Auf den scienceblogs (genauer: auf dem neuen Blog “Andererseits”) tobt gerade wieder einmal eine Kommentarschlacht über ‘Skeptizismus’ in der Wissenschaft.

Diesmal geht es nicht um Homöopathie oder Astrologie, sondern um HIV. Die Argumente der Autorin sind dieselben, die man schon tausendmal gehört hat, Zitat:

Ich habe keine Ahnung, wer Recht hat! Es verblüfft mich jedoch, wieviele Wissenschaftler die allgemein bekannten AIDS-HIV-Theorien ablehnen. Ich würde mir da nicht so einen Zweifronten-Krieg, sondern eine ordentliche Diskussion wünschen. Die gibt es auch deswegen nicht, weil die, sagen wir mal “anerkannten Wissenschaftler” es nicht für nötig halten, die Argumente der Gegenseite zu entkräften.

Und später im Kommentarteil der Diskussion:

Mir wurde nahegelegt, mich von meine Äusserung zu distanzieren, dass ich nicht weiss, ob die AIDS-HIV-Kritiker Recht haben oder nicht. Dazu wurden ja jetzt viele Links von z.B. Esowatch angeführt.

Das tue ich aber nicht.

Ich weiss immernoch nichts weiter über AIDS, nur das Schulwissen und das, was ein paar Kritiker behaupten. Es war nur eines von vielen möglichen Beispielen, auf das man hier offensichtlich sehr empfindlich reagiert. Ich hätte auch den LHC mit dem schwarzen Loch erwähnen können. Wieviel Prozent der hier mitlesenden können wirklich die Argumente dieser hand voll Leute, die meinen, da könnte ein schwarzes Loch entstehen, nachvollziehen? Dafür braucht man mindestens ein Studium in Atomphysik!

Der Leser von wissenschaftlichen Berichten kann doch nur GLAUBEN, dass das stimmt, was da steht, je mehr Leute eine These wiederholen und von je mehr vertrauenswürdigen Personen man es hört, umso verlässlicher wird die Information. Daswegen glaubt auch kaum einer das mit dem LHC. Aber es schliesst nicht aus, dass es stimmen kann, das kann doch kaum ein Mensch nachvollziehen.

Ich finde diese Diskussion in der Sache genauso überflüssig wie langweilig und werde mich auch nicht daran beteiligen, schon aus Mangel an Biologie- und Medizin-Kenntnissen. Aber vielleicht (paßt schließlich ins Sommerloch) paßt hier mal eine grundsätzliche Bemerkung zum Thema ‘Glauben in der Wissenschaft’.
(In der aktuellen Ausgabe der Mitteilungen der DMV ist übrigens ein Interview mit Prof. Kreck, in dem er auch auf ‘die Rolle des Glaubens in der Mathematik’ eingeht. Der Artikel ist leider nicht online.)

Warum ‘glaubt’ man, daß die Grundlagen des eigenen Faches, auf denen man seine Arbeit aufbaut, richtig sind? Zum Teil natürlich, weil man sie selbst nachgeprüft hat, als Student im Studium oder später beim Halten von Vorlesungen oder auch weil man sich bei der eigenen Arbeit nebenbei noch mal mit den Grundlagen beschäftigt hat. Warum ‘glaubt’ man, daß auch diejenigen Grundlagen richtig sind, mit denen man selbst sich nur flüchtig oder gar nicht beschäftigt hat? Weil es eben Grundlagen sind, die jedes Jahr auf Neue von Dutzenden Professoren an Tausende Studenten vermittelt werden, die sich alle mit dem Stoff auseinandersetzen und einen eventuellen Fehler schon lange gefunden hätten.

