Kürze verstanden.

    Ist also das Sicherheitskonzept doch nicht Schreckenberger gefolgt?

  20. #20 BreitSide
    25. Juli 2010

    Noch so ein Ding: offensichtlich hatte die Polizei keine Kameras, und der Veranstalter hat seine Bilder nicht “ausgewertet”, also nicht rausgerückt.

    Und diese Kameras wären doch wohl das Bindeglied zwischen Modell und Realität gewesen?

  21. #21 BreitSide
    25. Juli 2010

    @Thilo: zu Maßzahlen: gerade sagte einer, man habe mit 20.000 gerechnet, die pro Stunde durch den Tunnel gehen sollen. Teilen wir 1,4 Millionen durch 20.000, wieviel Tage kommen raus?.

    Sorry, waren ja nur 500.000. Oder 250.000? Oder 105.000?

  22. #22 Dani
    25. Juli 2010

    Welcher Sicherheitsberater ist so unerfahren, dass er das Massenverhalten von Menschenmengen in engen Tunneln nicht vorhersehen kann? Warum wurde die Absperrung hinter dem Tunnel nicht in Windeseile geöffnet, um den Druck im Tunnel zu entlasten?
    Jeder einfache Bauer vom Lande hätte mit absoluter Sicherheit und ohne eine einzige Physikberechnung voraussagen können, wie sich eine Herde Säugetiere verhält, wenn es eng wird, von hinten gedrückt wird und es nur einen einzigen Weg gibt, der in eine Sackgasse führt.
    Eine Falle, wie sie schlimmer nicht hätte sein können.
    Wenn mein Sohn dort gewesen und “nur” verletzt worden wäre, dann möchte ich mir nicht ausmalen, wie die Masse Mutter dann reagiert hätte…ich glaube, ich würde sowas von rational handeln, dass den Verantwortlichen der Stadt Duisburg die Physik der Teilchen vollkommen egal wäre!

    Panik ist ein Mythos? Wenn man sein Labor lediglich ab und zu mit dem Schreibtisch tauscht, dann muss man wohl derart lebensfremden Unsinn von sich geben.
    Wenn man aber praktischer Wissenschaftler ist wie ich, dann schüttelt man nur den Kopf ob solcher skurrilen Hirnverdrehungen. Allein schon ein paar Studenten auf ner Ausgrabung, die vor einem drohenden Gewitter in Richtung Bauwagen flüchten, schaffen es, sich völlig panisch zu verhalten, wenn es direkt über ihnen donnert. Es gibt immer ein oder zwei, die ruhig bleiben, zu ihrem Auto gehen oder sich einfach nur aufs freie Feld hocken….aber die meisten rennen und das nur, weil sie ein bißchen Angst haben. Wie schlimm ist das erst, wenn man eingequetscht wird, keine Luft bekommt und vor sich keinen Ausweg sieht?

    Dieses Gelaber der Stadtvertreter, es wäre ja gar kein Fehler bei der Planung gewesen, ist eine Ohrfeige. Dann hätte es keine Toten gegeben. Punkt!

  23. #23 Tron
    25. Juli 2010

    Als ich gegen Mittag im Autoradio hörte, das wieder mal gemäß dem Gesetz von “Wachstum, Wachstum, Wachstum!” mit einem Besucherrekord gerechnet wurde, erinnerte schon der Radiomoderator an die begrenzten Platzkapazitäten.
    Tage zuvor hatte ich noch gehört, das man mit 500.000 Leuten kalkulierte. Ein Halber Quadratmeter pro Person. Eine “Fluktuation” wurde als Hoffnungsfaktor genannt, um dann doch die üblichen Eine Million Besucher zumindestens zeitweilig unterbringen zu können.
    Mir fiehlen die Mundwinkel auf den Fussboden, als ich in den Nachrichten darüber in Kenntnis gesetzt wurde, das es sich bei dem Gelände um eine Gottverdammte Sackgasse gehandelt habe!! Eine Vorsatzhandlung, so zu planen!!!
    Was müssen sie die Raver gehasst haben, um zum ersten Mal in der Geschichte der Loveparade überhaupt eine solche Falle aufzustellen.

