Schöne Fliesen und warum man Kreise in der Ebene nicht verknoten kann.
Um mit Flächen “arbeiten” zu können, braucht man etwas handhabbares, zum Beispiel eine Zerlegung der Fläche in Dreiecke (eine “Triangulierung”, einige Beispiele hatten wir vor 2 Wochen).
Wie beweist man, daß sich jede Fläche triangulieren läßt? Ein wichtiger Schritt beim Beweis ist der Satz von Schoenflies, um den es heute geht.
Satz von Schoenflies
Arthur Moritz Schoenflies (der übrigens in den 20er Jahren Rektor der Universität Frankfurt und Präsident der DMV war) ist vor allem durch seine Klassifikation der Symmetriegruppen von Kristallstrukturen bekannt. (Die Klassifikation der schönen Fliesen, also der 2-dimensionalen Symmetriegruppen, stammt hingegen von Polya. Man verzeihe das platte Wortspiel.)
In der Topologie ist er bekannt für einen scheinbar offensichtlichen Satz:
Wenn K eine geschlossene Kurve (ohne Selbstschnitte) in der Ebene R2 ist, dann gibt es eine stetige (und stetig umkehrbare) Abbildung f:R2–>R2, die K auf den Einheitskreis abbildet.
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Gegenbeispiele
Wenn man sich überzeugen will, daß ein Satz nicht offensichtlich ist, sollte man sich anschauen, was passieren würde, wenn man die Voraussetzungen etwas abändert.
Zunächst gilt der Satz von Schoenflies nicht, wenn man auch Kurven mit Selbstsschnitten zuläßt. (Das ist aber natürlich völlig banal.)
Interessanter wird es, wenn man sich höherdimensionale Analoga anschaut. Was ist zum Beispiel mit geschlossenen Kurven im 3-dimensionalen Raum?
Das Bild zeigt den Achterknoten. Weil er verknotet ist, kann man ihn nicht mit einer stetigen und stetig umkehrbaren Abbildung f:R3–>R3 auf den unverknoteten Einheitskreis abbilden.
Es gibt noch viele andere Knoten im 3-dimensionalen Raum, für die dasselbe gilt.
Den Satz von Schoenflies könnte man also auch so formulieren: In der Ebene ist jede Kurve unverknotet.
Gut, man könnte sagen, die Analogie zwischen 2- und 3-dimensionalem überzeugte hier ohnehin nicht: im 3-dimensionalen Raum hat man halt mehr Platz, um Kurven zu verknoten.
Aber, und das ist dann wirklich überraschend, auch das Analog des Satzes von Schoenflies für Flächen im 3-dimensionalen Raum (statt Kurven im 2-dimensionalen Raum) stimmt nicht.
Bei dieser Fläche handelt es sich einfach um eine 2-dimensionale Sphäre im 3-dimensionalen Raum, die sogenannte “Alexander-gehörnte Sphäre”. Man kann sie aber nicht mit einer stetigen und stetig umkehrbaren Abbildung f:R3–>R3 auf die Einheitssphäre abbilden.
c: BernhardH
Eine schöne Grafik findet man auf Seite 176 von Hocking-Young und eine ausführliche Beschreibung der Konstruktion auf Seite 170ff. von Hatcher. In einem Hörsaal der Bochumer Universität soll es ein Bild dieser Sphäre geben.
Ich war vor gut 2 Jahren mal in Bochum und hatte da auch einige Fotos gemacht. An den Hörsaal hatte ich nicht gedacht, aber immerhin ist unter den Fotos eines mit einem Plakat zur Alexander-Sphäre (es handelt sich um eine Vorlesungsankündigung zur “Algebraischen Topologie”):
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