Natürlich gibt es da auch Schattierungen. Um einmal ein paar Beispiele aus meinem eigenen Gebiet zu erwähnen: in der Differentialtopologie verwendet man häufig die Tatsache, daß sich glatte Mannigfaltigkeiten aus Henkeln aufbauen lassen. Das ist Mitte des vorigen Jahrhunderts mal bewiesen worden. Wohl jeder Topologe kennt auch den Beweis: dieser folgt aus der sogenannten “Morsetheorie” und wird häufig in Seminaren für Studenten des 6.Semesters behandelt, meist nach Milnors bekanntem Lehrbuch. Allerdings, eigentlich erhält man dort erstmal nur, daß man aus Henkeln Mannigfaltigkeiten mit Ecken zusammensetzen kann. Und daß man diese Ecken glätten kann ist doch offensichtlich, damit wird man sich im Seminar nicht weiter aufhalten. Jeder Topologe, den man fragt, wird diese Tatsache ‘glauben’, mir ist aber bisher niemand begenet, der sich die Mühe gemacht hätte, es wirklich noch einmal durchzurechnen. (Es ist einerseits zu trivial und langweilig, wäre andererseits aber doch mit einem gewissen Arbeitsaufwand verbunden.)
Ähnliche Beispiele könnte man viele anführen. Während es einerseits Beweise gibt, die auch nach Jahren noch von vielen Leuten gelesen und z.B. in Seminaren behandelt werden, gibt es auch Tatsachen, die jeder kennt, aber kaum jemand nachprüft.
Zum Beispiel kennt (und benutzt) jeder Topologe die Tatsache, daß sich glatte Mannigfaltigkeiten triangulieren lassen, der Beweis (1940 von Whitehead in Annals of Mathematics veröffentlicht) gilt aber offenbar als didaktisch nicht so wertvoll, jedenfalls scheint er als Thema in Studenten-Seminaren nie vorzukommen, ergo kennt (und prüft) kaum ein lebender Mathematiker den Beweis.
Oder: jeder 3-Mannigfaltigkeits-Topologe weiß, daß es auf 3-Mannigfaltigeiten eine eindeutige differenzierbare Struktur gibt (und weiß vielleicht auch noch, daß dies in einem alten Buch von Moise steht), aber auch hier gibt es wohl kaum jemanden, der sich selbst mit dem Beweis beschäftigt hat. (Schon in der MR-Besprechung von 1977 wurde darauf hingewiesen, daß das Buch wegen seines Aufbaus für Uni-Vorlesungen nicht zu empfehlen sei.)
Langer Rede kurzer Sinn: auch in der Mathematik gibt es durchaus Tatsachen, die zwar irgendwann vor Jahrzehnten einmal bewiesen (und von Gutachtern geprüft) wurden, die aber heute eigentlich nur noch ‘geglaubt’ und benutzt werden.
‘Geglaubt’ werden sie unter anderem deshalb, weil sie damals von zuverlässigen Gutachtern geprüft wurden, weil sie plausibel (soll heißen: kompatibel mit anderen Dingen, die man weiß) sind und weil eben nie jemand etwas gefunden hat, was zu diesen Tatsachen im Widerspruch stehen würde. (Denn selbst wenn man sich nicht mit den Beweisen dieser Tatsachen beschäftigt, befaßt man sich ja doch mit Fragen aus dem Umkreis der jeweiligen Themen und würde natürlich stutzig werden, wenn sich in der eigenen Arbeit ein Widerspruch zu bekannten Tatsachen auftäte. Oder anders gesagt: alleine die Tatsache, daß jahrzehntelang niemandem von Hunderten auf einem Gebiet tätigen Wissenschaftlern irgendein Grund aufgefallen ist, der Zweifel an dem bekannten Resultat sät, ist natürlich ein weiteres Indiz für seine Korrektheit.)
Und, last not least, ‘glaubt’ man veröffentlichte Resultate natürlich auch deshalb, weil man die Mechanismen der Wissenschaft kennt und weiß. wie lange Überprüfungen eingereichter Arbeiten bei Fachzeitschriften meist dauern.
Man kann wohl sagen, daß der gesamte Wissenschaftsbetrieb darauf ausgerichtet ist, Strukturen dafür zu schaffen, daß Resultate sicher genug sind, um anschließend ‘geglaubt’ zu werden (und dafür zu sorgen, daß wichtige und vielbenutzte Tatsachen in der Regel, trotz der oben beschriebenen Ausnahmen, eben auch von vielen Leuten überprüft wurden und z.B. im Rahmen von Vorlesungen und Seminaren immer wieder überprüft werden).

Was heißt das nun für die ewig-gleichen Diskussionen über Homöopathie, HIV, den LHC oder Relativitätstheorie? Nichts, gar nichts, überhaupt nichts. Denn diese Themen sind von Tausenden, Zehntausenden, vielleicht Hunderttausenden untersucht und diskutiert worden. Nichts was dort von Skeptikern gesagt wird, ist nicht schon tausende Male überprüft worden. Und deshalb ist diese Diskussion auch überflüssig wie ein Kropf.

Kommentare (39)

  1. #1 Thomas J
    6. August 2010

    @Thilo

    klar ist die Diskussion überflüssig…
    Wie stehts mit dem Blogeintrag?

  2. #2 Thilo
    6. August 2010

    Das hatte ich gemeint (jedenfalls den entsprechenden Absatz).