  24. #24 Marc
    25. Juli 2010

    Auf dem Luftbild (z.B. hier https://www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-57495.html) sieht man zwei Zugänge, den breiten in der Mitte, in dem offenbar die Tragödie stattgefunden hat, und den weiter links, der wohl später geöffnet wurde.
    Beide Zugänge enden nach grober Schätzung 10-20 m von der Fahrtroute der Lkws entfernt. Daneben stehen Menschen, die schätzungsweise nirgendwo mehr hin wollen, weil es nämlich an den anderen Stellen der Route noch voller ist und weil sie ja schon direkt am Geschehen sind.
    Ich glaube, da braucht man sich keine Gedanken machen, wie groß der Durchsatz durch den Tunnel ist. Dahinter geht es einfach nicht weiter. Das müsste eigentlich auch bei der Simulation mit granularer Materie herauskommen…

  25. #25 Daniela
    25. Juli 2010

    Granulare Teilchen bekommen halt keine Panik und versuchen auch nicht, Löcher ins Reagenzglas zu schlagen, in das sie – sinnbildlich – eingesperrt sind. Menschen allerdings handeln so. Eine Menschenmasse ist auch mehr als nur die Summe ihrer Teile, weil sich in ihr ganz eigene psychologische Dynamiken entwickeln können.

    Man muss ja wirklich kein Professor sein, um zu ahnen, das Menschen in Panik und Todesangst sich nicht an die Regeln halten, die man als theoretischer Physiker vielleicht von granularen Teilchen erwartet. Ich hatte die Panikforschung immer für ein interdisziplinäres Fach gehalten, wo ebensoviel Kompetenz in Verhaltenspsychologie wie Physik gefragt ist.

    Herr Schreckenberg jedenfall hat sich imho mit seinen Äußerungen als absoluter Fachidiot mit Tunnelblick entlarvt. Im N-TV Interview heute Mittag hat er das Konzept verteidigt und mit Blick auf die sich nicht regelkonform verhaltenen Teilnehmer wortwörtlich gesagt: “da muss man an den Menschen arbeiten!”. Na, dann muss er ja wenigstens nicht an seinen Modellen arbeiten…

  26. #26 Stefan W.
    26. Juli 2010

    Beim Link “Unter dem Artikel” fehlt ein Doppelpunkt hinter “http”, wodurch man im Sonstwo landet.

    Wenn Schreckenber sagt “Panik ist ein Mythos”, und “Menschen handeln selbst in sehr bedrohlichen Situationen noch rational.”, dann hat er vielleicht nur einen falschen Begriff von Panik. Das findet man ja immer wieder, dass einem Begriff eine falsche Bedeutung zugeschrieben wird, um dann eine Aussage zu widerlegen, die niemand gemacht hat.

    Dass Panik einfach nur “irrationales Handeln” heißen soll, das habe ich bisher jedenfalls nicht angenommen, sondern – siehe auch die Konnotation ‘in blinder Panik’ – dass man fokussiert auf ein einziges Ziel (‘bloß weg hier!’) – nicht so rational handelt wie sonst üblich, also beim Fliehen nicht nach einer zweiten oder dritten Möglichkeit mehr Ausschau hält, sondern der erstbesten folgt.

    Ich war in Duisburg nicht dabei, aber hatte den Eindruck, dass es sogar eher die getroffen hat, die nicht mit der Masse durch den Tunnel wollten, sondern die, die eine zweite Möglichkeit gesucht haben – über die Absperrung hinweg.

    Aber ob es so war kann ich nicht beurteilen.

    Ob Panik immer auch mit Schockzuständen verbunden ist, weiß ich nicht. In Schockzuständen handeln Leute wohl teils auch wider jede Vernunft, laufen z.B. in ein Feuer zurück.

    Anzunehmen, dass es Panik nicht gibt, ist jedenfalls eine kuriose Hybris.

