Flächen, Landkarten und formale Definitionen.
Nachdem wir in dieser Reihe ziemlich lange Anwendungen der hyperbolischen Geometrie auf Flächen dargestellt haben, wollen wir jetzt auch noch die klassische Flächen-Topologie besprechen, insbesondere die topologische Klassifikation von Flächen.
“Klassifikation” meint: Klassifikation bis auf Homöomorphie –
zwei Flächen werden als gleich angesehen, wenn sie homöomorph sind, d.h. wenn es eine stetige Abbildung mit stetiger Umkehrabbildung zwischen den beiden Flächen gibt (TvF 9).
Wir waren ja stets davon ausgegangen, daß man jede zusammenhängende, kompakte, orientierbare Fläche durch Ankleben einer Anzahl von Henkeln an die Sphäre bekommt:
Wir hatten auch gesehen, daß diese verschiedenen Flächen F nicht homöomorph sind: das sieht man zum Beispiel durch Berechnen der Euler-Charakteristik χ(F), oder der Fundamentalgruppe π1F, oder des hyperbolischen Flächeninhalts area (F) (was im Prinzip das selbe ist wie die Euler-Charakteristik, nach Gauß-Bonnet TvF 71 ist für hyperbolische Flächen area(F)=-2πχ(F)).
Aber wie beweist man, daß es nur diese Flächen gibt und keine anderen?
Dafür braucht man natürlich zuerst einmal die formale Definition von “Fläche”.
Die formale Definition von “Fläche” (=”2-dimensionale Mannigfaltigkeit”) hatten wir in TvF 10 beschrieben. Im wesentlichen geht es darum, daß man Flächen durch ebene Landkarten überdecken kann.
Das Bild zeigt eine Karte für die Einheits-Sphäre (mit Ausnahme des Nordpols).
Diese Abbildung heißt stereographische Projektion.
In Formeln: (x,y,z) —-> (x/(1-z),y/(1-z)).
Geometrisch: man projiziert vom Nordpol aus auf eine am Südpol angebrachte Ebene.
Jeder Punkt der Sphäre (mit Ausnahme des Nordpols) entspricht einem eindeutigen Punkt der Ebene. Die Abbildung ist stetig, ebenso wie die Umkehrabbildung von der Ebene auf die Sphäre. Es handelt sich also um einen Homöomorphismus.
Eine zweite Landkarte bekommt man für die Einheits-Sphäre (mit Ausnahme des Südpols) durch die Formel (x,y,z) —-> (x/(1+z),y/(1+z)), d.h. man projiziert vom Südpol aus auf eine am Nordpol angebrachte Ebene.
Diese beiden Landkarten überdecken bereits die gesamte Sphäre.
Dieses Beispiel motiviert vielleicht die allgemeine formelle Definition einer Fläche:
“Eine Fläche ist ein topologischer Raum, den man durch offene Teilmengen (“Karten”) überdecken kann, so daß jede dieser offenen Mengen homöomorph zu einer offenen Teilmenge der Ebene R2 ist.”
Um pathologische Beispiele zu vermeiden, interessiert sich meist nur für Flächen, die Hausdorffsch sind und das 2. Abzählbarkeitsaxiom erfüllen.
(Was für pathologische Beispiele würde man ohne diese Annahmen bekommen? Ohne das Hausdorff-Axiom gäbe es zum Beispiel noch Flächen, die durch Verkleben zweier Flächen entlang einer offenen Menge entstehen. Ohne das 2.Abzählbarkeitsaxiom hätte man zum Beispiel noch Flächen mit überabzählbar vielen Henkeln.)
Flächen, die nicht Hausdorffsch sind, spielen in manchen Zusammenhängen (z.B. Theorie der Blätterungen) durchaus eine Rolle. Wir werden in dieser Reihe aber der üblichen Konvention folgen und annehmen, daß alle Flächen die Hausdorff-bediingung und das 2.Abzählbarkeitsaxiom erfüllen.
Mit dieser Definition lautet die Formulierung des Klassifikationssatzes für Flächen (zu dessen Beweis wir in den nächsten Folgen noch etwas sagen werden) dann wie folgt:
“Jede zusammenhängende, kompakte, orientierbare Fläche ist entweder eine Sphäre oder die zusammenhängende Summe von g Tori.
(Tori ist der Plural von Torus. Das erste Bild ganz oben zeigt neben der Sphäre die Fälle g=1, g=2, g=3.
Die zusammenhängende Summe zweier Flächen bildet man wie im Bild unten durch Heraussschneiden je einer Scheibe und Verklebung am entstandenen eindimensionalen Rand. Die zusammenhängende Summe zweier Tori ist also eine Brezel, die zusammenhängende Summe aus Torus und Brezel ist eine Fläche mit 3 Henkeln, die zusammenhängende Summe von g Tori ist eine Fläche mit g Henkeln.)
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