  3. #3 Marc Scheloske
    6. August 2010

    So überflüssig und langweilig scheint die Frage, auf welcher Basis wir in der Wissenschaft denn nun “glauben”, gar nicht, oder? (Wenn ich mir nur Deinen langen Text ansehe.)

    Danke jedenfalls für Deine Gedanken dazu. Stimme Dir 100% zu. In vielen Diskussionen darüber sorgt freilich (nach meinem Empfinden) schon allein die Tatsache, daß man (mangels besserer Alternativen?) das Verb “glauben” verwendet, für Mißverständnisse. Vielleicht wäre es angemessener, wenn man stattdessen von Vertrauen sprechen würde? Wissenschaftler können ja eben auf die Vorleistungen und das Wissen in ihrer Disziplin insofern vertrauen, als daß dies hinreichend verläßlich überprüft wurde. Oder?

  4. #4 Wb
    6. August 2010

    Sie hätten das Hauptproblem “Wissen (im Sinne der mod. Wissenschaftlichkeit) kann man ablehnen, aber nur unter Hinweis auf den eigenen Unglauben oder auf eigene Befunde, nicht per se, da man ansonsten die mod. Wissenschaftlichkeit selbst in Frage stellt” besser herausarbeiten können.
    Überhaupt wirkt die Bearbeitung der Sache, auch die redaktionelle, auf den Außenstehenden nicht unbedingt als “Must-have-here&now”, sondern eher als abstoßend.
    Es ist eine Spur Pharisäertum spürbar, lassen Sie es doch einfach raus, dass Sie interessiert sind. Wb ist ja auch interessiert.

    MFG
    Wb

  5. #5 Wb
    6. August 2010

    “Vertrauen” ist hier ein schönes Wort. Es lässt die (gerne auch Rest-)Zweifel offen, fordert aber einen Grund für das Misstrauen.

    MFG
    Wb

  6. #6 Thilo
    6. August 2010

    @ Marc Scheloske

    Das hatte ich ja im vorletzten Abschnitt geschrieben.

    Überflüssig ist vielleicht nicht die Diskussion als solche, sondern dies an Sachthemen wie der Relativitätstheorie oder im aktuellen Fall dem Zusammenhang von HIV und AIDS festzumachen. Medizin-Themen finde ich für solche Diskussionen sowieso völlig ungeeignet, dafür sind die Folgen zu ernst. Wer über Grundlagenfragen diskutieren will, sollte sich passende Beispiele suchen und nicht medizinische Laien verunsichern.

  7. #7 Georg
    6. August 2010

    Naja, der große Unterschied in Diskussion ist aber, dass die Argumente, die AIDS/HIV-Leugner entgegen kommen im Blogeintrag von scienceblog.de zu finden sind und unten dazu Stellung genommen wird. Eigentlich ist es ja eher anders herum: Man bloggt etwas (meistens wissenschaftlich auf dieser Webseite) und Trolle kommentieren mit den unsäglichen Argumenten.

  8. #8 Wb
    6. August 2010

    @Georg
    Da haben Sie etwas missverstanden. Wir haben hier ein erkenntnistheoretisches Problem, buchen Sies vllt als epistemologisch (vs. nihilistisch [1] :).
    Esoterik wird zwar erhoben, aber nicht direkt befürwortet (höhö). [2]

    MFG
    Wb

    [1] ganze Kulturgattungen leben hiervon, sogar die Musik, also, man kann hier schon Honig saugen, OK, vllt nicht hier 😉
    [2] Der Webbaer würde hier gerne von “spannendes Thema” und so schwätzen, aber es ist eigentlich nicht spannend.

  9. #9 Thilo
    6. August 2010

    Ich habe mich vielleicht unklar ausgedrückt. Ich finde vor allem den entsprechenden Absatz im Artikel überflüssig. Das meinte ich mit “überflüssige Diskussion”.

  10. #10 Georg
    6. August 2010

    Dann nehme ich meine negativ rüberkommendes “Naja” zurück 😉

  11. #11 jitpleecheep
    6. August 2010

    “Vielleicht wäre es angemessener, wenn man stattdessen von Vertrauen sprechen würde? Wissenschaftler können ja eben auf die Vorleistungen und das Wissen in ihrer Disziplin insofern vertrauen, als daß dies hinreichend verläßlich überprüft wurde. Oder?”

    Das ist völlig korrekt.
    Etwas glauben heißt, dass ich etwas hypothetisch annehme, aber nicht (zumindest nicht direkt), dass ich es auch kontrollieren könnte.
    Vertrauen heißt aber genau das: dass ich annehme, dass da jemand korrekt arbeitet, aber mir der Tatsache bewußt bin, dass ich es nachvollziehen könnte.
    Man sagt ja schließlich auch “Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.”, nicht “Glauben ist gut, …”.