  27. #27 Alexander Stirn
    26. Juli 2010

    Die Frage, wie bzw. ob sich das Verhalten von Menschenmassen berechnen und somit voraussagen lässt, ist in der Tat hochspannend. Wenn aber die einzige Antwort darauf lautet: Es ist berechenbar, solange sich die Menschen an die Vorgaben der Simulationen halten, ist das (für einen Nicht-Wissenschaftler) sehr ernüchternd.

    Nicht umsonst, wird z.B. die Evakuierung von Flugzeugen zwar am Computer durchgerechnet, bevor neue Maschinen zugelassen werden können, muss die Evakuierung aber immer noch mit realen Menschen durchgespielt werden (klar, auch das ist eine Laborsituationen mit vielen Beschränkungen). Und daran dürfte sich auch nichts ändern, selbst wenn Schreckenberg schon vor zehn Jahren etwas anderes prophezeit hat.

    Wobei Schreckenberg kein unerfahrener Nobody ist. Seit zehn Jahren füttert er die Medien mit seinen durchaus interessanten Themen, die von den Journalisten meist ziemlich unkritisch (ich schließe mich da ein) aufgegriffen wurden. Er kooperiert mit Autofirmen, weiß also wie Öffentlichkeit funktioniert und wie er seine Themen kommunizieren bzw. verkaufen muss. Daher wundern mich solche (falls sie denn korrekt wiedergegeben wurden) weltfremden Statements doch etwas.

  28. #28 Ockham
    26. Juli 2010

    Danke für den guten Artikel, ich bin positiv überrascht von Ihnen.

    Man kann ganz sicher viele lange und auch kluge Gedankengänge zu diesem Thema haben, aber eines ist für mich ungeachtet aller Details und der Planung offensichtlich: wer plant hunderttausende junge und potenziell unter Drogeneinfluß stehende Menschen durch einen 300 Meter langen Tunnel zu führen, denkt an alles mögliche, aber nicht an die Sicherheit dieser Menschen.

  29. #29 Jack
    26. Juli 2010

    Hr. Schreckenberg Aussagen in diesem Video https://www.n-tv.de/mediathek/videos/panorama/Panikforscher-gibt-Besuchern-Schuld-article1129306.html sind unfassbar zynisch, das ist schon mehr als “Nerd-Autismus”.

    Seine Modelle und Simulationen haben im Vorfeld ergeben, dass alles in Ordnung geht?

    Hier gibt es jemanden, der es unverbindlich aber einfach und anschaulich erklärt und vorrechnet, dass es gefährlich war, dazu noch hochinteressante englische Zitate aus Fachliteratur: https://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/fischblog/verhaltensforschung/2010-07-25/loveparade-ungl-ck-in-duisburg-war-der-eingang-gro-genug/page/3#comments

    Und dass Menschen, wenn Sie in einem Tunnel eingesperrt und eingeengt sind, versuchen, irgendwie zu entkommen: Das kann Herr Schreckenberg als Fachmann für KfZ-und Personenströme nicht vorhersehen? Und dass sich diese Menschen in Todesangst evtl. auf eine Treppe als möglichem Rettungsweg zukämpfen?

    Die unfassbare Antwort ist: Ihm war die Treppe nicht bekannt, dabei ist Sie doch für alle unübersehbar unmittelbar in der von ihm selbst schon vorher als Problemzone bezeichneten Tunnelumgebung.

    Hier sagt er, dass man die Treppe natürlich hätte wegsprengen müssen vor der Veranstaltung: https://www.news.de/gesellschaft/855066621/man-haette-die-treppe-sprengen-muessen/1/

    Er war also offensichtlich anlässlich eines so wichtigen Gutachtens nicht vor Ort, und das in der Stadt, an deren Universität er einen Lehrstuhl hat.

    Wie kann das sein?

    Zuverlässig?
    Fahrlässig?
    Wie lässig ist ein solcher Wissenschaftler?

    Bitte lest auch die Kommentare vor dem Unglück in https://www.derwesten.de/kultur/musik-und-konzerte/loveparade/Loveparade-wird-zum-Tanz-auf-dem-Drahtseil-id3265037.html.
    Es ist erschütternd und augenöffnend zu lesen, wie viele normal denkende Menschen mit Ortskenntnissen diese Katastrophe wenige Tage zuvor vorhergesagt haben.

