“Searching for electoral irregularities in an established democracy:
Applying Benford’s Law tests to Bundestag elections in Unified Germany”
Im neuen Heft von Electoral Studies erscheint der Artikel “Searching for electoral irregularities in an established democracy: Applying Benford’s Law tests to Bundestag elections in Unified Germany” von Christian Breunig und Achim Goerres. Den Autoren zufolge handelt es sich um die erste Arbeit, die Ergebnisse deutscher Bundestagswahlen unter statistischen Gesichtspunkten (Benfords Gesetz) auf mögliche Manipulationen überprüft. (Ähnliche Untersuchungen zu Wahlen in anderen Ländern gab es schon häufig, sogar hier auf den scienceblogs gab es damals einen Artikel über den Wahlbetrug im Iran.)
Zur Methodik: es werden die Ergebnisse der großen Parteien in den einzelnen Wahllokalen innerhalb eines Wahlkreises bei den fünf Bundestagswahlen 1990-2005 untersucht. Bekanntlich macht Benfords Gesetz Aussagen über die Häufigkeit von Ziffern in empirischen Datensätzen. Zum Beispiel als erste Ziffer hat man 30% die ‘1’ und nur zu 4,5% die ‘9’, als zweite Ziffer hat man 12% die ‘1’ und nur zu 8,5% die ‘9’. Die Autoren Breunig-Goerres untersuchen in ihrer Studie nicht die ersten, sondern die zweiten Ziffern der Ergebnisse der einzelnen Wahllokale:
Mebane (2006) argues that the frequencies of the numerals of election counts at precinct level approximate a Benford distribution for the second digit. They must do so because the aggregate distribution of numerals does not result from one random process. Instead, it stems from a mixture of several intersecting processes (such as multiple decisions whether to vote or not, decisions among a given set of menus that vary across districts, voting technology etc.) (see also Mebane, 2008). Other researchers have used the first digit of election results (Roukema, 2009); however Mebane rightly argues that the first digit cannot vary enough e.g., if a candidate benefits from similar popularity in precincts of similar magnitude. The second digit provides us with the opportunity to employ Benford’s Law for studying voting irregularities. In fact, Mebane’s empirical tests with various kinds of empirical data from the USA, Mexico, Iran and with artificial data simulating fraudulent elections corroborated the 2BL.
Es gibt nur relativ wenige Wahlkreise, in denen tatsächlich signifikante Abweichungen jenseits dessen, was sich vielleicht noch als Zufall erklären ließe, festgestellt werden: bei den Erststimmen sind das Hamburg-Nord und Pinneberg 1994, Deggendorf (Bayern) 2002 und Hof (Bayern) 2005, bei den Zweitstimmen Essen III 1990, Freiburg, Hof (Bayern), Kulmbach (Bayern), Frankfurt-Eisenhüttenstadt-Beeskow (Brandenburg) 1998, Rostock, Stralsund-Nordvorpommern-Rügen (Mecklenburg-Vorpommern) 2002 und Amberg (Bayern) 2005.
Bemerkenswert, daß Hof zweimal vorkommt. Am interessantesten ist aber vielleicht eine andere Beobachtung der Autoren: wenn man die Abweichungen nach Bundesländern ordnet, dann gab es die stärksten Abweichungen von Benfords Gesetz immer gerade dort, wo eine Partei in den Jahren 1990-2005 besonders dominant war: bei der CSU in Bayern, der CDU in Baden-Württemberg und der SPD in Nordrhein-Westfalen. Außerdem gab es (vor allem 2002) starke Abweichungen bei der PDS in den ostdeutschen Bundesländern. Man muß dazu natürlich sagen, daß man mit Benfords Gesetz zwar Unregelmäßigkeiten feststellen kann, es sich aber nicht ermitteln läßt, ob diese zum Vorteil oder zum Nachteil der betroffenen Parteien waren. (Breunig-Goerres spekulieren im letzten Drittel ihrer Arbeit über mögliche Ursachen, etwa die größere soziale Homogenität der Wahl-Auszähler in manchen Gegenden.)
Breunig, C., Goerres, A., Searching for electoral irregularities in an established democracy:
Applying Benford’s Law tests to Bundestag elections in Unified Germany, Electoral Studies (2011), doi:10.1016/j.electstud.2011.03.005
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