    Mit dieser Argumentation habe ich auch schon einige religiöse Wissenschaftler (1) zumindest mal solange zum Schweigen und Nachdenken gebracht, dass ich Zeit hatte ihnen zu erklären, dass die Definition von “etwas glauben” nicht der von “der Glaube” entspricht.
    Danach ist dann meist erstmal Ruhe. 😀

    (1) Ja, die gibt’s leider… Und die kommen _immer_ mit genau dem Argument Wissenschaft sei ja auch nur eine andere Art des Glaubens…

  12. #12 Wb
    6. August 2010

    Glauben ist Vertrauen, entweder einer Sache oder einer Person oder beidem. Glauben wird in der IT über Glaubensreferenzmodelle implementiert, man glaubt jemandem, dem man glaubt so zu sagen.
    Dadurch wird Glauben aber nicht Wissen. Äh, anarchistische Ausbrüche aus diesem Systemverbund (“Verbund”, man konkurriert hier) gelingen auch selten.
    Hmja, schwer zu sagen, P.K.Dick hat sich hier philosophisch bemüht, T.Pratchett ebenso, hartes Brot ist angesagt, aber man darf sicherlich gerade am Anfang keine Fehler machen, wenn man die Sache zu erkennen sucht.

    MFG
    Wb

  13. #13 rank zero
    6. August 2010

    Um noch ein paar weitere Beispiele aus Mathematik dreinzugeben:

    Die Auflösbarkeit von Singularitäten in Charakteristik 0 nach Hironaka haben mit Sicherheit die wenigstens von denen nachvollzogen, die sie verwenden.

    Ebenso den GAGA-Satz von Serre.

    Und wenn man vor ein paar Jahren die Klassifikation der endlichen einfachen Gruppen vor ihrer Verwendung erst nachbeweisen wollte, wäre man wegen natürlichen Ablebens gar nicht mehr zu Resultaten gekommen (inzwischen werden die Monster, im wörtlichen Sinne, etwas handlicher).

    Trotzdem schadet es nicht, sich dieser Defizite bewusst zu sein. Man muss sie nur nicht zum Ansatz einer Grundsatzdebatte machen. (Falls man mal das Gefühl zu großer Selbstsicherheit hat – für Wissenschaftler fast immer schädlich – kann man sich ab und zu kann ja dran erinnern, dass das geozentrische Weltbild auch jahrhundertelang von tausenden Leute “nachgeprüft” war.)

  14. #14 jitpleecheep
    6. August 2010

    @Wb: Also dein Link zu “Glaubensreferenzmodelle” zeigt auf TrustCenter, und zumindest meinem Sprachgefühl nach übersetzt man “to trust” relativ eindeutig mit “jmd. vertrauen”, nicht “jmd. Glauben schenken”. Your point being…?

    (Den Rest deiner Ausführungen versteh ich nicht. Aber das ist dir ja bewusst, das andere da manchmal Probleme mit haben. 😉 )

  15. #15 Stefan W.
    6. August 2010

    “Man kann wohl sagen, daß der gesamte Wissenschaftsbetrieb darauf ausgerichtet ist, Strukturen dafür zu schaffen, daß Resultate sicher genug sind, um anschließend ‘geglaubt’ zu werden …” – gerade das kann man wohl kaum sagen.

    Außer man erzeugt Werbebroschüren für den Wissenschaftsbetrieb.

    Der Wissenschaftsbetrieb ist ausgerichtet Karrieren zu befördern und abzusichern, Drittmittel einzuwerben, dem anderen Geschlecht zu imponieren, das eigene Ego aufzublasen, dass Politiker ihren Spezies Posten zuschachern können, dass man ein Mietmaul zur Hand hat, wenn man ein Gefälligkeitsgutachten braucht, und Leute beschäftigt, denen man die Arbeitsergebnisse klaut, um sich selbst damit zu schmücken, und in den Zitierkartellen aufzusteigen wie ein mit heißer Luft gefüllter Ballon.

    Und wenn es sich nicht ganz vermeiden lässt, dann wird auch mal Wissenschaft betrieben, ja. Und da man all die Ziele oben auch dadurch erreicht, dass man anderen einen Fehler nachweist, kann tatsächlich dazu führen, dass sachlich richtiges zur herrschenden Meinung wird.

  16. #16 Thilo
    6. August 2010

    Und da man all die Ziele oben auch dadurch erreicht, dass man anderen einen Fehler nachweist, kann tatsächlich dazu führen, dass sachlich richtiges zur herrschenden Meinung wird.