  30. #30 Jack
    26. Juli 2010

    Hr. Schreckenberg Aussagen in diesem Video https://www.n-tv.de/mediathek/videos/panorama/Panikforscher-gibt-Besuchern-Schuld-article1129306.html sind unfassbar zynisch, das ist schon mehr als “Nerd-Autismus”.

    Seine Modelle und Simulationen haben im Vorfeld ergeben, dass alles in Ordnung geht?

    Hier gibt es jemanden, der es unverbindlich aber einfach und anschaulich erklärt und vorrechnet, dass es gefährlich war, dazu noch hochinteressante englische Zitate aus Fachliteratur: https://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/fischblog/verhaltensforschung/2010-07-25/loveparade-ungl-ck-in-duisburg-war-der-eingang-gro-genug/page/3#comments

    Und dass Menschen, wenn Sie in einem Tunnel eingesperrt und eingeengt sind, versuchen, irgendwie zu entkommen: Das kann Herr Schreckenberg als Fachmann für KfZ-und Personenströme nicht vorhersehen? Und dass sich diese Menschen in Todesangst evtl. auf eine Treppe als möglichem Rettungsweg zukämpfen?

    Die unfassbare Antwort ist: Ihm war die Treppe nicht bekannt, dabei ist Sie doch für alle unübersehbar unmittelbar in der von ihm selbst schon vorher als Problemzone bezeichneten Tunnelumgebung.

    Hier sagt er, dass man die Treppe natürlich hätte wegsprengen müssen vor der Veranstaltung: https://www.news.de/gesellschaft/855066621/man-haette-die-treppe-sprengen-muessen/1/

    Er war also offensichtlich anlässlich eines so wichtigen Gutachtens nicht vor Ort, und das in der Stadt, an deren Universität er einen Lehrstuhl hat.

    Wie kann das sein?

    Zuverlässig?
    Fahrlässig?
    Wie lässig ist ein solcher Wissenschaftler?

    Bitte lest auch die Kommentare vor dem Unglück in https://www.derwesten.de/kultur/musik-und-konzerte/loveparade/Loveparade-wird-zum-Tanz-auf-dem-Drahtseil-id3265037.html.
    Es ist erschütternd und augenöffnend zu lesen, wie viele normal denkende Menschen mit Ortskenntnissen diese Katastrophe wenige Tage zuvor vorhergesagt haben.

  31. #31 BreitSide
    26. Juli 2010

    @Daniela zu Schreckenberg:

    “Im N-TV Interview heute Mittag hat er das Konzept verteidigt und mit Blick auf die sich nicht regelkonform verhaltenen Teilnehmer wortwörtlich gesagt: “da muss man an den Menschen arbeiten!”. Na, dann muss er ja wenigstens nicht an seinen Modellen arbeiten…”

    Wer war denn das gleich, der bessere Menschen für die ideale Gesellschaft erschaffen wollte, fällt mir grad ni ein…

    Wenn das die Eva Herrmann erfährt (https://www.scienceblogs.de/zeittaucher/2010/07/eva-hermann-kommentiert-ist-gott-an-den-toten-der-love-parade-schuld.php), wird sie ganz verwirrt: Kommunisten sind Schuld!

    Oder war Gott dann so pfiffig, dass er den einen Antichristen mit dem anderen bestraft hat?

  32. #32 BreitSide
    26. Juli 2010

    @Daniela:

    “Granulare Teilchen bekommen halt keine Panik und versuchen auch nicht, Löcher ins Reagenzglas zu schlagen, in das sie – sinnbildlich – eingesperrt sind.”

    Es mag eigenartig klingen, aber “eingesperrte” Teilchen “versuchen” sehr wohl, das Reagenzglas zu sprengen. Dieses Verhalten hat in der Vergangenheit schon manches Silo gesprengt, damals völlig unvorhersehbar. Stichwort “Brückenbildung”.

