“eher geeignet für das Guinness-Buch der Rekorde als für ein mathematisches Journal”
Ich bin gerade auf einer Tagung über ‘Diskrete Gruppen’ in Oostende (nein, Oostende hat keine Uni, die Tagung findet im ‘Hotel Royal Astrid’ statt, im Bild oben hinter der Tordurchfahrt), die von den Organisatoren dem Gedenken an Fritz Grunewald gewidmet wurde, einen bekannten Gruppentheoretiker.
U.a. wurde auf der Tagung auch ein im Jahresbericht der DMV veröffentlichter Nachruf verteilt. Über Grunewalds Dissertation erfährt man in diesem Lebenslauf:
Grunewalds erstes größeres Forschungsprojekt und das Thema seiner Dissertation waren ein Ansatz zur Lösung des berühmten und immer noch offenen Burnside-Problems für Gruppen vom Exponenten 8. Mithilfe intensiver Rechnungen ohne Computereinsatz gelang es Grunewald, für eine Familie endlich präsentierter Exponent-8-Gruppen, von denen man hofft, daß sie nicht allzuweit von den allgemeinen Burnside-Gruppen entfernt sind, die Endlichkeit nachzuweisen. Diese Rechnungen, die in eine gemeinsame Arbeit mit Mennicke einflossen, wurden vom Referenten als “eher geeignet für das Guinness-Buch der Rekorde als für ein mathematisches Journal” kommentiert.
Eine mathematische Dissertation, die ins Guinness-Buch gehören würde? Das fragt man sich natürlich, weswegen, und so habe ich mal kurz in die Arbeit hineingeschaut.
Es geht in der Dissertation um diese (durch 2 Erzeuger und 15 Relationen gegebene) Gruppe
deren Endlichkeit bewiesen werden sollte. Und die Rechnungen und bereits die Formulierungen der Sätze und Lemmas sind wirklich Guinness-verdächtig. Das längste Lemma besteht aus 72 zu beweisenden Gleichungen:
Ein Lemma aus 72 Gleichungen dürfte tatsächlich rekordverdächtig sein, jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, schon einmal einen längeren Satz in einer Arbeit gesehen zu haben. Warum kommt so etwas nicht ins Guinness-Buch – Mathematiker sind dort ohnehin viel zu wenig vertreten. (Die einzigen mir bekannten Beispiele von Mathematikern im Guinness-Buch sind Colin MacLaurin und Alia Sabur, und natürlich das größte Mathebild der Welt, auch wenn es vermutlich noch ein paar weitere geben dürfte.) Das längste mathematische Lemma fände ich durchaus eine vernünftige Guinness-Kategorie.
(Zum obigen Satz wurden übrigens später mit Computer-Hilfe kürzere Beweise gefunden. Und zu Grunewalds späteren Arbeiten liest man am besten den Artikel von Dan Segal.)
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