    Eben das ist doch die sicherste Garantie dafür, daß Fehler in der Wissenschaft nicht unbemerkt bleiben.

  17. #17 Ludmila
    6. August 2010

    @Stefan W.: Muahaha. Das ist ein Witz, oder?

    Sehen wir mal:

    dass Politiker ihren Spezies Posten zuschachern können

    Ja klar, und weil Wissenschaftler alle sooo dicke mit Politikern sind, ist die Ausstattung der Unis ja auch so spitzenmäßig. Lang nicht mehr eine deutsche Uni von innen gesehen, was?

    Karrieren zu befördern und abzusichern

    Ach deswegen werden die festen Stellen an der Uni peu a peu abgeschafft und mit Zeitverträgen besetzt! Um Karrieren zu fördern. Klar, hätte ich sofort drauf kommen können. Das ist es.

    dem anderen Geschlecht zu imponieren

    Prust. Ha,ha,ha. Ich lach mich schlapp. Ja klar, unsere Doktoranden können sich vor Groupies echt nicht retten. Und auf Konferenzen erst. Sodom und Gomorrha.

    Tja, sorry, Stefan W., ich kenn auch ein paar Arschlöcher in meinem Metier. Aber die gibt es in jedem Job. Von denen sollte man nicht auf alle schließen. So wie Du es anscheinend tust.

  18. #18 Thilo
    7. August 2010

    @ Ludmila: Es geht ja darum, warum man daran glauben kann, daß im Wissenschaftsbetrieb korrekte Ergebnisse erzielt werden. Und dafür finde ich Stefan W’s Argument eigentlich recht überzeugend: Fehler in wichtigen Ergebnissen würden ggf. von der “Konkurrenz” aufgedeckt werden.

  19. #19 rank zero
    7. August 2010

    Stefan W. mag radikal erscheinen, aber so völlig falsch liegt er nicht. Ich nehme an, dass er nicht unbedingt aus der Mathematik kommt – auf anderen Gebieten (das Wort Wissenschaften fällt manchmal schwer) sieht es weit trostloser aus als in unserem Elfenbeinturm.

    Fehler mögen irgendwann aufgedeckt sein, aber mit Trivialitäten, die als bahnbrechend aufgeblasen werden, tut man sich da schon weit schwerer. Selbst wenn wir bei der Mathematik bleiben: Erklär mal einem Wissenschaftspolitiker, warum He’s variational iteration method (genau, der He aus dem El-Naschie-Komplex, der auch noch viele andere Methoden “erfunden” hat) keinen Lehrstuhl verdient, obwohl doch offenbar weltweit viele Leute damit tolle Anwendungsdifferentialgleichungen lösen.

    In einigen Ländern sind Mathematiker offenbar schon damit gescheitert.

  20. #20 Thilo
    7. August 2010
  21. #21 Ludmila
    7. August 2010

    @Thilo: Dieses eine Argument ist ja auch überzeugend. Weil es eine gewisse Konkurrenz gibt, verschenkt man die Steilvorlage eines Fehlers der Konkurrenz nicht. Da kann man direkt ein Gegenpaper schreiben und zeigen, wie toll man selbst ist. So läuft das ja auch zumindest in meinem Feld.

    Aber dummerweise entsprechen die anderen “Argumente” schlicht nicht der heutigen Realität. Nur weil ein Argument zufälligerweise richtig ist, sollte man vielleicht auch darauf hinweisen, dass der Rest davon völliger Quark ist.

    Insbesondere die Behauptung der Wissenschaftsbetrieb sei dazu da, dem weiblichen Geschlecht zu imponieren, stammt geradewegs aus den 50ern, wo ein Doktortitel einen lebenslangen relativ hohen Lebensstandard und Festanstellung garantierte und Frauen darauf gedrillt wurden, sich einen Versorger zu suchen.

    Wir leben aber nun mal im Jahr 2010. Da fangen die Frauen nicht reihenweise zu sabbern an, nur weil jemand nen Doktor erworben hat. Von einer Ehe und Partnerschaft verlangen wir ja hoffentlich mehr als lebenslange Versorgung. Die heutzutage ein Doktortitel auch nicht garantieren kann.

    Ganz abgesehen davon, dass in so einem Weltbild es keine weiblichen Wissenschaftler geben darf. Ich finde sogar, dass so ein Weltbild nicht nur extrem veraltet sondern sogar ziemlich frauenfeindlich ist.