    Nur hat dieses Verhalten zugegebenermaßen nix mit “Panik” zu tun. Es liegt komplett innerhalb der “Verhaltensmöglichkeiten” eines Teilchens. Der Mensch hat aber ein paar mehr Optionen zur Verfügung.

  33. #33 BreitSide
    26. Juli 2010

    @Jack: sehr gute Links!

  34. #34 Ludmila
    26. Juli 2010

    @Alexander Stirn und Jack: Keine Frage. Das Auftreten von Schreckenberg finde ich auch grenzwertig, wenn nicht sogar dämlich. Ich fürchte, der Mann ist von der Situation völlig überfordert und agiert so wie auf Fachtagungen gegenüber anderen Wissenschaftlern. Das geht natürlich gar nicht.

  35. #35 Rahn
    26. Juli 2010

    Herzliches Beileid an alle Betroffenen.

    Dass „Menschen von oben herunterfallen” sei ein Fall gewesen, der überhaupt nicht in dem Sicherheitsplan vorgesehen gewesen sei.

    Das ist heftig. Oben Party, unter der eh schon recht gering dimensionierte Eingang. Wie kann man überhaupt bei einer Veranstaltung, die Brücken in ihrem Konzept hat, NICHT auf den Gedanken kommen, dass dort jemand runter fallen könnte?

    Und, jaja, hinterher lässt sich immer alles leicht sagen, aber… es treffen zwei Routen am einzigen Eingang zusammen… es ist vorher ganz klar, dass es Gedränge geben wird… und es gibt eine Treppe… direkt vom Gedränge zur Party.
    Das da kein Zaun hilft sollte wohl wirklich jedem klar sein.

    Zudem muss ich mich jetzt darauf einstellen, dass viele Menschen seine Fehleinschätzung auf alle anderen Wissenschaftler (also auch auf mich) ausweiten werden. Wir werden – mal wieder – in Kollektivhaft genommen werden.

    Oo

    Tja, solche Katastrophen können in der Tat sehr lästig sein…

    Aber vielleicht kann ich dich beruhigen, es dreht sich nämlich nicht immer alles um Wissenschaftler, den meisten Leuten dürften sie in diesem Zusammenhang sogar reichlich egal sein.

  36. #36 Ludmila Carone
    27. Juli 2010

    @Rahn: Entschuldigung. War wirklich nicht mein bester Kommentar aller Zeiten. Was mach ich mir Gedanken über so nen egozentrischen Mist, wenn da Menschen gestorben sind.

  37. #37 Thilo
    27. Juli 2010

    Nachtrag: Der oben zitierte Wikipedia-Artikel wurde inzwischen geändert.

  38. #38 Karl Mistelberger
    27. Juli 2010

    Apropos Schreckenberg:

    “Für die unterschiedlichen kollektiven Phänomene, die in Fußgängermengen beobachtet werden, interessieren sich in jüngster Zeit mehr und mehr Wissenschaftler. In diesem Bericht werden wir immer zwischen der Fußgängerdynamik in normalen Situationen und in Paniksituationen unterscheiden. Da beide Probleme durch unterschiedliche charakteristische Phänomene gekennzeichnet sind, wurden sie häufig von unterschiedlichen wissenschaftlichen Fachbereichen untersucht. Wie wir jedoch im Nachfolgenden zeigen werden, können sie mit dem gleichen Fußgängermodell beschrieben werden.”

    aus https://www.age-info.de/PDF/SicherheitHelbing.pdf, https://www.age-info.de/PDF/SimulationHelbing.pdf Das könnte auch für Schreckenberg interessant sein.

  39. #39 sdu
    27. Juli 2010

    Ein weiteres Problem scheint mir, dass Schreckenberg momentan in vielen Medien nahezu unwidersprochen Gelegenheit erhält, seine Behauptung von den herabstürzenden Kletterern, die die Panik erst ausgelöst hätten, zu verbreiten (zuletzt etwa Report am 26.7, löbliche Ausnahme: Spiegel-TV 25.7.).

