Was ist gefährlicher?
Polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane, umgangssprachlich auch als Dioxine bezeichnet, und speziell das „Sevesodioxin” 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin sind in aller Munde, seit einigen Tagen auch im übertragenen Sinne.
Dank Chemisch gesehen haben wir schon einiges über die chemische Zusammensetzung gelernt. Aber wie sieht es mit der Gefährlichkeit aus?
Wie sich Dioxin auf die Sterbewahrscheinlichkeit des Menschen auswirkt – darüber gibt es offenbar keine belastbaren Zahlen. Tierversuche zeigen je nach Tierart sehr unterschiedliche Ergebnisse. Ein Rhesusaffe muß z.B. 70 Mikrogramm Dioxin je Kliogramm Körpergewicht aufnehmen, um LD 50 (d.h. eine Sterbewahrscheinlichkeit von 50%) zu erreichen. Bei einem Körpergewicht von 7 Kilogramm (und dem in Deutschland geltenden Dioxin-Grenzwert in Eiern von 3×10-12g Dioxin pro 1 g Fett, d.h. ca. 25×10-12g Dioxin pro Ei) muß ein Rhesusaffe also 20 Millionen Eier am Dioxin-Grenzwert essen, um eine Sterbewahrscheinlichkeit von 50% zu erreichen. Bei Dioxin-Werten über dem Grenzwert entsprechend etwas weniger.
Das Umweltbundesamt schreibt dazu:
Eine akute Wirkung von Dioxin ist beim Menschen nur bei sehr hohen Mengen, z. B. durch Vergiftungen zu erwarten. Dabei zeigt sich in Tierversuchen, dass es zu dem sogenannten Auszehrungssyndrom (wasting syndrome) kommt, mit einem starken Gewichtsverlust und mit massiven Leberschäden und Stoffwechselentgleisungen, die verzögert, nach mehreren Tagen bis Wochen zum Tod führen können. Durch Dioxine können Hautschädigungen (Chlorakne), Störungen des Immunsystems, des Nervensystems, des Hormonhaushalts, der Reproduktionsfunktionen und der Enzymsysteme mit all ihren Folgen hervorgerufen werden. In Seveso hat sich nach der Dioxinkatastrophe das Geschlechterverhältnis bei den Geburten verschoben. Männer, die zum Zeitpunkt der Dioxinkatastrophe sehr jung waren, zeugten später mehr Mädchen.
Die Gefahren des Dioxins liegen darin, dass es im Körperfett gespeichert wird, sich dort anreichert und nur sehr langsam eliminiert wird. 2,3,7,8 TCDD ist von der Weltgesundheitsorganisation WHO im Februar 1997 als humankanzerogen (krebserzeugend für den Menschen) eingestuft worden.
Also: Dioxin ist (jedenfalls in den Größenordnungen, um die es beim Futtermittelskandal geht) nicht akut, aber langfristig gefährlich.
Wieviele und wie stark belastete Eier führen nun aber tatsächlich zu einer signifikanten Erhöhnung des Krebs-Risikos? Darüber scheint es wohl keine Erkenntnisse zu geben.
Während in Studien zum Passivrauchen durchaus konkrete Zahlen genannt werden (das DKFZ sprach vor einigen Jahren von 3300 jährlichen Todesfällen in Deutschland durch Passivrauchen, diese Interpretation der vorliegenden Studien wird natürlich durchaus umstritten), findet man keine vergleichbaren Informationen zu den langfristigen Folgen von Dioxin. Sind die langfristigen Folgen gefährlicher oder harmloser als z.B. die von Asbest oder eben Tabak? Gibt es dazu wissenschaftliche Erkenntnisse?
Viktor Juschtschenko mit durch Dioxin-Anschlag hervorgerufener Chlorakne
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