  22. #22 rank zero
    8. August 2010

    Dieses eine Argument ist ja auch überzeugend. Weil es eine gewisse Konkurrenz gibt, verschenkt man die Steilvorlage eines Fehlers der Konkurrenz nicht. Da kann man direkt ein Gegenpaper schreiben und zeigen, wie toll man selbst ist. So läuft das ja auch zumindest in meinem Feld.

    Ich fürchte, so einfach können wir uns nicht über die Systemschwächen beruhigen.

    1. Das “Gegenpaper” funtioniert nicht, wenn ein Netzwerk die Boardpositionen hält und kritsche Positionen ausblockt (das war ja etwa ein Kernvorwurf beim East-Anglia-Leak).

    2. In einem solchen Massenkampf (paper gegen paper ohne weitere Kriterien) unterliegt die Qualität. Im genannten Beispiel von He dürfte es ggf. allein mehr chinesische Ingenieure geben, die seine numerischen “Methoden” auf alles mögliche loslassen und drauflos publizieren, als ernsthafte Mathematiker hinterherkommen, sie auseinanderzunehmen.

  23. #23 Wb
    8. August 2010

    @jitpleecheep
    Was macht man sinnvollerweise, wenn man von etwas wenig Ahnung hat, sich für die Sache wenig interessiert und dennoch wegen Relevanz nicht ignorieren mag oder kann?
    Man vertraut (oder auch nicht), oder?

    “Vertrauen” scheint jedenfalls das bessere Wort als “glauben”, und das Vertrauen kann man versuchen zu systematisieren. Man vertraut bspw. einem Sachverhalt, wenn er von einer Person vertreten wird, der man vertraut – bspw. weil man in anderem Zusammenhang zufriedenstellend beraten worden ist.

    Der IT-Exkurs, Wb jetzt nicht mehr mit jedem Wort des Mini-Vortrags glücklich, diente ein wenig dem Verständnis von Vertrauen. IT-Kräfte mussten sich irgendwann einmal bemühen Vertrauen zu modellieren und dann zu implementieren. Du bist doch ITler, gell?!

    MFG
    Wb

  24. #24 Wb
    8. August 2010

    In einem solchen Massenkampf (paper gegen paper ohne weitere Kriterien) unterliegt die Qualität.

    Das sollte eigentlich nicht so sein.

  25. #25 MartinB
    8. August 2010

    @rank zero
    Das hängt sicher von der Disziplin ab. In der Physik z.B. kann mich keiner hindern, das Gegenpaper bei arXiv zu posten, damit haben es dann schonmal einige Hundert Leute gesehen, die jeden morgen die neusten papers per mail bekommen und draufgucken.
    Auch nen Konferenzvortrag kann man relativ schlecht zensieren.
    Und selbst der Unsinn von Tscheuschner hat seinen Weg in die Öffentlichkeit gefunden.

  26. #26 Wb
    8. August 2010

    @jitpleecheep
    Nachtrag: Wenn der Webbaer einmal etwas anekdotisch werden darf:
    Nehmen wir einmal an wir haben eine Projektarbeit vorzustellen, die Abnehmerseite ist mit Entscheidungsträgern vertreten und scheinbar/anscheinend zur Abnahme bereit, der Entscheider der Abnehmerseite trägt in etwa wie folgt vor:
    1.) “Das ist ja schön und gut…” (Übersetzung: Es wird möglicherweise die Relevanz der Arbeit in Frage gestellt, möglicherweise kann der Abnehmer keinen klaren Überblick gewinnen. Das Intro ist jedenfalls nicht per se ein Anlass zur Besorgnis.)
    2.) Er selbst wisse jetzt nicht alles, könne nicht alles verstehen, würde seinen Leuten vertrauen. (Übersetzung: Möglicherweise haben wir die Abnehmerzufriedenheit unzureichend bearbeitet, möglicherweise kam die Außendarstellung zu kurz, das pastorale Element – immer noch kein klares oder signifikantes Zeichen, dass es Probleme gibt, aber man beginnt sich zu sorgen…)
    3.) “Aber, dieses und jenes (Beispiele werden genannt), kann man so oder so sehen.” (Übersetzung: Alarmsignal. Der Indizienkreis schließt sich, der Abnehmer hat a) keine Ahnung b) hat die Sache intern unzureichend bearbeitet und c) lehnt das Ergebnis ab, ohne konkret zu werden oder konkret werden zu können oder zu wollen.)

    Dann stellt sich auf Seite der Produktion oft das Gefühl der Leere ein, denn dann geht nicht mehr viel. Es beschleicht einen der ziemlich sichere Eindruck, dass man so nicht arbeiten kann.

