Feldstärken als Krümmungen.
Weil es gerade zum Beitrag von letzter Woche paßt, jetzt im Sommerloch mal ein kurzer Ausflug in die mathematische Physik, bevor es hier mit der Topologie von Flächen weitergeht.
In der mathematischen Physik interpretiert man Feldstärken gerne als Krümmungen. Fast schon klassisches Beispiel ist Einsteins Interpretation der Gravitation als Krümmung der Raum-Zeit, genauer: als Krümmung einer pseudo-Riemannschen Metrik (TvF 52) auf der Raum-Zeit.
Oft werden Feldstärken aber nicht als Krümmungen einer Riemannschen (oder pseudo-Riemannschen) Metrik, sondern als Krümmungen eines Faserbündels interpretiert. Die formalen Definitionen kann man hier nachlesen. En bref: wenn man ein Faserbündel P hat, dessen Faser eine Lie-Gruppe G ist (ein sogenanntes “G-Prinzipalbündel”), dann bezeichnet man als “Zusammenhang” (engl.: connection) eine Abbildung von P in die Lie-Algebra von G, mit bestimmten Eigenschaften. Die Krümmung ist dann die Ableitung des Zusammenhangs (jedenfalls, wenn G abelsch ist, im allgemeinen hat man diese Formel).
Welchen Vorteil bringt es, wenn man die Feldstärke nicht als skalarwertige Funktion, sondern als “Schnitt” in einem Faserbündel auffaßt?
Klassisches Beispiel: Elektromagnetismus. Die Stärke eines elektromagnetischen Feldes könnte man natürlich als skalarwertige Funktion auf der Raum-Zeit, also als Funktion F: R4—>R (sozusagen als “Schnitt” im trivialen Faserbündel R4xR) auffassen.
So ein elektromagnetisches Feld sollte dann natürlich auch ein Potential haben. Beim Nachrechnen der Transformationsregeln stellt sich aber heraus, daß es kein Potential A:R4—>R mit dA=F geben kann.
Wenn man hingegen statt Funktionen R4—>R sich Schnitte in einem passenden Faserbündel (dessen Koordinatenwechsel gerade mit den errechneten Transformationsregeln der Potentialfunktion kompatibel sind) über R4 anschaut, dann gibt es dort tatsächlich eine Potentialfunktion mit dA=F. Die Einführung des Bündels ist also ein Kunstgriff, um das Potential des elektromagnetischen Feldes mathematisch korrekt definieren zu können. (Es stellt sich heraus, daß die Feldstärke gerade die Krümmung und das Potential gerade der “Zusammenhang” des Bündels ist.)
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Was hat dieser Ausflug in die Physik jetzt mit den Beiträgen der letzten Wochen zu tun? Eigentich nur insoweit, daß die Physik der Feldtheorien eben Begriffe wie “Zusammenhang” und Krümmung von Bündeln motiviert hat.
Letzte Woche hatten wir über “Abbildungstori” geschrieben, diese fallen (jedenfalls wenn die Faser eine Lie-Gruppe ist) in diese Theorie der Prinzipalbündel, allerdings als trivialer Spezialfall: ihre Krümmung ist 0, das Bündel ist “flach”.
Aus Sicht der Feldtheorie sind flache Bündel natürlich uninteressant, sie beschreiben ja gerade ein Feld der Feldstärke 0 (Feldstärke=Krümmung!), aus mathematischer Sicht sind flache Bündel aber durchaus von Interesse, wie die beiden bisherigen Beispiele von flachen Bündeln über dem Kreis (die Faserung des Kleeblattschlingen-Komplements mittels Singularitätentheorie in TvF 123 und die Faserung des Achterknoten-Komplements mittels Arnolds Katzenabbildung in TvF 126) vielleicht schon gezeigt haben. Flache Faserbündel (nicht nur Prinzipalbündel) werden jedenfalls auch in dieser Reihe noch häufiger vorkommen.
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