    Tatsächlich ist es aber so, dass in allen bisher bekannten Fotos und Videos zwar Personen zu sehen sind, die über Masten, Container und die berüchtigte Treppe versuchen, aus dem Hexenkessel am Kreuzungspunkt der beiden Tunnel mit der Rampe herauszukommen. Darunter ist aber kein einziges Bild eines Absturzes. Auch in den Augenzeugenberichten der Menschen vor Ort ist “nur” von drangvoller Enge am Knotenpunkt sowie von Menschen, die vor unerträglichem Druck und Erschöpfung zu Boden gingen (wohlgemerkt: aus dem Stand, ebenerdig in bzw. geschoben von der Menge, nicht in Form eines Absturzes) die Rede. Es sind sogar Personen am Container hochgeklettert, die eigentlich schon auf dem Nachhauseweg waren, in der drangvollen Enge der “Kreuzung” aber als einzigen Ausweg die Kletterei nach oben, zurück auf das Festivalgelände sahen.

    Kurz: Schreckenberg hat nicht nur bei seiner Vorab-Einschätzung der Situation (die irreguläres Verhalten der Besucher hätte berücksichtigen müssen) versagt, er versagt auch jetzt bei seiner Analyse (oder besser: Darstellung) der Situation ex post. Und dies in einer Weise, die Besuchern qua angeblichem egoistischem Fehlverhalten die Schuld an dem Disaster zuzuweisen versucht. Richtig ärgerlich wird dies angesichts der Tatsache, dass bei genügend häufiger unwidersprochener Wiederholung dieses Unsinns in der medialen Aufbereitung wohl bald der Punkt eintreten wird, an dem Einzelne anfangen, die Fiktion als vermeintlich Stattgefundenes in ihre Erinnerungen einzubauen (zur Formbarkeit von Erinnerung via Suggestion ex post vgl. etwa Clancy 2005).

    Auch eine Art, sich zu exkulpieren. Eine sehr unappetitliche …

  40. #40 Dr.Webbaer
    1. August 2010

    “Panik ist ein Mythos”, sagt er, “Menschen handeln selbst in sehr bedrohlichen Situationen noch rational.”

    Panik ist rational, vermutlich scheitert Schreckenberg an dieser Erkenntnis. Übrigens ist es auch rational, wenn Menschen bewusstlos werden, das aber nur ganz nebenbei.

    Was in diesen Paniksituationen passiert, der Wb war vor vielen vielen Jahren zu Schulzeiten in eine kleinere involviert, ist, dass eine sich bewegende Menschenmenge dem Einzelnen irgendwann sehr wenig und dann zu wenig Platz lässt. Die Reaktion, die panikartige Reaktion, ist dann üblicherweise das reflexartige Mobilisieren von Kräften um aus der Sache lebend herauszukommen. Was rational ist, aber eben den Allgemeinzustand verschlimmert.

    Zu:

    Ich würde mich eher fragen, ob und wie sich das Verhalten von Menschen im allgemeinen (und speziell das von betrunkenen Jugendlichen, die stundenlang in der Hitze stehen mußten) in Simulationen einbeziehen läßt.

    Inwieweit Simulationen dieses Verhalten modellieren können, hmmm…; vermutlich geht da einiges – ob die zitierten Parallelen zur Verfahrenstechnik nun soo da sind, wer weiß? Das oben beschriebene Verhalten, also das panikartige Mobilisieren von Kräften und wann dieses einsetzt, lässt sich aber wohl sehr gut modellieren.

    MFG
    Wb

  41. #41 Thilo
    2. August 2010

    Wenn ich die Erklärungen der letzten Tage richtig verstehe, war Schreckenberg wohl am Sicherheitskonzept der Loveparade gar nicht beteiligt (auch wenn er sich in den Medien dazu geäußert hat), sondern nur an der Verkehrsplanung innerhalb der Stadt.