    MFG
    Wb

  27. #27 Wb
    8. August 2010

    Der Wissenschaftsbetrieb ist ausgerichtet …dem anderen Geschlecht zu imponieren…

    Schon ein wenig grell. So hats der Webbaer bisher noch nicht gesehen. Aber Sie mögen recht haben, weibliche wissenschaftliche Höchstleistungen sind durchaus sexy.

    SCNR
    Wb

  28. #29 Jürgen Schönstein
    9. August 2010

    @Marc Scheloske

    In vielen Diskussionen darüber sorgt freilich (nach meinem Empfinden) schon allein die Tatsache, daß man (mangels besserer Alternativen?) das Verb “glauben” verwendet, für Mißverständnisse. Vielleicht wäre es angemessener, wenn man stattdessen von Vertrauen sprechen würde?

    Genau meine Worte: Der Unterschied zwischen Glauben und Vertrauen

  29. #30 Jürgen Schönstein
    9. August 2010

    @Marc Scheloske

    In vielen Diskussionen darüber sorgt freilich (nach meinem Empfinden) schon allein die Tatsache, daß man (mangels besserer Alternativen?) das Verb “glauben” verwendet, für Mißverständnisse. Vielleicht wäre es angemessener, wenn man stattdessen von Vertrauen sprechen würde?

    Genau meine Worte: Der Unterschied zwischen Glauben und Vertrauen

  30. #31 Jürgen Schönstein
    9. August 2010

    @Marc Scheloske

    In vielen Diskussionen darüber sorgt freilich (nach meinem Empfinden) schon allein die Tatsache, daß man (mangels besserer Alternativen?) das Verb “glauben” verwendet, für Mißverständnisse. Vielleicht wäre es angemessener, wenn man stattdessen von Vertrauen sprechen würde?

    Genau meine Worte: Der Unterschied zwischen Glauben und Vertrauen

  31. #32 Navid Zamani
    10. August 2010

    Deine Argumente sind für einen gebildeten (aber anscheinen in Sachen Logik und Realitätsbewusstsein/Psychologie mit gefährlichem Halbwissen ausgestatteten) Menschen ziemlich peinlich. Sorry für das ad hominem. Ich werde natürlich erklären wieso:
    Also: Ein seit ewigen Zeiten bekanntes Problem bildet Teil eins der Basis: Das Problem, dass wir nicht beweisen können, dass irgendwas, ausser uns selbst, überhaupt existiert. Es können ja alles nur Hirngespinste sein. (Wenn du das noch nicht kanntest, empfehle ich, das mal für dich selber mit *richtigem nachdenken* zu beweisen oder entkräften, bevor du es verwirfst.) Und Teil zwei ist, dass in der Natur ja, wie dir bestens bekannt sein dürfte, alles, reale auch relativ ist. Massen, Energien, Positionen und Zeiten, Informationsinput und -output.
    Dazu kommt noch, dass bei Menschen sowieso schonmal praktisch all unser Wissen vom hörensagen kommt. Normalerweise über eine große Menge von Ecken. Jemand hat dir mal gesagt, dass es so ist. Oder dir Messwerte gegeben. Oder dir ein Messinstrument gebaut das sie dir gibt. Und selbst dieser Text ist über Dutzende von Servern, Geräten, Datenbanken und unsere Sinne von mir zu dir gelangt. Und davor und danach wurde das ganze auch noch durch die Mustererkenner unserer Hirne vielfach transformiert und verarbeitet.
    Faktisch gibt es also für Menschen *in der Praxis* erst recht keine *absolute* Realität. Und keine Fakten. Und keine neutralen aussagen.

    Das einzige, an das wir uns für etwas Struktur klammen können, ist die Struktur selber: Die Logik. Und die Ignoranz.
    Wieso die Logik? Das dürfte klar sein. Weil wir mit ihr aus den Paradigmen und anderen Schlüssen neue Schlüsse erstellen und vermitteln können.
    Aber wieso die Ignoranz? Weil die ja Logik mit den Paradigmen *anfängt*. Also in den Physik die Axiome der Mathematik, ein paar grundlegende Naturkonstanten und Gesetze. Und wir nunmal unmöglich alle Dinge die unsere Endaussage benötigt auf diese zurückführen können. Selbst wenn: Die Paradigmen bleiben ja immer unerklärt. Und würde man das nicht ignorieren, würde man des Lebens und Argumentierens unfähig werden.

    Und damit die Menschen nicht ihr ganzes Leben an Argumentationsketten basteln, helfen sie sich mit Vertrauennetzwerken aus, die ihnen erlauben, Akzeptanz für höhergelegene Paradigmen zu bekommen. Wir vertrauen unseren Professoren. Unseren Büchern. Unseren Freunden.