  42. #42 Thilo
    2. August 2010

    Laut https://www.derwesten.de/nachrichten/politik/Duisburg-kannte-die-Gefahr-id3294203.html ging es bei der Arbeit der Panikforscher um das Fluchtwegekonzept:

    Auch die Rolle von Panikforscher Michael Schreckenberg kommt zur Sprache. Nach Aufforderung von Rabe sollte am 21. Juni von den Ämtern und der Feuerwehr ein Fluchtwegekonzept er­arbeitet werden. Dieses sollte Schreckenberg vorgelegt werden. Wenn er es „absegnet”, so Rabe, „soll dies für eine Genehmigung bei 62 (Bauamt, d. Red.) reichen.”

    Baudezernent Dressler kommentierte das Schreiben später handschriftlich: „Ich lehne aufgrund dieser Problemstellung eine Zuständigkeit und Verantwortung … ab. Dieses entspricht in keinerlei Hinsicht einem ordentlichen Verwaltungshandeln …“.

    Tatsächlich genehmigte die Stadt Duisburg am 21. Juli, kurz vor der Loveparade, die veränderte Nutzung des Güterbahnhofgeländes mit reduzierten Fluchtwegbreiten und verzichtete auf Feuerwehrpläne. Ganz so wie Lopavent es gewünscht hatte, wie Dezernent Rabe es durchsetzte. Auch diese Genehmigung liegt dieser Zeitung vor.

    Schreckenberg bestätigte gestern, dass ihm für die auf 155 Meter reduzierten Fluchtwege eine Computer-Simulation von Hubert Klüpfel der Duisburger Firma Traffgo HT vorlag. Klüpfel, der bei Schreckenberg promovierte, befand die die Fluchtwege als ausreichend. Schreckenberg: „Die Simulation er­schien mir plausibel“. Von Lopavent gab es keine Stellungnahme.

  43. #43 Krishna Gans
    2. August 2010

    Zudem muss ich mich jetzt darauf einstellen, dass viele Menschen seine Fehleinschätzung auf alle anderen Wissenschaftler (also auch auf mich) ausweiten werden.

    Na, wenn Du schon so argumentierst, bist Du mit den “befürchteten” Auswirkungen noch bestens bedient.
    Ist das wirklich eines der ersten “Argumente”, das Dir einfällt ?
    Frau, kannst Du peinlich sein….

  44. #44 Thilo
    2. August 2010

    @ Krishna Gans: Das nächste Mal versuchen wir, zum Thema zu diskutieren.

  45. #45 BreitSide
    3. August 2010

    Hi Krishi, lange nicht mehr gesehen!

    Hast Du Freigang ausgehandelt?

  46. #46 Dani
    3. August 2010

    och bitte…..nicht unter der gürtellinie! trägt ja heute sowieso kaum noch jemand einen gürtel 😉

    fakt ist, das sicherheitskonzept war nicht ausreichend. fakt ist, es hätte nicht genehmigt werden dürfen. fakt ist, es gab tote. punkt.

    dieses hin und her der schuldzuweisungen dient doch lediglich der verwirrung und endgültigen zerschlagung der frage nach schuld selbst. alle beteiligten um den veranstalter, die sicherheitsverantwortlichen und die stadt duisburg sind verantwortlich.
    was sie jetzt allerdings machen, das ist politische affenkletterei im geäst des jurabaumes. wer am besten hin und herklettert, der wird vielleicht am ende nicht erwischt. lächerlich und peinlich. dazu stehen, verantwortung übernehmen, mitgefühl zeigen, den angehörigen angemessene entschädigung anbieten, asche aufs haupt, freiwilliger rücktritt in ehren.
    oh sorry, ich stecke noch in der wikingerzeit….so hätte man es damals jedenfalls gemacht, wenn man “aus versehen” einen nachbarn im streit erschlagen hätte 😉 .

    aber heute ist man ja so viel weiter…..naja…kann man glauben…. 😉

  47. #47 Krishna Gans
    4. August 2010

    @Thilo

    Schlage XXX das mal vor, deren Kommentar ich hier etwas verspätet kritisiere, nur mal so als Idee.

    @BreitSide
    Nein, ich prüfe, ob Du nicht gegen Deine Auflagen verstößt – Du fängst gerde damit an.

  48. #48 Krishna Gans
    4. August 2010

    @Dani

    freiwilliger rücktritt in ehren.

    Der gehört mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt, unter Verlust aller Ansprüche, Aberkenneung allermöglichen Rechte…
    Was die Juristen da halt alles so finden….

  49. #49 michael
    4. August 2010

    > Schlage XXX das mal vor, deren Kommentar ich hier etwas verspätet kritisiere, nur mal so als Idee.

    Quod licet jovi, non licet bovi!

  50. #50 Krishna Gans
    4. August 2010

    @michael
    Stimmt, es seht XXX nicht zu, sich in dem Zusammenhang in der Form zu äußern – danke für die Besstätigung, daß ich diese Kritik äußern kann.

    Abgesehen davon ist es mir wurscht, was Thilo versucht.
    ;.)

  51. #51 Wb
    4. August 2010

    dieses hin und her der schuldzuweisungen dient doch lediglich der verwirrung und endgültigen zerschlagung der frage nach schuld selbst.

    Wir können froh sein, dass wir so ein Hin&Her haben, auch wenns nicht wirklich gefällt und konveniert, aber der kurz nach dem Vorfall einsetzende soziale Prozess ist OK. Zu anderen Zeiten oder an anderen Orten wäre die Schuld mal eben so (a la “Fakt ist, Fakt ist…” 🙂 zugewiesen worden.
    Stulti est se ipsum sapientem putare.

  52. #52 Dani
    5. August 2010

    Sapienti sat.

    🙂

  53. #53 Wb
    5. August 2010

    Docendo discimus.
    😉

  54. #54 michael
    5. August 2010

    Aqua das Wasser

    und Vinum der Wein

    scher dich zum Teufel

    verfluchtes Latein

  55. #55 Dani
    5. August 2010

    Aqua Aqua.
    Vinum Vinum.
    Abi in malam crucem.
    Exsecrata latinita.

    🙂

  56. #56 BreitSide
    6. August 2010

    In vino veritas.
    In lacte sanitas.
    In aqua badedas.
    In Cola weißnetwas.

  57. #57 BreitSide
    6. August 2010

    …und zur Abrundung noch eine lateinisch-fränkisch/sächsischer Regel beim Kartenspiel, die leider in Duisburg eine makabere Bestätigung fand:

    Quod lumen, lumen!

    Das makabere Pendant denkt Euch mal selbst aus, das ist (selbst) mir zu schmerzfrei für diesen öffentlichen Raum.

  58. #58 michael
    6. August 2010

    Wie übersetzt man: “BreitSide hat wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank.” in Lateinische ?

  59. #59 BreitSide
    8. August 2010

    michi, ich trinke grad aus einer Tasse. Und zwar von dem Kakao, durch den ich Dich gleich wieder ziehe.

    Aber noch einen extra für Dich:

    Quamquam es sub aqua,
    Sub aqua maledicere temptas!

  60. #60 Thilo
    18. Dezember 2010

    Panikforscher will nicht an Planung beteiligt gewesen sein
    “In dem Schriftsatz an die Staatsanwaltschaft äußert Schreckenbergs Anwalt den Verdacht, die Stadt habe sich womöglich nur mit dem Namen des Wissenschaftlers schmücken wollen, um “kritische Stimmen zu beruhigen”.”

  61. #61 mohamad
    12. November 2011

    Surah Al-Fatiha
    Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen! (1)
    Alles Lob gebührt Allah, dem Herrn der Welten, (2) dem Allerbarmer, dem Barmherzigen, (3) dem Herrscher am Tage des Gerichts! (4) Dir (allein) dienen wir, und Dich (allein) bitten wir um Hilfe. (5) Führe uns den geraden Weg, (6) den Weg derer, denen Du Gnade erwiesen hast, nicht (den Weg) derer, die (Deinen) Zorn erregt haben, und nicht (den Weg) der Irregehenden. (7)
    Werbelink gelöscht. Wir verkaufen hier keine Kraftfahrzeuge.

  62. #62 SB
    16. Dezember 2014

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