    Dein Kernproblem ist nun, dass du dich auf ad populum („Millionen Studenten können nicht irren!“), ad verecundiam (deine „zuverlässigen Gutachter“), „Es hat noch keiner bewiesen dass es falsch ist, deswegen muss es richtig sein.“ und „Es passt mir in den Kram (= inneres Modell), deswegen muss es richtig sein.“ stützt, und dass du Informationen, die nur aus Vertrauensnetzwerken (das erwähnte Studium) stammen, für selbstüberprüfte hälst. Alles schwere logische Fehler, bei denen ich nur sagen kann: „non sequitor“.

    QED und EPIC FAIL. Peinlich, peinlich…

  32. #33 Stefan W.
    10. August 2010

    Navid Zamani, das Argument von der Einbildung hat aber einen Schönheitsfehler: Wie soll man sich vorstellen, dass es ein Außen, einen Anderen gibt, wenn es soetwas prinzipiell nicht gibt?

    Ein Betrüger kann sich als Enkel nur ausgeben, wenn die alte Frau wirklich einen Enkel hat. Der Betrug und der Irrtum setzt die Realität voraus.

    Aber ist das dann nicht ein Gottesbeweis, gibt es dann nicht alles, was sich jemand ausdenkt? Nun, da muss man sich eben die Details anschauen. Gibt es ein weißes Einhorn? Wo kommt die Idee her, wer hat zuerst ein Einhorn gemalt oder beschrieben, welche anderen Tiere kannte er (Nashorn, Reh, Schneehase)? Je konkreter man wird, desto flüchtiger werden die Elfen, Gnome und Götter – plötzlich will sich niemand mehr festlegen, wann und wo man sie treffen kann, welche Eigenschaften sie genau haben.

    Aber den anderen kann ich genau beschreiben, und mich mit dritten darüber verständigen, und wenn diese dritte auch nur eingebildet wären – so what? Dann könnten sie mir ja in der Einbildung immer noch meinen Beweis vom anderen zertrümmern, oder ich könnte aufwachen, und meines Irrtums gewahr werden, oder ich bleibe ewig Gefangener meiner Traumwelt – dann greift mich aber auch Ihr Zweifel nicht an.

    So wird der Zweifel recht dialektisch zu dem, was er gerade nicht sein wollte, zum Zeuge des Bezweifelten.

  33. #34 michael
    10. August 2010

    > Das Problem, dass wir nicht beweisen können, dass irgendwas, ausser uns selbst, überhaupt existiert. Es können ja alles nur Hirngespinste sein

    Wenn nur ich existiere, können auch keine Hirngespinste existieren. Höchstens ein Hirngespinst und dieses wäre dann ich. Und dann würde ich mich in eine Logikwolke auflösen.

    Also existiert schon mal etwas ausserhalb von mir….

  34. #35 Wb
    10. August 2010

    Ich werde natürlich erklären wieso:
    Also: Ein seit ewigen Zeiten bekanntes Problem bildet Teil eins der Basis: Das Problem, dass wir nicht beweisen können, dass irgendwas, ausser uns selbst, überhaupt existiert.

    Ein bemerkenswerter Schachtelsatz, der allerdings den Irrtum enthält, dass man beweisen könne, dass “wir selbst existieren”. Richtig ist, dass man nur beweisen kann, dass etwas ist. Zur Gesamtkritik: Mathematiker dürfen noch am ehesten glauben, oder?

    MFG
    Wb

  35. #36 michael
    10. August 2010

    > Mathematiker dürfen noch am ehesten glauben, oder?

    Nein: Mathematikern darf man am ehesten glauben.

  36. #37 Lidia
    21. März 2011

    Seht euch das Youtube Video mit dem Namen: Fé Ciência Glauben Wissenschaft Faith Science Esmeralda Campelo Antônio Peters an. Mit einleuchtenden Argumenten spricht Pastor Antônio Peters über sein Buch „Alpha & Omega“.(Deutsche Untertitel)

    „Das Buch Alpha und Omega stützt sich nicht auf die Wissenschaft um die Bibel zu erklären, sondern basiert auf die Bibel und benutzt die Wissenschaft als Schlüsselloch, um zu sagen: „Schau die Bibel sagt uns das schon, und geht sogar weiter! (Pastor Antônio, 2011)”

  37. #38 Thilo
    21. März 2011

    @ Lidia: Mit dem Thema dieses Artikels hat das allerdings nun gar nichts zu tun.

  38. #39 rolak
    21. März 2011

    Das kümmert doch keinen wortscannenden Werbebot 😉